Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.Vorrede. Bruchtheil. So kann es nicht fehlen, daß da oderdort vielleicht die Information eine ungenügende war, die Ausarbeitung eine ungleiche wurde. Die Grenz- linie zwischen Zahlenmittheilung und ausführender Be- trachtung konnte schon wegen der verschiedenen Bedeu- tung der einzelnen Fragen, Staaten und Gewerbe keine ganz gleichmäßige sein. Aber darauf kommt es auch nicht an. Das Wesentliche liegt immer wieder im Ge- sammtergebniß. Dieses ist wohl mehr durch die gleich- sam mathematisch festgestellten statistischen Resultate -- daneben aber immer auch durch die sonstigen Studien und Ansichten, durch das Temperament und die Erleb- nisse des Autors bedingt. Ein subjektiver Rest bleibt immer. Es ist die Schattenseite jeder wissenschaftlichen Arbeit; es ist aber auch im gewissen Sinne ein Vor- zug. Es soll ein subjektiver Rest bleiben. Eine Arbeit derart, welche mit über die wichtigsten volkswirthschaft- lichen Fragen der Gegenwart sich ausspricht, soll sub- jektiv im guten Sinne des Wortes, sie soll eine erlebte sein. Sie soll sich gründen auf selbständige Forschung, die unter Kenntniß aller bisherigen Resultate der Wissenschaft, doch bei der Beobachtung von allen Schul- theorien zu abstrahiren, mit eigenem Auge und offenem Herzen zu sehen vermag. Das ist doppelt nothwendig für Fragen, welche Vorrede. Bruchtheil. So kann es nicht fehlen, daß da oderdort vielleicht die Information eine ungenügende war, die Ausarbeitung eine ungleiche wurde. Die Grenz- linie zwiſchen Zahlenmittheilung und ausführender Be- trachtung konnte ſchon wegen der verſchiedenen Bedeu- tung der einzelnen Fragen, Staaten und Gewerbe keine ganz gleichmäßige ſein. Aber darauf kommt es auch nicht an. Das Weſentliche liegt immer wieder im Ge- ſammtergebniß. Dieſes iſt wohl mehr durch die gleich- ſam mathematiſch feſtgeſtellten ſtatiſtiſchen Reſultate — daneben aber immer auch durch die ſonſtigen Studien und Anſichten, durch das Temperament und die Erleb- niſſe des Autors bedingt. Ein ſubjektiver Reſt bleibt immer. Es iſt die Schattenſeite jeder wiſſenſchaftlichen Arbeit; es iſt aber auch im gewiſſen Sinne ein Vor- zug. Es ſoll ein ſubjektiver Reſt bleiben. Eine Arbeit derart, welche mit über die wichtigſten volkswirthſchaft- lichen Fragen der Gegenwart ſich ausſpricht, ſoll ſub- jektiv im guten Sinne des Wortes, ſie ſoll eine erlebte ſein. Sie ſoll ſich gründen auf ſelbſtändige Forſchung, die unter Kenntniß aller bisherigen Reſultate der Wiſſenſchaft, doch bei der Beobachtung von allen Schul- theorien zu abſtrahiren, mit eigenem Auge und offenem Herzen zu ſehen vermag. Das iſt doppelt nothwendig für Fragen, welche <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="IX"/><fw place="top" type="header">Vorrede.