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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Wollweberei.
über genossenschaftliche Weberei einige Worte zu sagen,
um dann noch auf einige Zweige der Weberei einzu-
gehen, deren handwerksmäßiges Vorkommen ich oben
noch nicht näher besprochen habe, weil ich über sie an
sich kürzer sein wollte; ich meine die Seidenweberei, die
Bandfabrikation und die Strumpfwirkerei.

In der obigen Besprechung der Wollspinnerei sowie
der handwerksmäßigen Wollweberei ist der Gang, den
die große Weberei genommen hat, im Allgemeinen schon
bezeichnet. Ich muß hier aber nochmals von dem Stand-
punkt der Industrie zu Anfang des Jahrhunderts aus-
gehen. Es gab damals in Preußen, in Sachsen, am
Rhein zahlreiche kleine Geschäfte, welche, ähnlich wie bei
der Linnenindustrie, durch Vermittlung von Kaufleuten
für den Export arbeiteten. Ihre Zahl war besonders in
Schlesien, Posen und Brandenburg groß, der Absatz
ging nach Rußland. Der härteste Schlag der sie traf,
war die Einführung der prohibitivartigen Zölle in Ruß-
land. Von 1818--28 sollen gegen 250000 Deutsche
nach Polen ausgewandert sein, welche nur durch das
russische Zollsystem dazu genöthigt wurden, und von
welchen die Tuchmacher einen bedeutenden Theil aus-
machten. 1 Trotzdem stieg die jährliche Produktion von
Wollwaaren in Preußen von 1806--31 nach Dieterici
von 131/2 auf 25--27 Mill. Thlr. Noch glänzender
ist der spätere Aufschwung der großen Industrie. Die
Einfuhr blieb sich so ziemlich gleich; es ist darunter aber
durchschnittlich nur 1 % Tuche, der Rest fällt auf Kamm-

1 Gülich II, 470.
Schmoller, Gesch. d. Kleingewerbe. 37

Die Wollweberei.
über genoſſenſchaftliche Weberei einige Worte zu ſagen,
um dann noch auf einige Zweige der Weberei einzu-
gehen, deren handwerksmäßiges Vorkommen ich oben
noch nicht näher beſprochen habe, weil ich über ſie an
ſich kürzer ſein wollte; ich meine die Seidenweberei, die
Bandfabrikation und die Strumpfwirkerei.

In der obigen Beſprechung der Wollſpinnerei ſowie
der handwerksmäßigen Wollweberei iſt der Gang, den
die große Weberei genommen hat, im Allgemeinen ſchon
bezeichnet. Ich muß hier aber nochmals von dem Stand-
punkt der Induſtrie zu Anfang des Jahrhunderts aus-
gehen. Es gab damals in Preußen, in Sachſen, am
Rhein zahlreiche kleine Geſchäfte, welche, ähnlich wie bei
der Linneninduſtrie, durch Vermittlung von Kaufleuten
für den Export arbeiteten. Ihre Zahl war beſonders in
Schleſien, Poſen und Brandenburg groß, der Abſatz
ging nach Rußland. Der härteſte Schlag der ſie traf,
war die Einführung der prohibitivartigen Zölle in Ruß-
land. Von 1818—28 ſollen gegen 250000 Deutſche
nach Polen ausgewandert ſein, welche nur durch das
ruſſiſche Zollſyſtem dazu genöthigt wurden, und von
welchen die Tuchmacher einen bedeutenden Theil aus-
machten. 1 Trotzdem ſtieg die jährliche Produktion von
Wollwaaren in Preußen von 1806—31 nach Dieterici
von 13½ auf 25—27 Mill. Thlr. Noch glänzender
iſt der ſpätere Aufſchwung der großen Induſtrie. Die
Einfuhr blieb ſich ſo ziemlich gleich; es iſt darunter aber
durchſchnittlich nur 1 % Tuche, der Reſt fällt auf Kamm-

1 Gülich II, 470.
Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 37
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[577/0599] Die Wollweberei. über genoſſenſchaftliche Weberei einige Worte zu ſagen, um dann noch auf einige Zweige der Weberei einzu- gehen, deren handwerksmäßiges Vorkommen ich oben noch nicht näher beſprochen habe, weil ich über ſie an ſich kürzer ſein wollte; ich meine die Seidenweberei, die Bandfabrikation und die Strumpfwirkerei. In der obigen Beſprechung der Wollſpinnerei ſowie der handwerksmäßigen Wollweberei iſt der Gang, den die große Weberei genommen hat, im Allgemeinen ſchon bezeichnet. Ich muß hier aber nochmals von dem Stand- punkt der Induſtrie zu Anfang des Jahrhunderts aus- gehen. Es gab damals in Preußen, in Sachſen, am Rhein zahlreiche kleine Geſchäfte, welche, ähnlich wie bei der Linneninduſtrie, durch Vermittlung von Kaufleuten für den Export arbeiteten. Ihre Zahl war beſonders in Schleſien, Poſen und Brandenburg groß, der Abſatz ging nach Rußland. Der härteſte Schlag der ſie traf, war die Einführung der prohibitivartigen Zölle in Ruß- land. Von 1818—28 ſollen gegen 250000 Deutſche nach Polen ausgewandert ſein, welche nur durch das ruſſiſche Zollſyſtem dazu genöthigt wurden, und von welchen die Tuchmacher einen bedeutenden Theil aus- machten. 1 Trotzdem ſtieg die jährliche Produktion von Wollwaaren in Preußen von 1806—31 nach Dieterici von 13½ auf 25—27 Mill. Thlr. Noch glänzender iſt der ſpätere Aufſchwung der großen Induſtrie. Die Einfuhr blieb ſich ſo ziemlich gleich; es iſt darunter aber durchſchnittlich nur 1 % Tuche, der Reſt fällt auf Kamm- 1 Gülich II, 470. Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 37

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/599>, abgerufen am 22.11.2024.