Art des Betriebs vom alten Handwerk und zwar zu ihrem Vortheil sich unterscheiden. Viele waren ursprüng- lich tüchtige Gesellen, oft einfache Arbeiter, manche sind ursprünglich Kaufleute, -- alle nennen sich aber jetzt mit Vorliebe Fabrikanten, auch wenn sie nur einen einzigen oder zwei Arbeiter beschäftigen. Ihre andere soziale Stellung beruht wesentlich mit auf ihren Kennt- nissen und ihren Verbindungen. Es sind Leute, die auf Fortbildungs-, auf Gewerbe- und polytechnischen Schulen etwas gelernt haben, Leute, die auf Reisen, auf Jahr- markts- und Meßbesuchen sich Bezugsquellen und Absatz verschafft haben. Diese persönlichen und geschäftlichen Verbindungen sind in den großen Städten leichter zu erwerben, sie sind es oft am meisten, was dem unge- wandten kleinen Manne in abgelegenern Orten fehlt.
Immer gehört zu dieser Art von Geschäften einiges Kapital, zu einzelnen schon ein bedeutendes. Vielfach aber sind es Geschäfte, die in sehr verschiedener Aus- dehnung betrieben werden können. Technische Geschicklich- keit und Marktkenntniß sind meist wichtiger als ein großes Kapital. So wenig ich leugnen will, daß das große Kapital in manchen Beziehungen durch die Gewalt seiner Ueberlegenheit heute unberechtigte Gewinne macht, eine zu ungleiche Vermögensvertheilung noch ungleicher macht, so darf man auf der andern Seite da, wo gerade nicht sowohl das Kapital als persönliche Eigenschaften den Ausschlag geben, das nicht verschweigen. Unfähigkeit, sich in Neues zu finden, Unfähigkeit, sich einer ganz regelmäßigen Thätigkeit zu unterwerfen, Unfähigkeit zu sparen, wenn der Erwerb einmal flotter geht, niedrige
Der moderne Handwerksbetrieb.
Art des Betriebs vom alten Handwerk und zwar zu ihrem Vortheil ſich unterſcheiden. Viele waren urſprüng- lich tüchtige Geſellen, oft einfache Arbeiter, manche ſind urſprünglich Kaufleute, — alle nennen ſich aber jetzt mit Vorliebe Fabrikanten, auch wenn ſie nur einen einzigen oder zwei Arbeiter beſchäftigen. Ihre andere ſoziale Stellung beruht weſentlich mit auf ihren Kennt- niſſen und ihren Verbindungen. Es ſind Leute, die auf Fortbildungs-, auf Gewerbe- und polytechniſchen Schulen etwas gelernt haben, Leute, die auf Reiſen, auf Jahr- markts- und Meßbeſuchen ſich Bezugsquellen und Abſatz verſchafft haben. Dieſe perſönlichen und geſchäftlichen Verbindungen ſind in den großen Städten leichter zu erwerben, ſie ſind es oft am meiſten, was dem unge- wandten kleinen Manne in abgelegenern Orten fehlt.
Immer gehört zu dieſer Art von Geſchäften einiges Kapital, zu einzelnen ſchon ein bedeutendes. Vielfach aber ſind es Geſchäfte, die in ſehr verſchiedener Aus- dehnung betrieben werden können. Techniſche Geſchicklich- keit und Marktkenntniß ſind meiſt wichtiger als ein großes Kapital. So wenig ich leugnen will, daß das große Kapital in manchen Beziehungen durch die Gewalt ſeiner Ueberlegenheit heute unberechtigte Gewinne macht, eine zu ungleiche Vermögensvertheilung noch ungleicher macht, ſo darf man auf der andern Seite da, wo gerade nicht ſowohl das Kapital als perſönliche Eigenſchaften den Ausſchlag geben, das nicht verſchweigen. Unfähigkeit, ſich in Neues zu finden, Unfähigkeit, ſich einer ganz regelmäßigen Thätigkeit zu unterwerfen, Unfähigkeit zu ſparen, wenn der Erwerb einmal flotter geht, niedrige
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0221"n="199"/><fwplace="top"type="header">Der moderne Handwerksbetrieb.</fw><lb/>
Art des Betriebs vom alten Handwerk und zwar zu<lb/>
ihrem Vortheil ſich unterſcheiden. Viele waren urſprüng-<lb/>
