Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Berufsstatistik. Agrar- und Industriestaat. 100 Einwohnern überhaupt sind nach einer Berechnung von Jannasch eigentliche gewerblichThätige (1870--80) in Ungarn 4, in Frankreich und Österreich 11--12, in Deutschland 14--15, in der Schweiz und Belgien 18--19, in England 22. Die Zahl der gewerblichen Bevölkerung ist also heute eine geringe, wo sie 11--18 % Die Personen, welche dem Handel und Verkehr ihre Thätigkeit widmen, machen Die liberalen Berufe schwanken, soweit wir Nachrichten haben, zwischen 2 und 8, Es geht in diesem Punkte wie oft mit der Statistik; gerade wo sie uns die 121. Die Ursachen und Bedingungen der Arbeitsteilung haben Die Arbeitsteilung entspringt der feineren und specialisierten Ausbildung aller Wie der einzelne Mensch aus seiner Thätigkeit ein zusammenhängendes, durch- Berufsſtatiſtik. Agrar- und Induſtrieſtaat. 100 Einwohnern überhaupt ſind nach einer Berechnung von Jannaſch eigentliche gewerblichThätige (1870—80) in Ungarn 4, in Frankreich und Öſterreich 11—12, in Deutſchland 14—15, in der Schweiz und Belgien 18—19, in England 22. Die Zahl der gewerblichen Bevölkerung iſt alſo heute eine geringe, wo ſie 11—18 % Die Perſonen, welche dem Handel und Verkehr ihre Thätigkeit widmen, machen Die liberalen Berufe ſchwanken, ſoweit wir Nachrichten haben, zwiſchen 2 und 8, Es geht in dieſem Punkte wie oft mit der Statiſtik; gerade wo ſie uns die 121. Die Urſachen und Bedingungen der Arbeitsteilung haben Die Arbeitsteilung entſpringt der feineren und ſpecialiſierten Ausbildung aller Wie der einzelne Menſch aus ſeiner Thätigkeit ein zuſammenhängendes, durch- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0375" n="359"/><fw place="top" type="header">Berufsſtatiſtik. Agrar- und Induſtrieſtaat.</fw><lb/> 100 Einwohnern überhaupt ſind nach einer Berechnung von Jannaſch eigentliche gewerblich<lb/> Thätige (1870—80) in Ungarn 4, in Frankreich und Öſterreich 11—12, in Deutſchland<lb/> 14—15, in der Schweiz und Belgien 18—19, in England 22.</p><lb/> <p>Die Zahl der gewerblichen Bevölkerung iſt alſo heute eine geringe, wo ſie 11—18 %<lb/> erfaßt, eine mittlere, wo es ſich um 19—36 handelt, eine ſtarke, wo ſie bis 57 % an-<lb/> ſteigt. Deutſchland erreicht Belgien und die Schweiz noch nicht, England entfernt nicht.</p><lb/> <p>Die Perſonen, welche dem Handel und Verkehr ihre Thätigkeit widmen, machen<lb/> nebſt ihren Angehörigen in den großen europäiſchen Ländern der Gegenwart wohl nirgends<lb/> unter 3—5 % und über 11—13 % aus; in Berlin freilich 22, in Hamburg 31; ſie<lb/> ſind aber als Städte nicht mit größeren Gebieten vergleichbar. Zur Illuſtration mag<lb/> beigefügt werden, daß in Frankfurt a. M. 1440 die Gewerbe 58, Handel und Verkehr<lb/> 13, im Jahre 1882 erſtere 35, letztere 31—32 % der ſelbſtändigen Erwerbsthätigen<lb/> beanſpruchten. Nach der deutſchen Berufszählung von 1882, welche Eiſenbahnen und<lb/> Poſten nicht mit umfaßt, haben faſt alle Provinzen und Länder über 7—8 %, Heſſen-<lb/> Naſſau, Rheinprovinz, Schleswig-Holſtein, Sachſen, Braunſchweig ſteigen über 10 %.</p><lb/> <p>Die liberalen Berufe ſchwanken, ſoweit wir Nachrichten haben, zwiſchen 2 und 8,<lb/> in der deutſchen Berufszählung zwiſchen 3 und 8 %; in den großen Städten machen<lb/> ſie 11—12 %. Für genauere Vergleiche beſtimmter Teile fehlen meiſt die Zuſammen-<lb/> ſtellungen, ſo lehrreich ſie wären; Bodio hat einige geliefert, die uns z. B. zeigen, daß<lb/> in den Vereinigten Staaten dreimal ſoviel Advokaten ſind als in England, in Italien<lb/> zwei- bis dreimal ſoviel Geiſtliche als in Deutſchland.