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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umgestaltung von Produktion und Verkehr.
schaftlichen Zustände auf das Handwerk da und dort
berührt, aber ich habe es absichtlich vermieden, prinzipiell
die Hauptfrage zu erörtern, nämlich die, welche von den
verschiedenen Ursachen des Umschwungs die wichtigste sei.
Darauf komme ich nunmehr.

Die Antwort scheint einfach, jeder Laie hat sie auf
der Zunge, sie ist in dieser bekannten Fassung von mir
auch in den bisherigen Untersuchungen gleichsam als
selbstverständlich vorausgesetzt. Die Fabrik, sagt man,
hat das Handwerk verdrängt; die große Industrie siegt
allerwärts über die kleine. Nur die großen Betriebe
entsprechen den heutigen Anforderungen, können vor der
stärkeren Konkurrenz der Gegenwart Stand halten.

Es ist das bis auf einen gewissen Grad ja richtig.
Aber der Satz ist zu allgemein, rückt zu verschiedene
Dinge unter einen Gesichtswinkel, als daß man sich
dabei befriedigen könnte.

Fragen wir, woran man in erster Linie denkt, wenn
man von der Großindustrie spricht. Man denkt an die
Massenproduktion, an die größere Zahl von Arbeitern,
die in einem Unternehmen, meist in denselben großen
Gebäuden vereinigt sind, an die Arbeitstheilung, die
mit der Zahl der Personen einer und derselben Unter-
nehmung wächst. Man denkt vor Allem an die neuen
Kraft- und Arbeitsmaschinen.

Die Dampfmaschine und die Turbine arbeiten billi-
ger als jede thierische und menschliche Arbeitskraft. Man
hat berechnet, daß nach englischen Preisen die Arbeit
von Pferden 10 mal, die von Menschen 90 mal, nach
deutschen Preisen die von Pferden 2,2 mal, die von

Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
ſchaftlichen Zuſtände auf das Handwerk da und dort
berührt, aber ich habe es abſichtlich vermieden, prinzipiell
die Hauptfrage zu erörtern, nämlich die, welche von den
verſchiedenen Urſachen des Umſchwungs die wichtigſte ſei.
Darauf komme ich nunmehr.

Die Antwort ſcheint einfach, jeder Laie hat ſie auf
der Zunge, ſie iſt in dieſer bekannten Faſſung von mir
auch in den bisherigen Unterſuchungen gleichſam als
ſelbſtverſtändlich vorausgeſetzt. Die Fabrik, ſagt man,
hat das Handwerk verdrängt; die große Induſtrie ſiegt
allerwärts über die kleine. Nur die großen Betriebe
entſprechen den heutigen Anforderungen, können vor der
ſtärkeren Konkurrenz der Gegenwart Stand halten.

Es iſt das bis auf einen gewiſſen Grad ja richtig.
Aber der Satz iſt zu allgemein, rückt zu verſchiedene
Dinge unter einen Geſichtswinkel, als daß man ſich
dabei befriedigen könnte.

Fragen wir, woran man in erſter Linie denkt, wenn
man von der Großinduſtrie ſpricht. Man denkt an die
Maſſenproduktion, an die größere Zahl von Arbeitern,
die in einem Unternehmen, meiſt in denſelben großen
Gebäuden vereinigt ſind, an die Arbeitstheilung, die
mit der Zahl der Perſonen einer und derſelben Unter-
nehmung wächſt. Man denkt vor Allem an die neuen
Kraft- und Arbeitsmaſchinen.

Die Dampfmaſchine und die Turbine arbeiten billi-
ger als jede thieriſche und menſchliche Arbeitskraft. Man
hat berechnet, daß nach engliſchen Preiſen die Arbeit
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deutſchen Preiſen die von Pferden 2,2 mal, die von

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[160/0182] Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr. ſchaftlichen Zuſtände auf das Handwerk da und dort berührt, aber ich habe es abſichtlich vermieden, prinzipiell die Hauptfrage zu erörtern, nämlich die, welche von den verſchiedenen Urſachen des Umſchwungs die wichtigſte ſei. Darauf komme ich nunmehr. Die Antwort ſcheint einfach, jeder Laie hat ſie auf der Zunge, ſie iſt in dieſer bekannten Faſſung von mir auch in den bisherigen Unterſuchungen gleichſam als ſelbſtverſtändlich vorausgeſetzt. Die Fabrik, ſagt man, hat das Handwerk verdrängt; die große Induſtrie ſiegt allerwärts über die kleine. Nur die großen Betriebe entſprechen den heutigen Anforderungen, können vor der ſtärkeren Konkurrenz der Gegenwart Stand halten. Es iſt das bis auf einen gewiſſen Grad ja richtig. Aber der Satz iſt zu allgemein, rückt zu verſchiedene Dinge unter einen Geſichtswinkel, als daß man ſich dabei befriedigen könnte. Fragen wir, woran man in erſter Linie denkt, wenn man von der Großinduſtrie ſpricht. Man denkt an die Maſſenproduktion, an die größere Zahl von Arbeitern, die in einem Unternehmen, meiſt in denſelben großen Gebäuden vereinigt ſind, an die Arbeitstheilung, die mit der Zahl der Perſonen einer und derſelben Unter- nehmung wächſt. Man denkt vor Allem an die neuen Kraft- und Arbeitsmaſchinen. Die Dampfmaſchine und die Turbine arbeiten billi- ger als jede thieriſche und menſchliche Arbeitskraft. Man hat berechnet, daß nach engliſchen Preiſen die Arbeit von Pferden 10 mal, die von Menſchen 90 mal, nach deutſchen Preiſen die von Pferden 2,2 mal, die von

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/182>, abgerufen am 21.11.2024.