Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.Die Aufnahmen der kleinern Staaten. einzelner intelligenter und bemittelter Meister, die Hand-weberei auf den rechten Weg zu führen und wieder zu heben." Die Baumwollweberei hat ihren Hauptsitz in Ober- 1 Siehe Bavaria III, erste Abtheilung S. 336. Fentsch,
der lokalkundige unparteiische Verfasser dieses Abschnitts sagt: "Der Oberfranke ist im Allgemeinen rührig und fleißig. In den Bezirken, wo eine industrielle Beschäftigung vorwiegend ist, bei den Paterlmachern, den Verfertigern von Holzschuhen und den Schwingenmachern im Gebirge, den Korbflechtern am Main und an der Rodach, den Tafelmachern im Thüringer Wald, in den Weberdistrikten des Voigtlandes und des Wunsiedler Kreises, dann um Berneck, wo das Plauisch-Nähen (die Sticke- rei) in einem großen Theil der Hütten und Bürgerhäuser alle Hände beschäftigt, ist die Arbeit nahebei zur Mühsal geworden. Der geringe Verdienst gestattet nur wenig Ruhepunkte, und auf dem Werktagsleben lastet eine unerquickliche Monotonie, deren Wirkung sich in einem Mangel an Frische und Freudigkeit kund- giebt." Die Aufnahmen der kleinern Staaten. einzelner intelligenter und bemittelter Meiſter, die Hand-weberei auf den rechten Weg zu führen und wieder zu heben.“ Die Baumwollweberei hat ihren Hauptſitz in Ober- 1 Siehe Bavaria III, erſte Abtheilung S. 336. Fentſch,
der lokalkundige unparteiiſche Verfaſſer dieſes Abſchnitts ſagt: „Der Oberfranke iſt im Allgemeinen rührig und fleißig. In den Bezirken, wo eine induſtrielle Beſchäftigung vorwiegend iſt, bei den Paterlmachern, den Verfertigern von Holzſchuhen und den Schwingenmachern im Gebirge, den Korbflechtern am Main und an der Rodach, den Tafelmachern im Thüringer Wald, in den Weberdiſtrikten des Voigtlandes und des Wunſiedler Kreiſes, dann um Berneck, wo das Plauiſch-Nähen (die Sticke- rei) in einem großen Theil der Hütten und Bürgerhäuſer alle Hände beſchäftigt, iſt die Arbeit nahebei zur Mühſal geworden. Der geringe Verdienſt geſtattet nur wenig Ruhepunkte, und auf dem Werktagsleben laſtet eine unerquickliche Monotonie, deren Wirkung ſich in einem Mangel an Friſche und Freudigkeit kund- giebt.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0152" n="130"/><fw place="top" type="header">Die Aufnahmen der kleinern Staaten.</fw><lb/> einzelner intelligenter und bemittelter Meiſter, die Hand-<lb/> weberei auf den rechten Weg zu führen und wieder zu<lb/> heben.“</p><lb/> <p>Die Baumwollweberei hat ihren Hauptſitz in Ober-<lb/> franken, im Voigtlande, wo eine rührige fleißige Bevöl-<lb/> kerung mit erſchöpfender Thätigkeit und Arbeitsluſt ihr<lb/> rührend genügſames Daſein friſtet.