geschäftliche Organisationen zuläßt, die gerade die Be- ziehungen zwischen dem Arbeiter und dem Magazin ganz verschieden gestalten.
Nur so viel läßt sich im Allgemeinen sagen, daß dem Magazininhaber meist der Vertrieb, der Verkauf die Hauptsache ist, daß ihm die Produktion erst in zweiter Linie steht, daß er also deswegen weniger In- teresse an seinen Arbeitern hat, als der eigentliche Fa- brikant und als der Verleger der Hausindustrie, deren eigenes Gedeihen mit dem Wohle der Arbeiter näher zusammenhängt.
Ein Theil der Mißbräuche in diesen Geschäfts- verhältnissen hängt mit diesem Umstande zusammen; der größere Theil aber hat andere Ursachen, liegt in der allgemeinen Krisis der Handwerksindustrie, in dem zu großen Angebot von Arbeitskräften, besonders in solchen Gewerben, die leicht zu erlernen sind, in denen der Zu- drang groß ist, weil sie bisher ohne bedeutendes Kapital leicht die Gründung eines eignen Geschäfts erlaubten. Auch die früher mangelnde Freizügigkeit, die Schwer- fälligkeit in Uebersiedelungen hat viel mitgewirkt; die Eisenbahnen haben die Schwerpunkte des gewerblichen Lebens total verrückt; an einem Orte ist der größte Arbeitermangel, am andern haben die Leute nichts mehr zu thun.
Wo so das Angebot an Arbeitern überwog, wo zahlreiche kleine Meister unbeschäftigt waren, da haben die Magazine arbeiten lassen. Sicher haben sie die Unkenntniß und die Noth der armen Leute oftmals blutig und entsetzlich ausgenutzt. Aber meist geschah es
Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
geſchäftliche Organiſationen zuläßt, die gerade die Be- ziehungen zwiſchen dem Arbeiter und dem Magazin ganz verſchieden geſtalten.
Nur ſo viel läßt ſich im Allgemeinen ſagen, daß dem Magazininhaber meiſt der Vertrieb, der Verkauf die Hauptſache iſt, daß ihm die Produktion erſt in zweiter Linie ſteht, daß er alſo deswegen weniger In- tereſſe an ſeinen Arbeitern hat, als der eigentliche Fa- brikant und als der Verleger der Hausinduſtrie, deren eigenes Gedeihen mit dem Wohle der Arbeiter näher zuſammenhängt.
Ein Theil der Mißbräuche in dieſen Geſchäfts- verhältniſſen hängt mit dieſem Umſtande zuſammen; der größere Theil aber hat andere Urſachen, liegt in der allgemeinen Kriſis der Handwerksinduſtrie, in dem zu großen Angebot von Arbeitskräften, beſonders in ſolchen Gewerben, die leicht zu erlernen ſind, in denen der Zu- drang groß iſt, weil ſie bisher ohne bedeutendes Kapital leicht die Gründung eines eignen Geſchäfts erlaubten. Auch die früher mangelnde Freizügigkeit, die Schwer- fälligkeit in Ueberſiedelungen hat viel mitgewirkt; die Eiſenbahnen haben die Schwerpunkte des gewerblichen Lebens total verrückt; an einem Orte iſt der größte Arbeitermangel, am andern haben die Leute nichts mehr zu thun.
Wo ſo das Angebot an Arbeitern überwog, wo zahlreiche kleine Meiſter unbeſchäftigt waren, da haben die Magazine arbeiten laſſen. Sicher haben ſie die Unkenntniß und die Noth der armen Leute oftmals blutig und entſetzlich ausgenutzt. Aber meiſt geſchah es
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Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
geſchäftliche Organiſationen zuläßt, die gerade die Be-
ziehungen zwiſchen dem Arbeiter und dem Magazin
ganz verſchieden geſtalten.
Nur ſo viel läßt ſich im Allgemeinen ſagen, daß
dem Magazininhaber meiſt der Vertrieb, der Verkauf
die Hauptſache iſt, daß ihm die Produktion erſt in
zweiter Linie ſteht, daß er alſo deswegen weniger In-
tereſſe an ſeinen Arbeitern hat, als der eigentliche Fa-
brikant und als der Verleger der Hausinduſtrie, deren
eigenes Gedeihen mit dem Wohle der Arbeiter näher
zuſammenhängt.
Ein Theil der Mißbräuche in dieſen Geſchäfts-
verhältniſſen hängt mit dieſem Umſtande zuſammen; der
größere Theil aber hat andere Urſachen, liegt in der
allgemeinen Kriſis der Handwerksinduſtrie, in dem zu
großen Angebot von Arbeitskräften, beſonders in ſolchen
Gewerben, die leicht zu erlernen ſind, in denen der Zu-
drang groß iſt, weil ſie bisher ohne bedeutendes Kapital
leicht die Gründung eines eignen Geſchäfts erlaubten.
Auch die früher mangelnde Freizügigkeit, die Schwer-
fälligkeit in Ueberſiedelungen hat viel mitgewirkt; die
Eiſenbahnen haben die Schwerpunkte des gewerblichen
Lebens total verrückt; an einem Orte iſt der größte
Arbeitermangel, am andern haben die Leute nichts mehr
zu thun.
Wo ſo das Angebot an Arbeitern überwog, wo
zahlreiche kleine Meiſter unbeſchäftigt waren, da haben
die Magazine arbeiten laſſen. Sicher haben ſie die
Unkenntniß und die Noth der armen Leute oftmals
blutig und entſetzlich ausgenutzt. Aber meiſt geſchah es
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/256>, abgerufen am 24.11.2024.
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