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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Der Volkscharakter und die Verwaltung.
sitzt, alle mögliche Handwerksarbeit lernt und verrichtet,
während dazu der slavische Tagelöhner in Posen nicht
zu brauchen ist. Aus einem solchen Arbeiterstand gehen
keine Handwerker in Dorf und Stadt hervor.

Der andere Punkt, den ich noch hervorheben möchte,
ist folgender. In den Ländern des Kleinbesitzes, der
gleichen Vermögensvertheilung, die freilich zugleich Klein-
staaten sind, hat sich in Zusammenhang mit den dor-
tigen sozialen Sitten und Anschauungen nicht die Gesetz-
gebung, aber die Verwaltung dem Handwerke gegenüber
anders gestellt als in Preußen.

Man wird nicht behaupten können, daß man in
Preußen an sich weniger thue oder gethan habe für In-
dustrie und Verkehr; im Gegentheile; aber das wird
man sagen dürfen, daß das, was geschieht, an eine
andere Adresse geht. In den größern Verhältnissen
macht sich das Bedürfniß der kleinen Leute weniger
geltend. Große Fabrikanten und Unternehmer, große
Ingenieure und Spekulanten mit ihren spezifischen In-
teressen stehen in Berlin mehr im Vordergrund als in
den Regierungssitzen der Kleinstaaten, führen mehr das
Wort in den öffentlichen Versammlungen, in den Ge-
werbekammern, im Parlament, in der Presse. Großes
hat Preußen im gewerblichen Bildungswesen geleistet; das
Gewerbeinstitut und die Bauakademie sind Zeuge dafür;
Staatstechniker, die in Privatdienste übertraten, haben
die großen Privatbergwerke und -Hüttenwerke wesent-
lich gehoben; die Seehandlung, die Bank haben tausend-
fach da und dort eingegriffen, geholfen, Kredit gegeben;
Staatsgarantien haben dem Eisenbahnbau Schwung ver-

Schmoller, Gesch. d. Kleingewerbe. 21

Der Volkscharakter und die Verwaltung.
ſitzt, alle mögliche Handwerksarbeit lernt und verrichtet,
während dazu der ſlaviſche Tagelöhner in Poſen nicht
zu brauchen iſt. Aus einem ſolchen Arbeiterſtand gehen
keine Handwerker in Dorf und Stadt hervor.

Der andere Punkt, den ich noch hervorheben möchte,
iſt folgender. In den Ländern des Kleinbeſitzes, der
gleichen Vermögensvertheilung, die freilich zugleich Klein-
ſtaaten ſind, hat ſich in Zuſammenhang mit den dor-
tigen ſozialen Sitten und Anſchauungen nicht die Geſetz-
gebung, aber die Verwaltung dem Handwerke gegenüber
anders geſtellt als in Preußen.

Man wird nicht behaupten können, daß man in
Preußen an ſich weniger thue oder gethan habe für In-
duſtrie und Verkehr; im Gegentheile; aber das wird
man ſagen dürfen, daß das, was geſchieht, an eine
andere Adreſſe geht. In den größern Verhältniſſen
macht ſich das Bedürfniß der kleinen Leute weniger
geltend. Große Fabrikanten und Unternehmer, große
Ingenieure und Spekulanten mit ihren ſpezifiſchen In-
tereſſen ſtehen in Berlin mehr im Vordergrund als in
den Regierungsſitzen der Kleinſtaaten, führen mehr das
Wort in den öffentlichen Verſammlungen, in den Ge-
werbekammern, im Parlament, in der Preſſe. Großes
hat Preußen im gewerblichen Bildungsweſen geleiſtet; das
Gewerbeinſtitut und die Bauakademie ſind Zeuge dafür;
Staatstechniker, die in Privatdienſte übertraten, haben
die großen Privatbergwerke und -Hüttenwerke weſent-
lich gehoben; die Seehandlung, die Bank haben tauſend-
fach da und dort eingegriffen, geholfen, Kredit gegeben;
Staatsgarantien haben dem Eiſenbahnbau Schwung ver-

Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 21
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[321/0343] Der Volkscharakter und die Verwaltung. ſitzt, alle mögliche Handwerksarbeit lernt und verrichtet, während dazu der ſlaviſche Tagelöhner in Poſen nicht zu brauchen iſt. Aus einem ſolchen Arbeiterſtand gehen keine Handwerker in Dorf und Stadt hervor. Der andere Punkt, den ich noch hervorheben möchte, iſt folgender. In den Ländern des Kleinbeſitzes, der gleichen Vermögensvertheilung, die freilich zugleich Klein- ſtaaten ſind, hat ſich in Zuſammenhang mit den dor- tigen ſozialen Sitten und Anſchauungen nicht die Geſetz- gebung, aber die Verwaltung dem Handwerke gegenüber anders geſtellt als in Preußen. Man wird nicht behaupten können, daß man in Preußen an ſich weniger thue oder gethan habe für In- duſtrie und Verkehr; im Gegentheile; aber das wird man ſagen dürfen, daß das, was geſchieht, an eine andere Adreſſe geht. In den größern Verhältniſſen macht ſich das Bedürfniß der kleinen Leute weniger geltend. Große Fabrikanten und Unternehmer, große Ingenieure und Spekulanten mit ihren ſpezifiſchen In- tereſſen ſtehen in Berlin mehr im Vordergrund als in den Regierungsſitzen der Kleinſtaaten, führen mehr das Wort in den öffentlichen Verſammlungen, in den Ge- werbekammern, im Parlament, in der Preſſe. Großes hat Preußen im gewerblichen Bildungsweſen geleiſtet; das Gewerbeinſtitut und die Bauakademie ſind Zeuge dafür; Staatstechniker, die in Privatdienſte übertraten, haben die großen Privatbergwerke und -Hüttenwerke weſent- lich gehoben; die Seehandlung, die Bank haben tauſend- fach da und dort eingegriffen, geholfen, Kredit gegeben; Staatsgarantien haben dem Eiſenbahnbau Schwung ver- Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 21

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/343>, abgerufen am 22.11.2024.