schritte gemacht haben, wo sie den Sinn dafür und Geld oder Kredit hatten, sich bessere Stühle, Tritt-, Jacquard- und Korsettstühle anzuschaffen, wo sich weitere Arbeiten, wie die Vorhangstickerei, mit der Weberei verbunden haben, wo Alles das durch einen noch vor- handenen kleinen Haus- und Landbesitz der Weber begünstigt wurde, da hat sich die Hausweberei bis jetzt erhalten und wird sich auch in Zukunft in ziemlicher Ausdehnung noch halten.
Leider ist das nicht überall, in den meisten deutschen Weberdistrikten sogar nicht der Fall. Leider trat in Schlesien, in der Lausitz, im bairischen Voigtlande zu einem großen Theile der umgekehrte Fall ein. Man fing an, 1 -- weil man den Webern das kostbare Material nicht anvertrauen wollte, von ihnen nicht die gehörige Sorgfalt der Ausführung erwartete, sie die Stühle nicht besaßen, -- alle feinern und bessern Gewebe in der Fabrik, nur die gemeinern Sorten noch außer dem Hause weben zu lassen. Wo das geschah, war es auch natürlich, daß man die tüchtigern Leute mit höherem Lohne in die Fabrik nahm. Die ungeschickten, unfähigen blieben Hausweber -- aber Hausweber für Artikel, die nur allzubald der Maschinenweberei anheimfielen. Eine solche Hausindustrie mußte bald einer noch größern Lohnherabsetzung und endlich ihrem völligen Ruin ent- gegen gehen.
1 Vergl. Zeitschrift des sächs. stat. Büreaus 1863, S. 36. Dort wird die ganze Entstehung geschlossener Etablissements vor der Zeit der Maschinenweberei so erklärt.
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
ſchritte gemacht haben, wo ſie den Sinn dafür und Geld oder Kredit hatten, ſich beſſere Stühle, Tritt-, Jacquard- und Korſettſtühle anzuſchaffen, wo ſich weitere Arbeiten, wie die Vorhangſtickerei, mit der Weberei verbunden haben, wo Alles das durch einen noch vor- handenen kleinen Haus- und Landbeſitz der Weber begünſtigt wurde, da hat ſich die Hausweberei bis jetzt erhalten und wird ſich auch in Zukunft in ziemlicher Ausdehnung noch halten.
Leider iſt das nicht überall, in den meiſten deutſchen Weberdiſtrikten ſogar nicht der Fall. Leider trat in Schleſien, in der Lauſitz, im bairiſchen Voigtlande zu einem großen Theile der umgekehrte Fall ein. Man fing an, 1 — weil man den Webern das koſtbare Material nicht anvertrauen wollte, von ihnen nicht die gehörige Sorgfalt der Ausführung erwartete, ſie die Stühle nicht beſaßen, — alle feinern und beſſern Gewebe in der Fabrik, nur die gemeinern Sorten noch außer dem Hauſe weben zu laſſen. Wo das geſchah, war es auch natürlich, daß man die tüchtigern Leute mit höherem Lohne in die Fabrik nahm. Die ungeſchickten, unfähigen blieben Hausweber — aber Hausweber für Artikel, die nur allzubald der Maſchinenweberei anheimfielen. Eine ſolche Hausinduſtrie mußte bald einer noch größern Lohnherabſetzung und endlich ihrem völligen Ruin ent- gegen gehen.