</fw><lb/> Bruchtheil. So kann es nicht fehlen, daß da oder<lb/> dort vielleicht die Information eine ungenügende war,<lb/> die Ausarbeitung eine ungleiche wurde. Die Grenz-<lb/> linie zwiſchen Zahlenmittheilung und ausführender Be-<lb/> trachtung konnte ſchon wegen der verſchiedenen Bedeu-<lb/> tung der einzelnen Fragen, Staaten und Gewerbe keine<lb/> ganz gleichmäßige ſein. Aber darauf kommt es auch<lb/> nicht an. Das Weſentliche liegt immer wieder im Ge-<lb/> ſammtergebniß. Dieſes iſt wohl mehr durch die gleich-<lb/> ſam mathematiſch feſtgeſtellten ſtatiſtiſchen Reſultate —<lb/> daneben aber immer auch durch die ſonſtigen Studien<lb/> und Anſichten, durch das Temperament und die Erleb-<lb/> niſſe des Autors bedingt. Ein ſubjektiver Reſt bleibt<lb/> immer. Es iſt die Schattenſeite jeder wiſſenſchaftlichen<lb/> Arbeit; es iſt aber auch im gewiſſen Sinne ein Vor-<lb/> zug. Es ſoll ein ſubjektiver Reſt bleiben. Eine Arbeit<lb/> derart, welche mit über die wichtigſten volkswirthſchaft-<lb/> lichen Fragen der Gegenwart ſich ausſpricht, ſoll ſub-<lb/> jektiv im guten Sinne des Wortes, ſie ſoll eine erlebte<lb/> ſein. Sie ſoll ſich gründen auf ſelbſtändige Forſchung,<lb/> die unter Kenntniß aller bisherigen Reſultate der<lb/> Wiſſenſchaft, doch bei der Beobachtung von allen Schul-<lb/> theorien zu abſtrahiren, mit eigenem Auge und offenem<lb/> Herzen zu ſehen vermag.</p><lb/> <p>Das iſt doppelt nothwendig für Fragen, welche<lb/> vom Streite der politiſchen Parteien ſeit Jahren ſo<lb/> hin- und hergezerrt wurden, daß auf allen Seiten die<lb/> Unbefangenheit des Urtheils verloren ging, daß man<lb/> die Parteideviſen über die Dinge ſtellte, daß man<lb/> beiderſeits mit Argumenten focht, die aus der Rüſt-<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [IX/0015]
Vorrede.
Bruchtheil. So kann es nicht fehlen, daß da oder
dort vielleicht die Information eine ungenügende war,
die Ausarbeitung eine ungleiche wurde. Die Grenz-
linie zwiſchen Zahlenmittheilung und ausführender Be-
trachtung konnte ſchon wegen der verſchiedenen Bedeu-
tung der einzelnen Fragen, Staaten und Gewerbe keine
ganz gleichmäßige ſein. Aber darauf kommt es auch
nicht an. Das Weſentliche liegt immer wieder im Ge-
ſammtergebniß. Dieſes iſt wohl mehr durch die gleich-
ſam mathematiſch feſtgeſtellten ſtatiſtiſchen Reſultate —
daneben aber immer auch durch die ſonſtigen Studien
und Anſichten, durch das Temperament und die Erleb-
niſſe des Autors bedingt. Ein ſubjektiver Reſt bleibt
immer. Es iſt die Schattenſeite jeder wiſſenſchaftlichen
Arbeit; es iſt aber auch im gewiſſen Sinne ein Vor-
zug. Es ſoll ein ſubjektiver Reſt bleiben. Eine Arbeit
derart, welche mit über die wichtigſten volkswirthſchaft-
lichen Fragen der Gegenwart ſich ausſpricht, ſoll ſub-
jektiv im guten Sinne des Wortes, ſie ſoll eine erlebte
ſein. Sie ſoll ſich gründen auf ſelbſtändige Forſchung,
die unter Kenntniß aller bisherigen Reſultate der
Wiſſenſchaft, doch bei der Beobachtung von allen Schul-
theorien zu abſtrahiren, mit eigenem Auge und offenem
Herzen zu ſehen vermag.
Das iſt doppelt nothwendig für Fragen, welche
vom Streite der politiſchen Parteien ſeit Jahren ſo
hin- und hergezerrt wurden, daß auf allen Seiten die
Unbefangenheit des Urtheils verloren ging, daß man
die Parteideviſen über die Dinge ſtellte, daß man
beiderſeits mit Argumenten focht, die aus der Rüſt-
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