Institutionen, die nicht immer gerade so waren und nicht nothwendig in Zukunft immer so sein werden, die nur dann ihre innere Berechtigung sich erhalten, wenn sie unter den bestimmt gegebenen äußern und innern Verhältnissen die beste Rechtsform für die Gesell- schaft sind.
Doch zunächst nicht diese allgemeine Frage haben wir zu besprechen, sondern die konkretere, wie nach den vorstehenden Untersuchungen sich die Lage des deutschen Handwerkerstandes im 19. Jahrhundert gestaltet hat.
Wir sehen, daß die Gewerbefreiheit, nothwendig nach dem heutigen Stande der Technik, mancherlei Hem- mungen, mancherlei veraltete Vorschriften beseitigt, daß sie, soweit sie innerhalb sittlcher Schranken oder, wie der Kaufmann zu sagen liebt, innerhalb des reellen Ge- schäftslebens auftritt, den einzelnen und besonders den Fähigen, den an sich schon Höherstehenden zu früher nicht gekannter Anstrengung und Arbeit treibt, daß sie aber an sich dem kleinen Handwerk keine Rettung, dem großen Gewerbe viel eher als den kleinen Meistern Förderung bringt, die Kardinalpunkte, um die es sich handelt, wenn das Handwerk d. h. ein zahlreicher städti- scher Mittelstand erhalten werden soll, kaum berührt. In der neuen freieren Stellung der Innungen, in dem Wegfall jedes Zwanges zum Beitritt wird man eher eine direkte Förderung sehen. Man kann das z. B. in Sachsen erkennen. Die Innungen, welche sich halten wollen, an deren Spitze tüchtige Leute stehen, müssen, um anzulocken, etwas bieten, irgend wie positiv das Ge- werbe fördern, und dann werden sie auch an Mitglieder-
Schluß und Reſultate.
Inſtitutionen, die nicht immer gerade ſo waren und nicht nothwendig in Zukunft immer ſo ſein werden, die nur dann ihre innere Berechtigung ſich erhalten, wenn ſie unter den beſtimmt gegebenen äußern und innern Verhältniſſen die beſte Rechtsform für die Geſell- ſchaft ſind.
Doch zunächſt nicht dieſe allgemeine Frage haben wir zu beſprechen, ſondern die konkretere, wie nach den vorſtehenden Unterſuchungen ſich die Lage des deutſchen Handwerkerſtandes im 19. Jahrhundert geſtaltet hat.
Wir ſehen, daß die Gewerbefreiheit, nothwendig nach dem heutigen Stande der Technik, mancherlei Hem- mungen, mancherlei veraltete Vorſchriften beſeitigt, daß ſie, ſoweit ſie innerhalb ſittlcher Schranken oder, wie der Kaufmann zu ſagen liebt, innerhalb des reellen Ge- ſchäftslebens auftritt, den einzelnen und beſonders den Fähigen, den an ſich ſchon Höherſtehenden zu früher nicht gekannter Anſtrengung und Arbeit treibt, daß ſie aber an ſich dem kleinen Handwerk keine Rettung, dem großen Gewerbe viel eher als den kleinen Meiſtern Förderung bringt, die Kardinalpunkte, um die es ſich handelt, wenn das Handwerk d. h. ein zahlreicher ſtädti- ſcher Mittelſtand erhalten werden ſoll, kaum berührt. In der neuen freieren Stellung der Innungen, in dem Wegfall jedes Zwanges zum Beitritt wird man eher eine direkte Förderung ſehen. Man kann das z. B. in Sachſen erkennen. Die Innungen, welche ſich halten wollen, an deren Spitze tüchtige Leute ſtehen, müſſen, um anzulocken, etwas bieten, irgend wie poſitiv das Ge- werbe fördern, und dann werden ſie auch an Mitglieder-
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Schluß und Reſultate.
Inſtitutionen, die nicht immer gerade ſo waren und
nicht nothwendig in Zukunft immer ſo ſein werden, die
nur dann ihre innere Berechtigung ſich erhalten, wenn
ſie unter den beſtimmt gegebenen äußern und innern
Verhältniſſen die beſte Rechtsform für die Geſell-
ſchaft ſind.
Doch zunächſt nicht dieſe allgemeine Frage haben
wir zu beſprechen, ſondern die konkretere, wie nach den
vorſtehenden Unterſuchungen ſich die Lage des deutſchen
Handwerkerſtandes im 19. Jahrhundert geſtaltet hat.
Wir ſehen, daß die Gewerbefreiheit, nothwendig
nach dem heutigen Stande der Technik, mancherlei Hem-
mungen, mancherlei veraltete Vorſchriften beſeitigt, daß
ſie, ſoweit ſie innerhalb ſittlcher Schranken oder, wie der
Kaufmann zu ſagen liebt, innerhalb des reellen Ge-
ſchäftslebens auftritt, den einzelnen und beſonders den
Fähigen, den an ſich ſchon Höherſtehenden zu früher nicht
gekannter Anſtrengung und Arbeit treibt, daß ſie aber
an ſich dem kleinen Handwerk keine Rettung, dem
großen Gewerbe viel eher als den kleinen Meiſtern
Förderung bringt, die Kardinalpunkte, um die es ſich
handelt, wenn das Handwerk d. h. ein zahlreicher ſtädti-
ſcher Mittelſtand erhalten werden ſoll, kaum berührt.
In der neuen freieren Stellung der Innungen, in dem
Wegfall jedes Zwanges zum Beitritt wird man eher
eine direkte Förderung ſehen. Man kann das z. B. in
Sachſen erkennen. Die Innungen, welche ſich halten
wollen, an deren Spitze tüchtige Leute ſtehen, müſſen,
um anzulocken, etwas bieten, irgend wie poſitiv das Ge-
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/686>, abgerufen am 22.11.2024.
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