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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
Mittelstandes, wie man schon gemeint hat, erkennen
wir in diesen Resultaten, sondern gerade die Bildung
einer gesunden ökonomischen Mittelklasse."

Sicher ist daran viel Richtiges. Es ist besonders
in den größern Städten eine neue Art bürgerlichen
Mittelstandes in den letzten Jahrzehnten groß geworden,
die über dem früheren Meister stehend dem größern
Unternehmer sich nähern, mehrere, ja viele Gesellen oder
Arbeiter beschäftigen, großentheils persönlich durch Fleiß
und Thatkraft sich auszeichnen, technisch alle Fortschritte
der Neuzeit verfolgen.

Wenn wir das aber einerseits freudig begrüßen,
wenn wir zugeben, daß diese Entwickelung eine in
gewissem Sinne nothwendige ist, so dürfen wir anderer-
seits nicht vergessen, daß das eine Kehrseite hat, welche
wenigstens zunächst für die Gesellen und Lehrlinge
traurig ist. Es vermindert sich für sie die Möglichkeit,
je selbständig zu werden, immer mehr. Ich habe darauf
schon hingedeutet, ich muß dabei noch etwas verweilen.

Es ist ein einfaches Rechenexempel, um das es sich
handelt, auf das I. G. Hoffmann1 zuerst aufmerk-
sam machte. "Der einzelne Mensch" -- sagt er --
"welcher vom 14. Jahre ab 16 Jahre lang als Lehrling
und Geselle dient, will doch mit dem 30. Jahre endlich
einen eigenen Hausstand anfangen, um nun 30--40
Jahre lang als Meister zu leben. Er ist also wenig-
stens doppelt so lange Meister, als er vormals Gehülfe
war, und es wird demnach nur halb so viel Gehülfen,

1 Die Bevölkerung des preuß. Staats S. 118.

Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
Mittelſtandes, wie man ſchon gemeint hat, erkennen
wir in dieſen Reſultaten, ſondern gerade die Bildung
einer geſunden ökonomiſchen Mittelklaſſe.“

Sicher iſt daran viel Richtiges. Es iſt beſonders
in den größern Städten eine neue Art bürgerlichen
Mittelſtandes in den letzten Jahrzehnten groß geworden,
die über dem früheren Meiſter ſtehend dem größern
Unternehmer ſich nähern, mehrere, ja viele Geſellen oder
Arbeiter beſchäftigen, großentheils perſönlich durch Fleiß
und Thatkraft ſich auszeichnen, techniſch alle Fortſchritte
der Neuzeit verfolgen.

Wenn wir das aber einerſeits freudig begrüßen,
wenn wir zugeben, daß dieſe Entwickelung eine in
gewiſſem Sinne nothwendige iſt, ſo dürfen wir anderer-
ſeits nicht vergeſſen, daß das eine Kehrſeite hat, welche
wenigſtens zunächſt für die Geſellen und Lehrlinge
traurig iſt. Es vermindert ſich für ſie die Möglichkeit,
je ſelbſtändig zu werden, immer mehr. Ich habe darauf
ſchon hingedeutet, ich muß dabei noch etwas verweilen.

Es iſt ein einfaches Rechenexempel, um das es ſich
handelt, auf das I. G. Hoffmann1 zuerſt aufmerk-
ſam machte. „Der einzelne Menſch“ — ſagt er —
„welcher vom 14. Jahre ab 16 Jahre lang als Lehrling
und Geſelle dient, will doch mit dem 30. Jahre endlich
einen eigenen Hausſtand anfangen, um nun 30—40
Jahre lang als Meiſter zu leben. Er iſt alſo wenig-
ſtens doppelt ſo lange Meiſter, als er vormals Gehülfe
war, und es wird demnach nur halb ſo viel Gehülfen,

1 Die Bevölkerung des preuß. Staats S. 118.
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[338/0360] Die Vertheilung der Gewerbetreibenden. Mittelſtandes, wie man ſchon gemeint hat, erkennen wir in dieſen Reſultaten, ſondern gerade die Bildung einer geſunden ökonomiſchen Mittelklaſſe.“ Sicher iſt daran viel Richtiges. Es iſt beſonders in den größern Städten eine neue Art bürgerlichen Mittelſtandes in den letzten Jahrzehnten groß geworden, die über dem früheren Meiſter ſtehend dem größern Unternehmer ſich nähern, mehrere, ja viele Geſellen oder Arbeiter beſchäftigen, großentheils perſönlich durch Fleiß und Thatkraft ſich auszeichnen, techniſch alle Fortſchritte der Neuzeit verfolgen. Wenn wir das aber einerſeits freudig begrüßen, wenn wir zugeben, daß dieſe Entwickelung eine in gewiſſem Sinne nothwendige iſt, ſo dürfen wir anderer- ſeits nicht vergeſſen, daß das eine Kehrſeite hat, welche wenigſtens zunächſt für die Geſellen und Lehrlinge traurig iſt. Es vermindert ſich für ſie die Möglichkeit, je ſelbſtändig zu werden, immer mehr. Ich habe darauf ſchon hingedeutet, ich muß dabei noch etwas verweilen. Es iſt ein einfaches Rechenexempel, um das es ſich handelt, auf das I. G. Hoffmann 1 zuerſt aufmerk- ſam machte. „Der einzelne Menſch“ — ſagt er — „welcher vom 14. Jahre ab 16 Jahre lang als Lehrling und Geſelle dient, will doch mit dem 30. Jahre endlich einen eigenen Hausſtand anfangen, um nun 30—40 Jahre lang als Meiſter zu leben. Er iſt alſo wenig- ſtens doppelt ſo lange Meiſter, als er vormals Gehülfe war, und es wird demnach nur halb ſo viel Gehülfen, 1 Die Bevölkerung des preuß. Staats S. 118.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/360>, abgerufen am 23.11.2024.