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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
erstatter der Chemnitzer Handelskammer -- gaben in
Chemnitz und der Umgegend lange Zeit vielen Händen
Beschäftigung, bis in Folge drückender Konkurrenz die
Löhne auf ein Minimum herabsanken, kaum ausreichend,
zur Bestreitung der dringlichsten Lebensbedürfnisse.
Dann ging man zu den gemischten Stoffen, Meubles-
stoffen, Jacquardgeweben über, in welchen Gebieten
man wieder etwas höhere Löhne zahlen konnte; in
neuester Zeit (von 1860 an) hat aber auch das mehr
und mehr (als Handarbeit und Hausindustrie) aufge-
hört; "der Grund der Abnahme ist darin zu suchen,
daß bei den verhältnißmäßig niedrigen Löhnen (von
11/2 Thlr. wöchentlich bis 4 Thlr.) und bei der bedeu-
tenden Vertheuerung aller Lebensbedürfnisse die jungen
Arbeitskräfte sich denjenigen Industriezweigen zugewendet
haben, bei welchen höhere Löhne zu erreichen sind."

Ein Hauptübelstand für die moralischen Verhält-
nisse, für die ganze Lebenshaltung der Handweber
liegt in den oben schon erwähnten wechselnden Kon-
junkturen: eine Zeit lang glänzender Verdienst, dann
Monate und Jahre lang wieder eine Noth, welche
zwingt, mit dem erbärmlichsten zufrieden zu sein.
Solcher Wechsel führt dahin, daß auch in den bessern
Zeiten nicht gespart, sondern nur geschlemmt wird,
er depravirt die Weberbevölkerung. Solcher Wechsel
trägt außerdem vor allem dazu bei, die Handarbeit
zeitweilig wieder unnatürlich zu halten und auszu-
dehnen.

Nach der Noth der vierziger Jahre mußte man
die Handweberei für alle einfachen Gewebe schon für

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
erſtatter der Chemnitzer Handelskammer — gaben in
Chemnitz und der Umgegend lange Zeit vielen Händen
Beſchäftigung, bis in Folge drückender Konkurrenz die
Löhne auf ein Minimum herabſanken, kaum ausreichend,
zur Beſtreitung der dringlichſten Lebensbedürfniſſe.
Dann ging man zu den gemiſchten Stoffen, Meubles-
ſtoffen, Jacquardgeweben über, in welchen Gebieten
man wieder etwas höhere Löhne zahlen konnte; in
neueſter Zeit (von 1860 an) hat aber auch das mehr
und mehr (als Handarbeit und Hausinduſtrie) aufge-
hört; „der Grund der Abnahme iſt darin zu ſuchen,
daß bei den verhältnißmäßig niedrigen Löhnen (von
1½ Thlr. wöchentlich bis 4 Thlr.) und bei der bedeu-
tenden Vertheuerung aller Lebensbedürfniſſe die jungen
Arbeitskräfte ſich denjenigen Induſtriezweigen zugewendet
haben, bei welchen höhere Löhne zu erreichen ſind.“

Ein Hauptübelſtand für die moraliſchen Verhält-
niſſe, für die ganze Lebenshaltung der Handweber
liegt in den oben ſchon erwähnten wechſelnden Kon-
junkturen: eine Zeit lang glänzender Verdienſt, dann
Monate und Jahre lang wieder eine Noth, welche
zwingt, mit dem erbärmlichſten zufrieden zu ſein.
Solcher Wechſel führt dahin, daß auch in den beſſern
Zeiten nicht geſpart, ſondern nur geſchlemmt wird,
er depravirt die Weberbevölkerung. Solcher Wechſel
trägt außerdem vor allem dazu bei, die Handarbeit
zeitweilig wieder unnatürlich zu halten und auszu-
dehnen.

Nach der Noth der vierziger Jahre mußte man
die Handweberei für alle einfachen Gewebe ſchon für

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[566/0588] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. erſtatter der Chemnitzer Handelskammer — gaben in Chemnitz und der Umgegend lange Zeit vielen Händen Beſchäftigung, bis in Folge drückender Konkurrenz die Löhne auf ein Minimum herabſanken, kaum ausreichend, zur Beſtreitung der dringlichſten Lebensbedürfniſſe. Dann ging man zu den gemiſchten Stoffen, Meubles- ſtoffen, Jacquardgeweben über, in welchen Gebieten man wieder etwas höhere Löhne zahlen konnte; in neueſter Zeit (von 1860 an) hat aber auch das mehr und mehr (als Handarbeit und Hausinduſtrie) aufge- hört; „der Grund der Abnahme iſt darin zu ſuchen, daß bei den verhältnißmäßig niedrigen Löhnen (von 1½ Thlr. wöchentlich bis 4 Thlr.) und bei der bedeu- tenden Vertheuerung aller Lebensbedürfniſſe die jungen Arbeitskräfte ſich denjenigen Induſtriezweigen zugewendet haben, bei welchen höhere Löhne zu erreichen ſind.“ Ein Hauptübelſtand für die moraliſchen Verhält- niſſe, für die ganze Lebenshaltung der Handweber liegt in den oben ſchon erwähnten wechſelnden Kon- junkturen: eine Zeit lang glänzender Verdienſt, dann Monate und Jahre lang wieder eine Noth, welche zwingt, mit dem erbärmlichſten zufrieden zu ſein. Solcher Wechſel führt dahin, daß auch in den beſſern Zeiten nicht geſpart, ſondern nur geſchlemmt wird, er depravirt die Weberbevölkerung. Solcher Wechſel trägt außerdem vor allem dazu bei, die Handarbeit zeitweilig wieder unnatürlich zu halten und auszu- dehnen. Nach der Noth der vierziger Jahre mußte man die Handweberei für alle einfachen Gewebe ſchon für

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/588>, abgerufen am 22.11.2024.