gegangen, auf dem Lande sich vollziehe. Aber zunächst kamen ungünstige Jahre; die Zahl der Landhandwerker war immer schon bedeutend gewesen. Mancherlei Arbeits- theilung auch, welche für den Städter geboten, ist es nicht auf dem Lande. Wo ein Gemeindebackhaus gebaut wird, werden theilweise heute noch die Bäcker des Dorfes überflüssig. Die Neigung gelernter Handwerker zieht sie immer zunächst mehr nach den Städten.
So -- glaube ich -- war die Zunahme des Land- handwerks zuerst keine allzugroße; wo sie stattfand, beruhte sie wohl darauf, daß Bauernsöhne, um sich zu halten, um den Besitz des Vaters theilen zu können, anfingen, nebenher ein Handwerk zu treiben.
Als aber später die Bevölkerung noch weiter zunahm, als die Stellen in den Städten mehr und mehr besetzt waren, als auch die größere Industrie theilweise auf das platte Land sich zurückzog, als 1830--55 die Bodenpreise und die ländliche Wohlhabenheit bedeutend stiegen, da mußte auch das Landhandwerk an Zahl zu- nehmen. Uebrigens glaube ich immerhin, daß die wesentliche Zunahme erst mit der eigentlichen Hand- werkerkrisis beginnt, d. h. von 1838--40 an.
Die Mittheilungen von Hoffmann zeigen für 1828 wenigstens ungefähr die damalige Bedeutung des länd- lichen Gewerbebetriebs. Er faßt die Meister von 13 der wichtigsten Gewerbe zusammen, die gegen 5/6 aller damals gezählten Handwerker ausmachen. Es sind 268023 Mei- ster, während die Gesammtzahl sich auf 323538 beläuft. Obwohl dabei die vielfach auf dem Lande wohnenden Weber und Spinner nicht sind, so machen die Land-
Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
gegangen, auf dem Lande ſich vollziehe. Aber zunächſt kamen ungünſtige Jahre; die Zahl der Landhandwerker war immer ſchon bedeutend geweſen. Mancherlei Arbeits- theilung auch, welche für den Städter geboten, iſt es nicht auf dem Lande. Wo ein Gemeindebackhaus gebaut wird, werden theilweiſe heute noch die Bäcker des Dorfes überflüſſig. Die Neigung gelernter Handwerker zieht ſie immer zunächſt mehr nach den Städten.
So — glaube ich — war die Zunahme des Land- handwerks zuerſt keine allzugroße; wo ſie ſtattfand, beruhte ſie wohl darauf, daß Bauernſöhne, um ſich zu halten, um den Beſitz des Vaters theilen zu können, anfingen, nebenher ein Handwerk zu treiben.
Als aber ſpäter die Bevölkerung noch weiter zunahm, als die Stellen in den Städten mehr und mehr beſetzt waren, als auch die größere Induſtrie theilweiſe auf das platte Land ſich zurückzog, als 1830—55 die Bodenpreiſe und die ländliche Wohlhabenheit bedeutend ſtiegen, da mußte auch das Landhandwerk an Zahl zu- nehmen. Uebrigens glaube ich immerhin, daß die weſentliche Zunahme erſt mit der eigentlichen Hand- werkerkriſis beginnt, d. h. von 1838—40 an.
Die Mittheilungen von Hoffmann zeigen für 1828 wenigſtens ungefähr die damalige Bedeutung des länd- lichen Gewerbebetriebs. Er faßt die Meiſter von 13 der wichtigſten Gewerbe zuſammen, die gegen ⅚ aller damals gezählten Handwerker ausmachen. Es ſind 268023 Mei- ſter, während die Geſammtzahl ſich auf 323538 beläuft. Obwohl dabei die vielfach auf dem Lande wohnenden Weber und Spinner nicht ſind, ſo machen die Land-
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Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
gegangen, auf dem Lande ſich vollziehe. Aber zunächſt
kamen ungünſtige Jahre; die Zahl der Landhandwerker
war immer ſchon bedeutend geweſen. Mancherlei Arbeits-
theilung auch, welche für den Städter geboten, iſt es
nicht auf dem Lande. Wo ein Gemeindebackhaus gebaut
wird, werden theilweiſe heute noch die Bäcker des
Dorfes überflüſſig. Die Neigung gelernter Handwerker
zieht ſie immer zunächſt mehr nach den Städten.
So — glaube ich — war die Zunahme des Land-
handwerks zuerſt keine allzugroße; wo ſie ſtattfand,
beruhte ſie wohl darauf, daß Bauernſöhne, um ſich zu
halten, um den Beſitz des Vaters theilen zu können,
anfingen, nebenher ein Handwerk zu treiben.
Als aber ſpäter die Bevölkerung noch weiter zunahm,
als die Stellen in den Städten mehr und mehr beſetzt
waren, als auch die größere Induſtrie theilweiſe auf
das platte Land ſich zurückzog, als 1830—55 die
Bodenpreiſe und die ländliche Wohlhabenheit bedeutend
ſtiegen, da mußte auch das Landhandwerk an Zahl zu-
nehmen. Uebrigens glaube ich immerhin, daß die
weſentliche Zunahme erſt mit der eigentlichen Hand-
werkerkriſis beginnt, d. h. von 1838—40 an.
Die Mittheilungen von Hoffmann zeigen für 1828
wenigſtens ungefähr die damalige Bedeutung des länd-
lichen Gewerbebetriebs. Er faßt die Meiſter von 13 der
wichtigſten Gewerbe zuſammen, die gegen ⅚ aller damals
gezählten Handwerker ausmachen. Es ſind 268023 Mei-
ſter, während die Geſammtzahl ſich auf 323538 beläuft.
Obwohl dabei die vielfach auf dem Lande wohnenden
Weber und Spinner nicht ſind, ſo machen die Land-
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/292>, abgerufen am 23.11.2024.
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