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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Das Arbeiten für die Magazine.
da, wo ohne die Magazine die Arbeiter gar keine Arbeit
gefunden hätten, die Noth also noch größer gewesen
wäre. Oft auch haben sich die Schuhmacher und
Schneider, welche für Magazine arbeiten, selbst dadurch
geschadet, daß sie das Magazin im Stiche ließen, wenn
dieses ihre Arbeit am nothwendigsten brauchte. Sie halten
es häufig noch für eine Schande, für "die Juden" zu
arbeiten, sie wollen eine eigene Kundschaft erwerben und
lösen, sobald in einem günstigen Geschäftsjahr die Nach-
frage steigt, ihren Zusammenhang mit dem Magazin.
Nun kommt wieder eine Geschäftsstille; der Versuch, ein
eigenes Geschäft zu gründen, zeigt sich als mißlungen;
die Ersparnisse sind verbraucht. Der Magazininhaber
wie der Meister sind gegenseitig erbittert; jeder schiebt
den flauen Absatz dem andern in die Schuhe. Und jetzt
gerade muß der kleine Meister um jeden Preis Arbeit
suchen!

So kann das Verhältniß sein, so muß es nicht
sein. Hat sich nach Umwandlung der Verhältnisse die
Zahl der Arbeitenden in ein richtiges Verhältniß zur
Nachfrage gestellt, ist die Lage der Leute eine behag-
lichere, bessere, besitzen sie wenigstens das nothwendige
handwerkszeug selbst, sind sie nicht durch Vorschüsse von
einzelnen großen Unternehmern abhängig, so ist ihre
Lage nicht schlimm. Es fehlt ihnen die alte Selbstän-
digkeit des Handwerks, es fehlt ihnen die Möglichkeit,
am Unternehmergewinn theilzunehmen; aber sie haben
ihr gesichertes Verdienst, und wenn sie sehr geschickt sind,
wenn sie etwas ersparen, können sie immer in die Reihe
der Unternehmer selbst wieder eintreten.

Das Arbeiten für die Magazine.
da, wo ohne die Magazine die Arbeiter gar keine Arbeit
gefunden hätten, die Noth alſo noch größer geweſen
wäre. Oft auch haben ſich die Schuhmacher und
Schneider, welche für Magazine arbeiten, ſelbſt dadurch
geſchadet, daß ſie das Magazin im Stiche ließen, wenn
dieſes ihre Arbeit am nothwendigſten brauchte. Sie halten
es häufig noch für eine Schande, für „die Juden“ zu
arbeiten, ſie wollen eine eigene Kundſchaft erwerben und
löſen, ſobald in einem günſtigen Geſchäftsjahr die Nach-
frage ſteigt, ihren Zuſammenhang mit dem Magazin.
Nun kommt wieder eine Geſchäftsſtille; der Verſuch, ein
eigenes Geſchäft zu gründen, zeigt ſich als mißlungen;
die Erſparniſſe ſind verbraucht. Der Magazininhaber
wie der Meiſter ſind gegenſeitig erbittert; jeder ſchiebt
den flauen Abſatz dem andern in die Schuhe. Und jetzt
gerade muß der kleine Meiſter um jeden Preis Arbeit
ſuchen!

So kann das Verhältniß ſein, ſo muß es nicht
ſein. Hat ſich nach Umwandlung der Verhältniſſe die
Zahl der Arbeitenden in ein richtiges Verhältniß zur
Nachfrage geſtellt, iſt die Lage der Leute eine behag-
lichere, beſſere, beſitzen ſie wenigſtens das nothwendige
handwerkszeug ſelbſt, ſind ſie nicht durch Vorſchüſſe von
einzelnen großen Unternehmern abhängig, ſo iſt ihre
Lage nicht ſchlimm. Es fehlt ihnen die alte Selbſtän-
digkeit des Handwerks, es fehlt ihnen die Möglichkeit,
am Unternehmergewinn theilzunehmen; aber ſie haben
ihr geſichertes Verdienſt, und wenn ſie ſehr geſchickt ſind,
wenn ſie etwas erſparen, können ſie immer in die Reihe
der Unternehmer ſelbſt wieder eintreten.

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[235/0257] Das Arbeiten für die Magazine. da, wo ohne die Magazine die Arbeiter gar keine Arbeit gefunden hätten, die Noth alſo noch größer geweſen wäre. Oft auch haben ſich die Schuhmacher und Schneider, welche für Magazine arbeiten, ſelbſt dadurch geſchadet, daß ſie das Magazin im Stiche ließen, wenn dieſes ihre Arbeit am nothwendigſten brauchte. Sie halten es häufig noch für eine Schande, für „die Juden“ zu arbeiten, ſie wollen eine eigene Kundſchaft erwerben und löſen, ſobald in einem günſtigen Geſchäftsjahr die Nach- frage ſteigt, ihren Zuſammenhang mit dem Magazin. Nun kommt wieder eine Geſchäftsſtille; der Verſuch, ein eigenes Geſchäft zu gründen, zeigt ſich als mißlungen; die Erſparniſſe ſind verbraucht. Der Magazininhaber wie der Meiſter ſind gegenſeitig erbittert; jeder ſchiebt den flauen Abſatz dem andern in die Schuhe. Und jetzt gerade muß der kleine Meiſter um jeden Preis Arbeit ſuchen! So kann das Verhältniß ſein, ſo muß es nicht ſein. Hat ſich nach Umwandlung der Verhältniſſe die Zahl der Arbeitenden in ein richtiges Verhältniß zur Nachfrage geſtellt, iſt die Lage der Leute eine behag- lichere, beſſere, beſitzen ſie wenigſtens das nothwendige handwerkszeug ſelbſt, ſind ſie nicht durch Vorſchüſſe von einzelnen großen Unternehmern abhängig, ſo iſt ihre Lage nicht ſchlimm. Es fehlt ihnen die alte Selbſtän- digkeit des Handwerks, es fehlt ihnen die Möglichkeit, am Unternehmergewinn theilzunehmen; aber ſie haben ihr geſichertes Verdienſt, und wenn ſie ſehr geſchickt ſind, wenn ſie etwas erſparen, können ſie immer in die Reihe der Unternehmer ſelbſt wieder eintreten.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/257>, abgerufen am 24.11.2024.