</p><lb/> <p>Es geht in dieſem Punkte wie oft mit der Statiſtik; gerade wo ſie uns die<lb/> lehrreichſten Ausblicke eröffnen ſollte, verläßt uns das Inſtrument, weil es noch zu roh,<lb/> zu wenig entwickelt, und weil auch das von ihr gelieferte Rohmaterial zu wenig<lb/> bearbeitet iſt. — Wir müſſen uns hier mit dieſen wenigen Zahlen und Andeutungen<lb/> begnügen, die nur den Zweck haben, einen ſummariſchen Einblick in die Geſamtreſultate<lb/> der heutigen Berufs- und Arbeitsteilung zu geben.</p><lb/> <p>121. <hi rendition="#g">Die Urſachen und Bedingungen der Arbeitsteilung</hi> haben<lb/> wir ſchon in der Einleitung andeutungsweiſe berührt, wir haben jetzt auf Grund des<lb/> vorgeführten Thatſachenmaterials zu verſuchen, ſie präcis und möglichſt erſchöpfend zu<lb/> formulieren.</p><lb/> <p>Die Arbeitsteilung entſpringt der feineren und ſpecialiſierten Ausbildung aller<lb/> menſchlichen Thätigkeit; es entſtehen Einzelaufgaben, denen nicht jeder gleich gewachſen<lb/> iſt, die gut nur der bemeiſtern kann, der hiezu beſondere körperliche und geiſtige Fähig-<lb/> keiten hat, der hiezu angelernt iſt, dieſer Aufgabe ſein Leben widmet.</p><lb/> <p>Wie der einzelne Menſch aus ſeiner Thätigkeit ein zuſammenhängendes, durch-<lb/> dachtes Syſtem macht und ſo rationeller, arbeitſparender ſeine Bedürfniſſe befriedigt, ſo<lb/> kommt die Geſellſchaft durch rationelle Specialiſierung der Thätigkeit ihrer Glieder, durch<lb/> Zuweiſung der geteilten Arbeit an die hiefür Paſſenden zu immer größeren Erfolgen. Die<lb/> Arbeitsteilung ſetzt, wie wir von Anfang an erwähnt, eine ſociale Gemeinſchaft voraus:<lb/> wir fügen jetzt bei: ſie ſetzt eine Berührung und Verſtändigung der zur Anpaſſung an<lb/> ſpecialiſierte Arbeit und zur Organiſation fähigen Perſonen voraus. Wie ſie möglich<lb/> iſt in der patriarchaliſchen Hauswirtſchaft, ſo gelingt ſie zwiſchen Stadt und Land,<lb/> zwiſchen zwei Welten, die häufigen Dampfſchiffahrtsverkehr haben. Eine immer dichtere<lb/> Bevölkerung, größere Gemeinweſen und Staaten, höhere Staatengemeinſchaft wird ihr<lb/> günſtig ſein, ebenſo wie alle Verbeſſerung der Verkehrsmittel. Sie wird auch unter<lb/> dieſen Vorausſetzungen nur gelingen, wenn eine kluge, zum Fortſchritt geneigte Bevölke-<lb/> rung ſie benützt, wenn nicht ſtarre Sitten und Rechtsinſtitutionen, wie da und dort das<lb/> Kaſten- und Zunftweſen, die Änderung hindern. Aber es müſſen außerdem noch gewiſſe<lb/> Bedingungen erfüllt ſein, um ſie möglich zu machen: die ſpecialiſierte Funktion muß in<lb/> der Regel dauernd, gleichmäßig ausgeführt werden können, die Teiloperationen müſſen<lb/> zeitlich zugleich verrichtet werden, die Zuſammenwirkenden müſſen örtlich und geſchäftlich<lb/> richtig nebeneinander geſtellt, in Verbindung gebracht werden können. Es muß ein<lb/> gewiſſes Verſtändnis für die erwachſende Erſparnis an Kräften, für die ſo erzielte beſſere<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [359/0375]
Berufsſtatiſtik. Agrar- und Induſtrieſtaat.
100 Einwohnern überhaupt ſind nach einer Berechnung von Jannaſch eigentliche gewerblich
Thätige (1870—80) in Ungarn 4, in Frankreich und Öſterreich 11—12, in Deutſchland
14—15, in der Schweiz und Belgien 18—19, in England 22.
Die Zahl der gewerblichen Bevölkerung iſt alſo heute eine geringe, wo ſie 11—18 %
erfaßt, eine mittlere, wo es ſich um 19—36 handelt, eine ſtarke, wo ſie bis 57 % an-
ſteigt. Deutſchland erreicht Belgien und die Schweiz noch nicht, England entfernt nicht.