lich tüchtige Geſellen, oft einfache Arbeiter, manche ſind<lb/>
urſprünglich Kaufleute, — alle nennen ſich aber jetzt<lb/>
mit Vorliebe Fabrikanten, auch wenn ſie nur einen<lb/>
einzigen oder zwei Arbeiter beſchäftigen. Ihre andere<lb/>ſoziale Stellung beruht weſentlich mit auf ihren Kennt-<lb/>
niſſen und ihren Verbindungen. Es ſind Leute, die auf<lb/>
Fortbildungs-, auf Gewerbe- und polytechniſchen Schulen<lb/>
etwas gelernt haben, Leute, die auf Reiſen, auf Jahr-<lb/>
markts- und Meßbeſuchen ſich Bezugsquellen und Abſatz<lb/>
verſchafft haben. Dieſe perſönlichen und geſchäftlichen<lb/>
Verbindungen ſind in den großen Städten leichter zu<lb/>
erwerben, ſie ſind es oft am meiſten, was dem unge-<lb/>
wandten kleinen Manne in abgelegenern Orten fehlt.</p><lb/><p>Immer gehört zu dieſer Art von Geſchäften einiges<lb/>
Kapital, zu einzelnen ſchon ein bedeutendes. Vielfach<lb/>
aber ſind es Geſchäfte, die in ſehr verſchiedener Aus-<lb/>
dehnung betrieben werden können. Techniſche Geſchicklich-<lb/>
keit und Marktkenntniß ſind meiſt wichtiger als ein großes<lb/>
Kapital. So wenig ich leugnen will, daß das große<lb/>
Kapital in manchen Beziehungen durch die Gewalt ſeiner<lb/>
Ueberlegenheit heute unberechtigte Gewinne macht, eine<lb/>
zu ungleiche Vermögensvertheilung noch ungleicher macht,<lb/>ſo darf man auf der andern Seite da, wo gerade nicht<lb/>ſowohl das Kapital als perſönliche Eigenſchaften den<lb/>
Ausſchlag geben, das nicht verſchweigen. Unfähigkeit,<lb/>ſich in Neues zu finden, Unfähigkeit, ſich einer ganz<lb/>
regelmäßigen Thätigkeit zu unterwerfen, Unfähigkeit zu<lb/>ſparen, wenn der Erwerb einmal flotter geht, niedrige<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[199/0221]
Der moderne Handwerksbetrieb.
Art des Betriebs vom alten Handwerk und zwar zu
ihrem Vortheil ſich unterſcheiden. Viele waren urſprüng-
lich tüchtige Geſellen, oft einfache Arbeiter, manche ſind
urſprünglich Kaufleute, — alle nennen ſich aber jetzt
mit Vorliebe Fabrikanten, auch wenn ſie nur einen
einzigen oder zwei Arbeiter beſchäftigen. Ihre andere
ſoziale Stellung beruht weſentlich mit auf ihren Kennt-
niſſen und ihren Verbindungen. Es ſind Leute, die auf
Fortbildungs-, auf Gewerbe- und polytechniſchen Schulen
etwas gelernt haben, Leute, die auf Reiſen, auf Jahr-
markts- und Meßbeſuchen ſich Bezugsquellen und Abſatz
verſchafft haben. Dieſe perſönlichen und geſchäftlichen
Verbindungen ſind in den großen Städten leichter zu
erwerben, ſie ſind es oft am meiſten, was dem unge-
wandten kleinen Manne in abgelegenern Orten fehlt.
Immer gehört zu dieſer Art von Geſchäften einiges
Kapital, zu einzelnen ſchon ein bedeutendes. Vielfach
aber ſind es Geſchäfte, die in ſehr verſchiedener Aus-
dehnung betrieben werden können. Techniſche Geſchicklich-
keit und Marktkenntniß ſind meiſt wichtiger als ein großes
Kapital. So wenig ich leugnen will, daß das große
Kapital in manchen Beziehungen durch die Gewalt ſeiner
Ueberlegenheit heute unberechtigte Gewinne macht, eine
zu ungleiche Vermögensvertheilung noch ungleicher macht,
ſo darf man auf der andern Seite da, wo gerade nicht
ſowohl das Kapital als perſönliche Eigenſchaften den
Ausſchlag geben, das nicht verſchweigen. Unfähigkeit,
ſich in Neues zu finden, Unfähigkeit, ſich einer ganz
regelmäßigen Thätigkeit zu unterwerfen, Unfähigkeit zu
ſparen, wenn der Erwerb einmal flotter geht, niedrige
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/221>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.