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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
und doch zählt es jetzt mehr Handwerker als Sachsen,
Baden, Baiern und Württemberg.

Mit den zuletzt besprochenen Punkten hängt ein
anderer enge zusammen; ich meine den Einfluß der
Zunftverfassung. Es ist ein entschiedener Unterschied
zwischen den Ländern, wo sie früher beseitigt wurde und
denen, wo sie länger bestand. Die Gewerbefreiheit hat
mit ihrer größern Konkurrenz das kleine, technisch weniger
vollkommene Handwerk früher beseitigt. Wo die alten
Zunftvorschriften beibehalten oder auch nur vermittelnde
Gewerbegesetze erlassen wurden, da hatte der Groß-
betrieb, das Magazinsystem, da hatte alles Neue doch
mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen; da erhielten
sich die bestehenden Gewohnheiten des Verkehrs und
Geschäftslebens mehr im alten Geleise. War man
zu engherzig, so beschränkte das wohl wieder die Zahlen
der Handwerker, aber abgesehen hiervon erhielt eine
gemäßigte Zunftverfassung entschieden eine größere Zahl
kleiner Geschäfte. Das ist wohl die Ursache, auf die es
neben andern zurückzuführen ist, daß die entwickeltern
altpreußischen Provinzen hinter sonst ähnlichen Gegenden
in der Zahl der Handwerker zurückstehen; die Provinz
Sachsen hat 7,2, das Königreich 8,0, Thüringen 8,6 %;
Schlesien hat 5,6 und Hannover 6,2 %, die Rheinprovinz
hat 6,2 %, die Rheinstaaten haben 7,1 % Handwerker.
Man sieht daraus wenigstens, daß die bestehenden Hand-
werke von einem eng egoistischen Standpunkte nicht ganz
unrecht hatten mit ihrer Abneigung gegen die Gewerbe-
freiheit. Von einem höhern Standpunkt aus wird man
anders urtheilen; da wird man es nicht an sich als

Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
und doch zählt es jetzt mehr Handwerker als Sachſen,
Baden, Baiern und Württemberg.

Mit den zuletzt beſprochenen Punkten hängt ein
anderer enge zuſammen; ich meine den Einfluß der
Zunftverfaſſung. Es iſt ein entſchiedener Unterſchied
zwiſchen den Ländern, wo ſie früher beſeitigt wurde und
denen, wo ſie länger beſtand. Die Gewerbefreiheit hat
mit ihrer größern Konkurrenz das kleine, techniſch weniger
vollkommene Handwerk früher beſeitigt. Wo die alten
Zunftvorſchriften beibehalten oder auch nur vermittelnde
Gewerbegeſetze erlaſſen wurden, da hatte der Groß-
betrieb, das Magazinſyſtem, da hatte alles Neue doch
mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen; da erhielten
ſich die beſtehenden Gewohnheiten des Verkehrs und
Geſchäftslebens mehr im alten Geleiſe. War man
zu engherzig, ſo beſchränkte das wohl wieder die Zahlen
der Handwerker, aber abgeſehen hiervon erhielt eine
gemäßigte Zunftverfaſſung entſchieden eine größere Zahl
kleiner Geſchäfte. Das iſt wohl die Urſache, auf die es
neben andern zurückzuführen iſt, daß die entwickeltern
altpreußiſchen Provinzen hinter ſonſt ähnlichen Gegenden
in der Zahl der Handwerker zurückſtehen; die Provinz
Sachſen hat 7,2, das Königreich 8,0, Thüringen 8,6 %;
Schleſien hat 5,6 und Hannover 6,2 %, die Rheinprovinz
hat 6,2 %, die Rheinſtaaten haben 7,1 % Handwerker.
Man ſieht daraus wenigſtens, daß die beſtehenden Hand-
werke von einem eng egoiſtiſchen Standpunkte nicht ganz
unrecht hatten mit ihrer Abneigung gegen die Gewerbe-
freiheit. Von einem höhern Standpunkt aus wird man
anders urtheilen; da wird man es nicht an ſich als

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[314/0336] Die Vertheilung der Gewerbetreibenden. und doch zählt es jetzt mehr Handwerker als Sachſen, Baden, Baiern und Württemberg. Mit den zuletzt beſprochenen Punkten hängt ein anderer enge zuſammen; ich meine den Einfluß der Zunftverfaſſung. Es iſt ein entſchiedener Unterſchied zwiſchen den Ländern, wo ſie früher beſeitigt wurde und denen, wo ſie länger beſtand. Die Gewerbefreiheit hat mit ihrer größern Konkurrenz das kleine, techniſch weniger vollkommene Handwerk früher beſeitigt. Wo die alten Zunftvorſchriften beibehalten oder auch nur vermittelnde Gewerbegeſetze erlaſſen wurden, da hatte der Groß- betrieb, das Magazinſyſtem, da hatte alles Neue doch mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen; da erhielten ſich die beſtehenden Gewohnheiten des Verkehrs und Geſchäftslebens mehr im alten Geleiſe. War man zu engherzig, ſo beſchränkte das wohl wieder die Zahlen der Handwerker, aber abgeſehen hiervon erhielt eine gemäßigte Zunftverfaſſung entſchieden eine größere Zahl kleiner Geſchäfte. Das iſt wohl die Urſache, auf die es neben andern zurückzuführen iſt, daß die entwickeltern altpreußiſchen Provinzen hinter ſonſt ähnlichen Gegenden in der Zahl der Handwerker zurückſtehen; die Provinz Sachſen hat 7,2, das Königreich 8,0, Thüringen 8,6 %; Schleſien hat 5,6 und Hannover 6,2 %, die Rheinprovinz hat 6,2 %, die Rheinſtaaten haben 7,1 % Handwerker. Man ſieht daraus wenigſtens, daß die beſtehenden Hand- werke von einem eng egoiſtiſchen Standpunkte nicht ganz unrecht hatten mit ihrer Abneigung gegen die Gewerbe- freiheit. Von einem höhern Standpunkt aus wird man anders urtheilen; da wird man es nicht an ſich als

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/336>, abgerufen am 22.11.2024.