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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
ausgewandert, zu andern Berufen übergegangen, dann
ist das ganze geistige und moralische Niveau der Leute
zu tief herabgedrückt. Es fehlt in erster Linie an der
Initiative zur rechten Zeit, an den rechten Führern.

In der ganzen genossenschaftlichen Bewegung han-
delt es sich darum, die kleinen Meister und Arbeiter
zu erziehen zu den Geschäftssitten, zu der kaufmännischen
Umsicht, der reellen Zuverlässigkeit der bürgerlichen Mit-
telklassen. Wer die Vorschußvereine und die andern
Genossenschaften in der Nähe kennt, muß das zugeben;
die Persönlichkeiten entscheiden; Schulze-Delitzsch wird
genannt, hunderte von Andern mit ähnlicher höherer
Bildung halten die Sache, erziehen den Handwerkerstand,
indem sie an die Spitze treten. Nur sie überwinden
das Mißtrauen, den Neid der Meister unter einander.
In der größern Stadt nun findet man leichter die Per-
sönlichkeiten hiezu, viel weniger aber oder gar nicht sind
sie aufzutreiben in den einsamen Gebirgsthälern, auf
dem platten Lande, wo die Hütte des Webers steht.
Die einzig Gebildeten, von welchen hier die Initiative
ausgehen könnte, sind neben den Geistlichen, die sich
leider ja heute um solche Dinge gar wenig kümmern,
die Faktoren, die Kaufleute, die Fabrikanten, d. h. die-
jenigen, welche gerade das gleiche Interesse haben Weber-
assoziationen zu stiften, wie etwa die Detailhändler,
Konsumvereine ins Leben zu rufen.

Es ist das einer der Punkte, wo die Frage ent-
steht, ob der Staat nicht in irgend welcher Form --
nicht sowohl das Kapital beschaffen, als die Orga-
nisation anregen, zur Erziehung der kleinen Meister für

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
ausgewandert, zu andern Berufen übergegangen, dann
iſt das ganze geiſtige und moraliſche Niveau der Leute
zu tief herabgedrückt. Es fehlt in erſter Linie an der
Initiative zur rechten Zeit, an den rechten Führern.

In der ganzen genoſſenſchaftlichen Bewegung han-
delt es ſich darum, die kleinen Meiſter und Arbeiter
zu erziehen zu den Geſchäftsſitten, zu der kaufmänniſchen
Umſicht, der reellen Zuverläſſigkeit der bürgerlichen Mit-
telklaſſen. Wer die Vorſchußvereine und die andern
Genoſſenſchaften in der Nähe kennt, muß das zugeben;
die Perſönlichkeiten entſcheiden; Schulze-Delitzſch wird
genannt, hunderte von Andern mit ähnlicher höherer
Bildung halten die Sache, erziehen den Handwerkerſtand,
indem ſie an die Spitze treten. Nur ſie überwinden
das Mißtrauen, den Neid der Meiſter unter einander.
In der größern Stadt nun findet man leichter die Per-
ſönlichkeiten hiezu, viel weniger aber oder gar nicht ſind
ſie aufzutreiben in den einſamen Gebirgsthälern, auf
dem platten Lande, wo die Hütte des Webers ſteht.
Die einzig Gebildeten, von welchen hier die Initiative
ausgehen könnte, ſind neben den Geiſtlichen, die ſich
leider ja heute um ſolche Dinge gar wenig kümmern,
die Faktoren, die Kaufleute, die Fabrikanten, d. h. die-
jenigen, welche gerade das gleiche Intereſſe haben Weber-
aſſoziationen zu ſtiften, wie etwa die Detailhändler,
Konſumvereine ins Leben zu rufen.

Es iſt das einer der Punkte, wo die Frage ent-
ſteht, ob der Staat nicht in irgend welcher Form —
nicht ſowohl das Kapital beſchaffen, als die Orga-
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[590/0612] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. ausgewandert, zu andern Berufen übergegangen, dann iſt das ganze geiſtige und moraliſche Niveau der Leute zu tief herabgedrückt. Es fehlt in erſter Linie an der Initiative zur rechten Zeit, an den rechten Führern. In der ganzen genoſſenſchaftlichen Bewegung han- delt es ſich darum, die kleinen Meiſter und Arbeiter zu erziehen zu den Geſchäftsſitten, zu der kaufmänniſchen Umſicht, der reellen Zuverläſſigkeit der bürgerlichen Mit- telklaſſen. Wer die Vorſchußvereine und die andern Genoſſenſchaften in der Nähe kennt, muß das zugeben; die Perſönlichkeiten entſcheiden; Schulze-Delitzſch wird genannt, hunderte von Andern mit ähnlicher höherer Bildung halten die Sache, erziehen den Handwerkerſtand, indem ſie an die Spitze treten. Nur ſie überwinden das Mißtrauen, den Neid der Meiſter unter einander. In der größern Stadt nun findet man leichter die Per- ſönlichkeiten hiezu, viel weniger aber oder gar nicht ſind ſie aufzutreiben in den einſamen Gebirgsthälern, auf dem platten Lande, wo die Hütte des Webers ſteht. Die einzig Gebildeten, von welchen hier die Initiative ausgehen könnte, ſind neben den Geiſtlichen, die ſich leider ja heute um ſolche Dinge gar wenig kümmern, die Faktoren, die Kaufleute, die Fabrikanten, d. h. die- jenigen, welche gerade das gleiche Intereſſe haben Weber- aſſoziationen zu ſtiften, wie etwa die Detailhändler, Konſumvereine ins Leben zu rufen. Es iſt das einer der Punkte, wo die Frage ent- ſteht, ob der Staat nicht in irgend welcher Form — nicht ſowohl das Kapital beſchaffen, als die Orga- niſation anregen, zur Erziehung der kleinen Meiſter für

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/612>, abgerufen am 22.11.2024.