1 Vergl. Zeitſchrift des ſächſ. ſtat. Büreaus 1863, S. 36. Dort wird die ganze Entſtehung geſchloſſener Etabliſſements vor der Zeit der Maſchinenweberei ſo erklärt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0594"n="572"/><fwplace="top"type="header">Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.</fw><lb/>ſchritte gemacht haben, wo ſie den Sinn dafür und<lb/>
Geld oder Kredit hatten, ſich beſſere Stühle, Tritt-,<lb/>
Jacquard- und Korſettſtühle anzuſchaffen, wo ſich weitere<lb/>
Arbeiten, wie die Vorhangſtickerei, mit der Weberei<lb/>
verbunden haben, wo Alles das durch einen noch vor-<lb/>
handenen kleinen Haus- und Landbeſitz der Weber<lb/>
begünſtigt wurde, da hat ſich die Hausweberei bis jetzt<lb/>
erhalten und wird ſich auch in Zukunft in ziemlicher<lb/>
Ausdehnung noch halten.</p><lb/><p>Leider iſt das nicht überall, in den meiſten deutſchen<lb/>
Weberdiſtrikten ſogar nicht der Fall. Leider trat in<lb/>
Schleſien, in der Lauſitz, im bairiſchen Voigtlande zu<lb/>
einem großen Theile der umgekehrte Fall ein. Man fing<lb/>
an, <noteplace="foot"n="1">Vergl. Zeitſchrift des ſächſ. ſtat. Büreaus 1863, S. 36.<lb/>
Dort wird die ganze Entſtehung geſchloſſener Etabliſſements vor<lb/>
der Zeit der Maſchinenweberei ſo erklärt.</note>— weil man den Webern das koſtbare Material<lb/>
nicht anvertrauen wollte, von ihnen nicht die gehörige<lb/>
Sorgfalt der Ausführung erwartete, ſie die Stühle<lb/>
nicht beſaßen, — alle feinern und beſſern Gewebe in der<lb/>
Fabrik, nur die gemeinern Sorten noch außer dem<lb/>
Hauſe weben zu laſſen. Wo das geſchah, war es auch<lb/>
natürlich, daß man die tüchtigern Leute mit höherem<lb/>
Lohne in die Fabrik nahm. Die ungeſchickten, unfähigen<lb/>
blieben Hausweber — aber Hausweber für Artikel, die<lb/>
nur allzubald der Maſchinenweberei anheimfielen. Eine<lb/>ſolche Hausinduſtrie mußte bald einer noch größern<lb/>
Lohnherabſetzung und endlich ihrem völligen Ruin ent-<lb/>
gegen gehen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[572/0594]
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
ſchritte gemacht haben, wo ſie den Sinn dafür und
Geld oder Kredit hatten, ſich beſſere Stühle, Tritt-,
Jacquard- und Korſettſtühle anzuſchaffen, wo ſich weitere
Arbeiten, wie die Vorhangſtickerei, mit der Weberei
verbunden haben, wo Alles das durch einen noch vor-
handenen kleinen Haus- und Landbeſitz der Weber
begünſtigt wurde, da hat ſich die Hausweberei bis jetzt
erhalten und wird ſich auch in Zukunft in ziemlicher
Ausdehnung noch halten.
Leider iſt das nicht überall, in den meiſten deutſchen
Weberdiſtrikten ſogar nicht der Fall. Leider trat in
Schleſien, in der Lauſitz, im bairiſchen Voigtlande zu
einem großen Theile der umgekehrte Fall ein. Man fing
an, 1 — weil man den Webern das koſtbare Material
nicht anvertrauen wollte, von ihnen nicht die gehörige
Sorgfalt der Ausführung erwartete, ſie die Stühle
nicht beſaßen, — alle feinern und beſſern Gewebe in der
Fabrik, nur die gemeinern Sorten noch außer dem
Hauſe weben zu laſſen. Wo das geſchah, war es auch
natürlich, daß man die tüchtigern Leute mit höherem
Lohne in die Fabrik nahm. Die ungeſchickten, unfähigen
blieben Hausweber — aber Hausweber für Artikel, die
nur allzubald der Maſchinenweberei anheimfielen. Eine
ſolche Hausinduſtrie mußte bald einer noch größern
Lohnherabſetzung und endlich ihrem völligen Ruin ent-
gegen gehen.
1 Vergl. Zeitſchrift des ſächſ. ſtat. Büreaus 1863, S. 36.
Dort wird die ganze Entſtehung geſchloſſener Etabliſſements vor
der Zeit der Maſchinenweberei ſo erklärt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/594>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.