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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umgestaltung von Produktion und Verkehr.

Der rechte Spekulant geht aus von dem Grundsatz:
mundus vult decipi, ergo decipiatur. Die glänzende
Außenseite der Produkte ist ihm die Hauptsache, viel
weniger die Haltbarkeit, die Solidität. Doch darf man
nicht vergessen, daß die Waare, die er liefert, meist
fabrikmäßig hergestellt ist. Sie kann nicht die Voll-
endung und Haltbarkeit haben, wie ein Produkt, das
nach Angabe des Bestellers gearbeitet, in allem Detail
von der Hand des Meisters selbst geprüft ist. Ist die
Waare nur entsprechend billig, so ist das kein Vorwurf
gegen sie. Freilich geht oft die Unsolidität viel weiter,
wenn es auch nicht oft vorgekommen sein mag, daß
Kleidermagazine geleimte statt genähter Hosen verkauften,
die im Regen bedenkliche Resultate geliefert haben sollen.

Aber nicht bloß durch glänzend aussehende Waare
wirkt der Spekulant, der sein Magazin in die Höhe
treiben will. Alle erlaubten und unerlaubten Mittel
der Täuschung und der Reklame werden von gewissen-
losen Menschen in Szene gesetzt; und, was das schlimme
ist, der eine kann nicht hinter dem andern zurückbleiben,
so häuft sich Täuschung auf Täuschung, Betrug auf
Betrug. 1 Sind wir von amerikanischem, englischem

1 Ein sehr interessanter Beleg hiefür ist der zunächst auf
englische Verhältnisse sich beziehende Artikel in der Westminster
Review 1859, Vol. XV New Series
S. 357: "the morals of
trade."
Ein anderer nicht unwichtiger Beitrag findet sich in den
"Hausblättern" für 1866, Heft 21 S. 227: zur Geschichte der
Reklame, eine kulturhistorische Skizze von Hugo Schramm.
Ferner: The humbugs of the world, by P. T. Barnum.
London, Hotten 1865.
Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.

Der rechte Spekulant geht aus von dem Grundſatz:
mundus vult decipi, ergo decipiatur. Die glänzende
Außenſeite der Produkte iſt ihm die Hauptſache, viel
weniger die Haltbarkeit, die Solidität. Doch darf man
nicht vergeſſen, daß die Waare, die er liefert, meiſt
fabrikmäßig hergeſtellt iſt. Sie kann nicht die Voll-
endung und Haltbarkeit haben, wie ein Produkt, das
nach Angabe des Beſtellers gearbeitet, in allem Detail
von der Hand des Meiſters ſelbſt geprüft iſt. Iſt die
Waare nur entſprechend billig, ſo iſt das kein Vorwurf
gegen ſie. Freilich geht oft die Unſolidität viel weiter,
wenn es auch nicht oft vorgekommen ſein mag, daß
Kleidermagazine geleimte ſtatt genähter Hoſen verkauften,
die im Regen bedenkliche Reſultate geliefert haben ſollen.

Aber nicht bloß durch glänzend ausſehende Waare
wirkt der Spekulant, der ſein Magazin in die Höhe
treiben will. Alle erlaubten und unerlaubten Mittel
der Täuſchung und der Reklame werden von gewiſſen-
loſen Menſchen in Szene geſetzt; und, was das ſchlimme
iſt, der eine kann nicht hinter dem andern zurückbleiben,
ſo häuft ſich Täuſchung auf Täuſchung, Betrug auf
Betrug. 1 Sind wir von amerikaniſchem, engliſchem

1 Ein ſehr intereſſanter Beleg hiefür iſt der zunächſt auf
engliſche Verhältniſſe ſich beziehende Artikel in der Westminster
Review 1859, Vol. XV New Series
S. 357: „the morals of
trade.“
Ein anderer nicht unwichtiger Beitrag findet ſich in den
„Hausblättern“ für 1866, Heft 21 S. 227: zur Geſchichte der
Reklame, eine kulturhiſtoriſche Skizze von Hugo Schramm.
Ferner: The humbugs of the world, by P. T. Barnum.
London, Hotten 1865.
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[230/0252] Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr. Der rechte Spekulant geht aus von dem Grundſatz: mundus vult decipi, ergo decipiatur. Die glänzende Außenſeite der Produkte iſt ihm die Hauptſache, viel weniger die Haltbarkeit, die Solidität. Doch darf man nicht vergeſſen, daß die Waare, die er liefert, meiſt fabrikmäßig hergeſtellt iſt. Sie kann nicht die Voll- endung und Haltbarkeit haben, wie ein Produkt, das nach Angabe des Beſtellers gearbeitet, in allem Detail von der Hand des Meiſters ſelbſt geprüft iſt. Iſt die Waare nur entſprechend billig, ſo iſt das kein Vorwurf gegen ſie. Freilich geht oft die Unſolidität viel weiter, wenn es auch nicht oft vorgekommen ſein mag, daß Kleidermagazine geleimte ſtatt genähter Hoſen verkauften, die im Regen bedenkliche Reſultate geliefert haben ſollen. Aber nicht bloß durch glänzend ausſehende Waare wirkt der Spekulant, der ſein Magazin in die Höhe treiben will. Alle erlaubten und unerlaubten Mittel der Täuſchung und der Reklame werden von gewiſſen- loſen Menſchen in Szene geſetzt; und, was das ſchlimme iſt, der eine kann nicht hinter dem andern zurückbleiben, ſo häuft ſich Täuſchung auf Täuſchung, Betrug auf Betrug. 1 Sind wir von amerikaniſchem, engliſchem 1 Ein ſehr intereſſanter Beleg hiefür iſt der zunächſt auf engliſche Verhältniſſe ſich beziehende Artikel in der Westminster Review 1859, Vol. XV New Series S. 357: „the morals of trade.“ Ein anderer nicht unwichtiger Beitrag findet ſich in den „Hausblättern“ für 1866, Heft 21 S. 227: zur Geſchichte der Reklame, eine kulturhiſtoriſche Skizze von Hugo Schramm. Ferner: The humbugs of the world, by P. T. Barnum. London, Hotten 1865.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/252>, abgerufen am 23.11.2024.