<note place="foot" n="1">Siehe Bavaria <hi rendition="#aq">III</hi>, erſte Abtheilung S. 336. Fentſch,<lb/> der lokalkundige unparteiiſche Verfaſſer dieſes Abſchnitts ſagt:<lb/> „Der Oberfranke iſt im Allgemeinen rührig und fleißig. In<lb/> den Bezirken, wo eine induſtrielle Beſchäftigung vorwiegend iſt,<lb/> bei den Paterlmachern, den Verfertigern von Holzſchuhen und<lb/> den Schwingenmachern im Gebirge, den Korbflechtern am Main<lb/> und an der Rodach, den Tafelmachern im Thüringer Wald,<lb/> in den Weberdiſtrikten des Voigtlandes und des Wunſiedler<lb/> Kreiſes, dann um Berneck, wo das Plauiſch-Nähen (die Sticke-<lb/> rei) in einem großen Theil der Hütten und Bürgerhäuſer alle<lb/> Hände beſchäftigt, iſt die Arbeit nahebei zur Mühſal geworden.<lb/> Der geringe Verdienſt geſtattet nur wenig Ruhepunkte, und auf<lb/> dem Werktagsleben laſtet eine unerquickliche Monotonie, deren<lb/> Wirkung ſich in einem Mangel an Friſche und Freudigkeit kund-<lb/> giebt.“</note> Der 30ſte Menſch<lb/> iſt in Oberfranken ein Weber, in ganz Baiern der 96ſte.<lb/> Im Bezirke Müncheberg kommen auf 24000 Seelen<lb/> etwa 2000 Webermeiſter mit ungefähr 1000 Geſellen,<lb/> alſo eine Weberbevölkerung von gegen 10000—12000<lb/> Menſchen. Die Baumwollweberei entwickelte ſich hier als<lb/> freieres Gewerbe gegenüber der ſtrengern zunftmäßigen<lb/> Leinenweberei ſeit dem 15. Jahrhundert. Noch gegen<lb/> Ende des vorigen Jahrhunderts war es ein blühender<lb/> Zuſtand. Einige wenige Fabrikanten beſchäftigten ſchon<lb/> 140—150 Stühle; die meiſten nur wenige Stühle;<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0152]
Die Aufnahmen der kleinern Staaten.
einzelner intelligenter und bemittelter Meiſter, die Hand-
weberei auf den rechten Weg zu führen und wieder zu
heben.“
Die Baumwollweberei hat ihren Hauptſitz in Ober-
franken, im Voigtlande, wo eine rührige fleißige Bevöl-
kerung mit erſchöpfender Thätigkeit und Arbeitsluſt ihr
rührend genügſames Daſein friſtet. 1 Der 30ſte Menſch
iſt in Oberfranken ein Weber, in ganz Baiern der 96ſte.
Im Bezirke Müncheberg kommen auf 24000 Seelen
etwa 2000 Webermeiſter mit ungefähr 1000 Geſellen,
alſo eine Weberbevölkerung von gegen 10000—12000
Menſchen. Die Baumwollweberei entwickelte ſich hier als
freieres Gewerbe gegenüber der ſtrengern zunftmäßigen
Leinenweberei ſeit dem 15. Jahrhundert. Noch gegen
Ende des vorigen Jahrhunderts war es ein blühender
Zuſtand. Einige wenige Fabrikanten beſchäftigten ſchon
140—150 Stühle; die meiſten nur wenige Stühle;
1 Siehe Bavaria III, erſte Abtheilung S. 336. Fentſch,
der lokalkundige unparteiiſche Verfaſſer dieſes Abſchnitts ſagt:
„Der Oberfranke iſt im Allgemeinen rührig und fleißig. In
den Bezirken, wo eine induſtrielle Beſchäftigung vorwiegend iſt,
bei den Paterlmachern, den Verfertigern von Holzſchuhen und
den Schwingenmachern im Gebirge, den Korbflechtern am Main
und an der Rodach, den Tafelmachern im Thüringer Wald,
in den Weberdiſtrikten des Voigtlandes und des Wunſiedler
Kreiſes, dann um Berneck, wo das Plauiſch-Nähen (die Sticke-
rei) in einem großen Theil der Hütten und Bürgerhäuſer alle
Hände beſchäftigt, iſt die Arbeit nahebei zur Mühſal geworden.
Der geringe Verdienſt geſtattet nur wenig Ruhepunkte, und auf
dem Werktagsleben laſtet eine unerquickliche Monotonie, deren
Wirkung ſich in einem Mangel an Friſche und Freudigkeit kund-
giebt.“
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