suchte die Fürstenpolitik, welche die Städte als Stützen ihrer Macht und ihrer Steuerkraft betrachteten und pflegten, sie dadurch zu halten.
Die Kriege des 17. Jahrhunderts hatten viele deutsche Gegenden in ihrer ganzen wirthschaftlichen Kultur wieder um Jahrhunderte zurückgebracht. Alles lag dar- nieder. Um so mehr hielt man sich an alte Rechte; auch die Städte strebten jetzt mehr als je, das Hand- werk für sich allein in Anspruch zu nehmen, und erreich- ten da ihren Zweck, wo nicht eine aufgeklärte Fürsten- politik dazwischen griff.
So kommt es, daß im 18. Jahrhundert Stadt und Land sich noch ziemlich in alter Weise schroff gegen- über stehen. Aber zugleich haben die mannigfaltigsten Schicksale dafür gesorgt, daß ein großer Theil der Orte, welche den städtischen Namen tragen und damit die Vorrechte einer Stadt genießen, dafür mehr histo- rische und zufällige, als wirthschaftliche Gründe anzu- führen haben.
Es sind alte Reichsstädte, alte und neue Fürsten- und Bischofssitze, einige Beamten- und Militärstädte; da und dort schon einige neu aufblühende Handels- und Industriestädte; unter den letzteren wie unter denen, die mehr nur einem Dorfe gleichen, sind manche, welche das Stadtrecht sich erst jetzt vom Landesherrn erkauft haben, um auch einen Jahrmarkt zu halten, um ihre Gewerbsamkeit etwas weniger durch die steifen landes- herrlichen Beamten geniren zu lassen, um auf Kreis- oder Landtagen eine Stimme zu haben. Die über- wiegende Mehrzahl fällt auf jene mittleren Land- und
Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
ſuchte die Fürſtenpolitik, welche die Städte als Stützen ihrer Macht und ihrer Steuerkraft betrachteten und pflegten, ſie dadurch zu halten.
Die Kriege des 17. Jahrhunderts hatten viele deutſche Gegenden in ihrer ganzen wirthſchaftlichen Kultur wieder um Jahrhunderte zurückgebracht. Alles lag dar- nieder. Um ſo mehr hielt man ſich an alte Rechte; auch die Städte ſtrebten jetzt mehr als je, das Hand- werk für ſich allein in Anſpruch zu nehmen, und erreich- ten da ihren Zweck, wo nicht eine aufgeklärte Fürſten- politik dazwiſchen griff.
So kommt es, daß im 18. Jahrhundert Stadt und Land ſich noch ziemlich in alter Weiſe ſchroff gegen- über ſtehen. Aber zugleich haben die mannigfaltigſten Schickſale dafür geſorgt, daß ein großer Theil der Orte, welche den ſtädtiſchen Namen tragen und damit die Vorrechte einer Stadt genießen, dafür mehr hiſto- riſche und zufällige, als wirthſchaftliche Gründe anzu- führen haben.
Es ſind alte Reichsſtädte, alte und neue Fürſten- und Biſchofsſitze, einige Beamten- und Militärſtädte; da und dort ſchon einige neu aufblühende Handels- und Induſtrieſtädte; unter den letzteren wie unter denen, die mehr nur einem Dorfe gleichen, ſind manche, welche das Stadtrecht ſich erſt jetzt vom Landesherrn erkauft haben, um auch einen Jahrmarkt zu halten, um ihre Gewerbſamkeit etwas weniger durch die ſteifen landes- herrlichen Beamten geniren zu laſſen, um auf Kreis- oder Landtagen eine Stimme zu haben. Die über- wiegende Mehrzahl fällt auf jene mittleren Land- und
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Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
ſuchte die Fürſtenpolitik, welche die Städte als Stützen
ihrer Macht und ihrer Steuerkraft betrachteten und
pflegten, ſie dadurch zu halten.
Die Kriege des 17. Jahrhunderts hatten viele
deutſche Gegenden in ihrer ganzen wirthſchaftlichen Kultur
wieder um Jahrhunderte zurückgebracht. Alles lag dar-
nieder. Um ſo mehr hielt man ſich an alte Rechte;
auch die Städte ſtrebten jetzt mehr als je, das Hand-
werk für ſich allein in Anſpruch zu nehmen, und erreich-
ten da ihren Zweck, wo nicht eine aufgeklärte Fürſten-
politik dazwiſchen griff.
So kommt es, daß im 18. Jahrhundert Stadt
und Land ſich noch ziemlich in alter Weiſe ſchroff gegen-
über ſtehen. Aber zugleich haben die mannigfaltigſten
Schickſale dafür geſorgt, daß ein großer Theil der
Orte, welche den ſtädtiſchen Namen tragen und damit
die Vorrechte einer Stadt genießen, dafür mehr hiſto-
riſche und zufällige, als wirthſchaftliche Gründe anzu-
führen haben.
Es ſind alte Reichsſtädte, alte und neue Fürſten-
und Biſchofsſitze, einige Beamten- und Militärſtädte;
da und dort ſchon einige neu aufblühende Handels-
und Induſtrieſtädte; unter den letzteren wie unter denen,
die mehr nur einem Dorfe gleichen, ſind manche, welche
das Stadtrecht ſich erſt jetzt vom Landesherrn erkauft
haben, um auch einen Jahrmarkt zu halten, um ihre
Gewerbſamkeit etwas weniger durch die ſteifen landes-
herrlichen Beamten geniren zu laſſen, um auf Kreis-
oder Landtagen eine Stimme zu haben. Die über-
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/282>, abgerufen am 24.11.2024.
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