Die Perſonen, welche dem Handel und Verkehr ihre Thätigkeit widmen, machen
nebſt ihren Angehörigen in den großen europäiſchen Ländern der Gegenwart wohl nirgends
unter 3—5 % und über 11—13 % aus; in Berlin freilich 22, in Hamburg 31; ſie
ſind aber als Städte nicht mit größeren Gebieten vergleichbar. Zur Illuſtration mag
beigefügt werden, daß in Frankfurt a. M. 1440 die Gewerbe 58, Handel und Verkehr
13, im Jahre 1882 erſtere 35, letztere 31—32 % der ſelbſtändigen Erwerbsthätigen
beanſpruchten. Nach der deutſchen Berufszählung von 1882, welche Eiſenbahnen und
Poſten nicht mit umfaßt, haben faſt alle Provinzen und Länder über 7—8 %, Heſſen-
Naſſau, Rheinprovinz, Schleswig-Holſtein, Sachſen, Braunſchweig ſteigen über 10 %.
Die liberalen Berufe ſchwanken, ſoweit wir Nachrichten haben, zwiſchen 2 und 8,
in der deutſchen Berufszählung zwiſchen 3 und 8 %; in den großen Städten machen
ſie 11—12 %. Für genauere Vergleiche beſtimmter Teile fehlen meiſt die Zuſammen-
ſtellungen, ſo lehrreich ſie wären; Bodio hat einige geliefert, die uns z. B. zeigen, daß
in den Vereinigten Staaten dreimal ſoviel Advokaten ſind als in England, in Italien
zwei- bis dreimal ſoviel Geiſtliche als in Deutſchland.
Es geht in dieſem Punkte wie oft mit der Statiſtik; gerade wo ſie uns die
lehrreichſten Ausblicke eröffnen ſollte, verläßt uns das Inſtrument, weil es noch zu roh,
zu wenig entwickelt, und weil auch das von ihr gelieferte Rohmaterial zu wenig
bearbeitet iſt. — Wir müſſen uns hier mit dieſen wenigen Zahlen und Andeutungen
begnügen, die nur den Zweck haben, einen ſummariſchen Einblick in die Geſamtreſultate
der heutigen Berufs- und Arbeitsteilung zu geben.
121. Die Urſachen und Bedingungen der Arbeitsteilung haben
wir ſchon in der Einleitung andeutungsweiſe berührt, wir haben jetzt auf Grund des
vorgeführten Thatſachenmaterials zu verſuchen, ſie präcis und möglichſt erſchöpfend zu
formulieren.
Die Arbeitsteilung entſpringt der feineren und ſpecialiſierten Ausbildung aller
menſchlichen Thätigkeit; es entſtehen Einzelaufgaben, denen nicht jeder gleich gewachſen
iſt, die gut nur der bemeiſtern kann, der hiezu beſondere körperliche und geiſtige Fähig-
keiten hat, der hiezu angelernt iſt, dieſer Aufgabe ſein Leben widmet.
Wie der einzelne Menſch aus ſeiner Thätigkeit ein zuſammenhängendes, durch-
dachtes Syſtem macht und ſo rationeller, arbeitſparender ſeine Bedürfniſſe befriedigt, ſo
kommt die Geſellſchaft durch rationelle Specialiſierung der Thätigkeit ihrer Glieder, durch
Zuweiſung der geteilten Arbeit an die hiefür Paſſenden zu immer größeren Erfolgen. Die
Arbeitsteilung ſetzt, wie wir von Anfang an erwähnt, eine ſociale Gemeinſchaft voraus:
wir fügen jetzt bei: ſie ſetzt eine Berührung und Verſtändigung der zur Anpaſſung an
ſpecialiſierte Arbeit und zur Organiſation fähigen Perſonen voraus. Wie ſie möglich
iſt in der patriarchaliſchen Hauswirtſchaft, ſo gelingt ſie zwiſchen Stadt und Land,
zwiſchen zwei Welten, die häufigen Dampfſchiffahrtsverkehr haben. Eine immer dichtere
Bevölkerung, größere Gemeinweſen und Staaten, höhere Staatengemeinſchaft wird ihr
günſtig ſein, ebenſo wie alle Verbeſſerung der Verkehrsmittel. Sie wird auch unter
dieſen Vorausſetzungen nur gelingen, wenn eine kluge, zum Fortſchritt geneigte Bevölke-
rung ſie benützt, wenn nicht ſtarre Sitten und Rechtsinſtitutionen, wie da und dort das
Kaſten- und Zunftweſen, die Änderung hindern. Aber es müſſen außerdem noch gewiſſe
Bedingungen erfüllt ſein, um ſie möglich zu machen: die ſpecialiſierte Funktion muß in
der Regel dauernd, gleichmäßig ausgeführt werden können, die Teiloperationen müſſen
zeitlich zugleich verrichtet werden, die Zuſammenwirkenden müſſen örtlich und geſchäftlich
richtig nebeneinander geſtellt, in Verbindung gebracht werden können. Es muß ein
gewiſſes Verſtändnis für die erwachſende Erſparnis an Kräften, für die ſo erzielte beſſere
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