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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Tuch wird hierauf in der Fabrik gewalkt, gewaschen
und gestreckt und endlich in sog. rohem Zustande (balk
state
) nach Leeds gebracht und verkauft; vollendet wird
es durch die Tuchbereiter (Dressers) nach der Bestel-
lung der Kaufleute. Viele dieser gemeinsamen Fabriken
sind gut verwaltet und zahlen den Theilnehmern hohe
Dividenden. Sie arbeiten nach Auftrag auch für andere
als für die Aktionäre. Die Tuchmacher finden so durch
Fleiß und Sparsamkeit sich in der Lage, mit den großen
Fabrikbesitzern zu konkurriren, deren große Werke und
komplizirte Maschinen große Ausgaben mit sich bringen."
Es ist eine glückliche Verbindung von selbständigem
Kleingewerbe, Assoziation und fabrikmäßigem Absatze.

Zu einem kleinen Theile haben wir auch in Deutsch-
land ähnliche Verhältnisse. Schon in den vierziger
Jahren bildeten sich an Orten mit einer großen Anzahl
Tuchmachern größere Spinnereien, welche für sie um
Lohn arbeiteten und sie so zunächst hielten.1 Auch voll-
ständig modern eingerichtete Appreturanstalten mit Walk-,
Rauh-, Zylinderscheer- und Bürstmaschinen als eigene
Geschäfte bildeten sich, wo eine Reihe Tuchmacher und
kleiner Fabrikanten sie um Lohn beschäftigten.2 Der
Ankauf roher Tuche von den kleinern Tuchmachern durch
größere Fabrikanten, um die Waare zu vollenden und
in den Handel zu bringen, ist in Schlesien, in der

1 Siehe die Beschreibung der Hersfelder Tuchmanufaktur
in dieser Zeit, Zollvereinsblatt 1845, S. 91.
2 So z. B. in Kalw (Württemberg), Dörtenbach, Mit-
theilungen über Gewerbe und Handel in Kalw. Kalw 1862. S. 6.

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Tuch wird hierauf in der Fabrik gewalkt, gewaſchen
und geſtreckt und endlich in ſog. rohem Zuſtande (balk
state
) nach Leeds gebracht und verkauft; vollendet wird
es durch die Tuchbereiter (Dressers) nach der Beſtel-
lung der Kaufleute. Viele dieſer gemeinſamen Fabriken
ſind gut verwaltet und zahlen den Theilnehmern hohe
Dividenden. Sie arbeiten nach Auftrag auch für andere
als für die Aktionäre. Die Tuchmacher finden ſo durch
Fleiß und Sparſamkeit ſich in der Lage, mit den großen
Fabrikbeſitzern zu konkurriren, deren große Werke und
komplizirte Maſchinen große Ausgaben mit ſich bringen.“
Es iſt eine glückliche Verbindung von ſelbſtändigem
Kleingewerbe, Aſſoziation und fabrikmäßigem Abſatze.

Zu einem kleinen Theile haben wir auch in Deutſch-
land ähnliche Verhältniſſe. Schon in den vierziger
Jahren bildeten ſich an Orten mit einer großen Anzahl
Tuchmachern größere Spinnereien, welche für ſie um
Lohn arbeiteten und ſie ſo zunächſt hielten.1 Auch voll-
ſtändig modern eingerichtete Appreturanſtalten mit Walk-,
Rauh-, Zylinderſcheer- und Bürſtmaſchinen als eigene
Geſchäfte bildeten ſich, wo eine Reihe Tuchmacher und
kleiner Fabrikanten ſie um Lohn beſchäftigten.2 Der
Ankauf roher Tuche von den kleinern Tuchmachern durch
größere Fabrikanten, um die Waare zu vollenden und
in den Handel zu bringen, iſt in Schleſien, in der

1 Siehe die Beſchreibung der Hersfelder Tuchmanufaktur
in dieſer Zeit, Zollvereinsblatt 1845, S. 91.
2 So z. B. in Kalw (Württemberg), Dörtenbach, Mit-
theilungen über Gewerbe und Handel in Kalw. Kalw 1862. S. 6.
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[584/0606] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. Tuch wird hierauf in der Fabrik gewalkt, gewaſchen und geſtreckt und endlich in ſog. rohem Zuſtande (balk state) nach Leeds gebracht und verkauft; vollendet wird es durch die Tuchbereiter (Dressers) nach der Beſtel- lung der Kaufleute. Viele dieſer gemeinſamen Fabriken ſind gut verwaltet und zahlen den Theilnehmern hohe Dividenden. Sie arbeiten nach Auftrag auch für andere als für die Aktionäre. Die Tuchmacher finden ſo durch Fleiß und Sparſamkeit ſich in der Lage, mit den großen Fabrikbeſitzern zu konkurriren, deren große Werke und komplizirte Maſchinen große Ausgaben mit ſich bringen.“ Es iſt eine glückliche Verbindung von ſelbſtändigem Kleingewerbe, Aſſoziation und fabrikmäßigem Abſatze. Zu einem kleinen Theile haben wir auch in Deutſch- land ähnliche Verhältniſſe. Schon in den vierziger Jahren bildeten ſich an Orten mit einer großen Anzahl Tuchmachern größere Spinnereien, welche für ſie um Lohn arbeiteten und ſie ſo zunächſt hielten. 1 Auch voll- ſtändig modern eingerichtete Appreturanſtalten mit Walk-, Rauh-, Zylinderſcheer- und Bürſtmaſchinen als eigene Geſchäfte bildeten ſich, wo eine Reihe Tuchmacher und kleiner Fabrikanten ſie um Lohn beſchäftigten. 2 Der Ankauf roher Tuche von den kleinern Tuchmachern durch größere Fabrikanten, um die Waare zu vollenden und in den Handel zu bringen, iſt in Schleſien, in der 1 Siehe die Beſchreibung der Hersfelder Tuchmanufaktur in dieſer Zeit, Zollvereinsblatt 1845, S. 91. 2 So z. B. in Kalw (Württemberg), Dörtenbach, Mit- theilungen über Gewerbe und Handel in Kalw. Kalw 1862. S. 6.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/606>, abgerufen am 22.11.2024.