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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Bedingungen der genossenschaftlichen Weberei.
den genossenschaftlichen Betrieb mitwirken sollte, ob er
es nicht in den vierziger Jahren hätte thun sollen, da
es heute vielfach schon zu spät ist. Das Kapital allein
vom Staate dargereicht, wäre nur schädlich; es würde
in nutzlosen Versuchen vergeudet, wenn nicht die Erzie-
hung, die Organisation, die geistige und technische För-
derung der Leute hinzukommt.1 Ich werde auf die
Berechtigung solcher staatlichen Eingriffe nochmals zurück-
kommen.

Kehren wir aber nach dieser Abschweifung über
Webergenossenschaften zurück zu der Schilderung der
thatsächlichen Verhältnisse in Preußen und im Zoll-
verein, und zwar zunächst zur Seide- und Seidenband-
weberei.

Die deutsche Seidenindustrie ist ein Produkt der
französischen Protestanten und der preußischen Gewerbe-
politik.2 Im Laufe dieses Jahrhunderts hat sie sich
aber auch in andern deutschen Staaten entwickelt.
Bayern und besonders Baden besitzen eine nicht unbe-
deutende Seidenweberei. Die Hauptsitze der Industrie
sind aber auch jetzt noch Elberfeld, Krefeld, der ganze
Regierungsbezirk Düsseldorf, Aachen, Berlin und Pots-

1 Die mehrerwähnte Schrift des Dr. Michaelis, eines
Arztes, über die Zustände in den schles. u. sächs. Baumwoll- und
Leinenweberdistrikten, fordert unter Hinweisung auf die staatlichen
Kräfte, welche in Belgien die verarmten Distrikte wieder zu
einer bessern Flachsbereitung erzogen haben, die Hülfe des
Staates, Kapital, das in festen kurzen Terminen zurückzuzahlen
wäre -- noch mehr aber die geistige Initiative, die Erziehung
der Weber für gemeinsame bessere Produktion.
2 Vgl. oben S. 29 u. 37.

Die Bedingungen der genoſſenſchaftlichen Weberei.
den genoſſenſchaftlichen Betrieb mitwirken ſollte, ob er
es nicht in den vierziger Jahren hätte thun ſollen, da
es heute vielfach ſchon zu ſpät iſt. Das Kapital allein
vom Staate dargereicht, wäre nur ſchädlich; es würde
in nutzloſen Verſuchen vergeudet, wenn nicht die Erzie-
hung, die Organiſation, die geiſtige und techniſche För-
derung der Leute hinzukommt.1 Ich werde auf die
Berechtigung ſolcher ſtaatlichen Eingriffe nochmals zurück-
kommen.

Kehren wir aber nach dieſer Abſchweifung über
Webergenoſſenſchaften zurück zu der Schilderung der
thatſächlichen Verhältniſſe in Preußen und im Zoll-
verein, und zwar zunächſt zur Seide- und Seidenband-
weberei.

Die deutſche Seideninduſtrie iſt ein Produkt der
franzöſiſchen Proteſtanten und der preußiſchen Gewerbe-
politik.2 Im Laufe dieſes Jahrhunderts hat ſie ſich
aber auch in andern deutſchen Staaten entwickelt.
Bayern und beſonders Baden beſitzen eine nicht unbe-
deutende Seidenweberei. Die Hauptſitze der Induſtrie
ſind aber auch jetzt noch Elberfeld, Krefeld, der ganze
Regierungsbezirk Düſſeldorf, Aachen, Berlin und Pots-

1 Die mehrerwähnte Schrift des Dr. Michaelis, eines
Arztes, über die Zuſtände in den ſchleſ. u. ſächſ. Baumwoll- und
Leinenweberdiſtrikten, fordert unter Hinweiſung auf die ſtaatlichen
Kräfte, welche in Belgien die verarmten Diſtrikte wieder zu
einer beſſern Flachsbereitung erzogen haben, die Hülfe des
Staates, Kapital, das in feſten kurzen Terminen zurückzuzahlen
wäre — noch mehr aber die geiſtige Initiative, die Erziehung
der Weber für gemeinſame beſſere Produktion.
2 Vgl. oben S. 29 u. 37.
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[591/0613] Die Bedingungen der genoſſenſchaftlichen Weberei. den genoſſenſchaftlichen Betrieb mitwirken ſollte, ob er es nicht in den vierziger Jahren hätte thun ſollen, da es heute vielfach ſchon zu ſpät iſt. Das Kapital allein vom Staate dargereicht, wäre nur ſchädlich; es würde in nutzloſen Verſuchen vergeudet, wenn nicht die Erzie- hung, die Organiſation, die geiſtige und techniſche För- derung der Leute hinzukommt. 1 Ich werde auf die Berechtigung ſolcher ſtaatlichen Eingriffe nochmals zurück- kommen. Kehren wir aber nach dieſer Abſchweifung über Webergenoſſenſchaften zurück zu der Schilderung der thatſächlichen Verhältniſſe in Preußen und im Zoll- verein, und zwar zunächſt zur Seide- und Seidenband- weberei. Die deutſche Seideninduſtrie iſt ein Produkt der franzöſiſchen Proteſtanten und der preußiſchen Gewerbe- politik. 2 Im Laufe dieſes Jahrhunderts hat ſie ſich aber auch in andern deutſchen Staaten entwickelt. Bayern und beſonders Baden beſitzen eine nicht unbe- deutende Seidenweberei. Die Hauptſitze der Induſtrie ſind aber auch jetzt noch Elberfeld, Krefeld, der ganze Regierungsbezirk Düſſeldorf, Aachen, Berlin und Pots- 1 Die mehrerwähnte Schrift des Dr. Michaelis, eines Arztes, über die Zuſtände in den ſchleſ. u. ſächſ. Baumwoll- und Leinenweberdiſtrikten, fordert unter Hinweiſung auf die ſtaatlichen Kräfte, welche in Belgien die verarmten Diſtrikte wieder zu einer beſſern Flachsbereitung erzogen haben, die Hülfe des Staates, Kapital, das in feſten kurzen Terminen zurückzuzahlen wäre — noch mehr aber die geiſtige Initiative, die Erziehung der Weber für gemeinſame beſſere Produktion. 2 Vgl. oben S. 29 u. 37.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/613>, abgerufen am 22.11.2024.