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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Schulfrage.
Längst hat man in Preußen -- im schroffen Gegensatz
gegen die Theorie, Alles müsse sich in Leistung und
Gegenleistung auflösen -- sich auf den erhabenen "soziali-
stischen" Standpunkt gestellt, die Schulbildung für eine
nationale Angelegenheit zu erklären. Der Schulzwang
existirte schon vor dem Landrecht; das Landrecht fügt
ihm den Satz bei, daß die Schulen auf Steuern zu
basiren seien, statt auf die direkte Gegenleistung, auf das
Schulgeld. Bis in die neueste Zeit hat sich der Streit
über die letztere Frage hingezogen. Es war Lorenz
Stein und Gneist vorbehalten, die eminent soziale Be-
deutung der Frage ins Licht zu stellen: Die Gesellschaft
ist verpflichtet, die aufwachsende unmündige Generation
auszurüsten mit dem Maße der Bildung, welche die
arbeitende Kraft über die bloß mechanische Leistung und
damit über das Maß des Maschinenlohns, über das
Niveau des Proletariats erhebt. Dieser Pflicht kommt
die Gesellschaft nur nach, wenn sie den unbedingten
Schulzwang ausspricht, die wirthschaftliche Last der
Schule auf Steuern, d. h. in erster Linie auf die
Schultern der Besitzenden überträgt, die Forderungen an
den Elementarunterricht steigert, die ganze Schulorgani-
sation besonders auf dem Lande ändert und dadurch das
ganze geistige Niveau der untern Klassen emporhebt.

Der zweite Punkt ist die technische Bildung. Die
besitzenden Klassen haben längst dafür gesorgt, daß sie
auf Staatskosten (denn die Schul-, Kolleggelder etc. sind
fast verschwindend) Universitäten, landwirthschaftliche und
andere Fachschulen, Polytechniken haben, sich eine über-
legene Bildung auf ihnen schaffen. Diesen höhern

Die Schulfrage.
Längſt hat man in Preußen — im ſchroffen Gegenſatz
gegen die Theorie, Alles müſſe ſich in Leiſtung und
Gegenleiſtung auflöſen — ſich auf den erhabenen „ſoziali-
ſtiſchen“ Standpunkt geſtellt, die Schulbildung für eine
nationale Angelegenheit zu erklären. Der Schulzwang
exiſtirte ſchon vor dem Landrecht; das Landrecht fügt
ihm den Satz bei, daß die Schulen auf Steuern zu
baſiren ſeien, ſtatt auf die direkte Gegenleiſtung, auf das
Schulgeld. Bis in die neueſte Zeit hat ſich der Streit
über die letztere Frage hingezogen. Es war Lorenz
Stein und Gneiſt vorbehalten, die eminent ſoziale Be-
deutung der Frage ins Licht zu ſtellen: Die Geſellſchaft
iſt verpflichtet, die aufwachſende unmündige Generation
auszurüſten mit dem Maße der Bildung, welche die
arbeitende Kraft über die bloß mechaniſche Leiſtung und
damit über das Maß des Maſchinenlohns, über das
Niveau des Proletariats erhebt. Dieſer Pflicht kommt
die Geſellſchaft nur nach, wenn ſie den unbedingten
Schulzwang ausſpricht, die wirthſchaftliche Laſt der
Schule auf Steuern, d. h. in erſter Linie auf die
Schultern der Beſitzenden überträgt, die Forderungen an
den Elementarunterricht ſteigert, die ganze Schulorgani-
ſation beſonders auf dem Lande ändert und dadurch das
ganze geiſtige Niveau der untern Klaſſen emporhebt.

Der zweite Punkt iſt die techniſche Bildung. Die
beſitzenden Klaſſen haben längſt dafür geſorgt, daß ſie
auf Staatskoſten (denn die Schul-, Kolleggelder ꝛc. ſind
faſt verſchwindend) Univerſitäten, landwirthſchaftliche und
andere Fachſchulen, Polytechniken haben, ſich eine über-
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[697/0719] Die Schulfrage. Längſt hat man in Preußen — im ſchroffen Gegenſatz gegen die Theorie, Alles müſſe ſich in Leiſtung und Gegenleiſtung auflöſen — ſich auf den erhabenen „ſoziali- ſtiſchen“ Standpunkt geſtellt, die Schulbildung für eine nationale Angelegenheit zu erklären. Der Schulzwang exiſtirte ſchon vor dem Landrecht; das Landrecht fügt ihm den Satz bei, daß die Schulen auf Steuern zu baſiren ſeien, ſtatt auf die direkte Gegenleiſtung, auf das Schulgeld. Bis in die neueſte Zeit hat ſich der Streit über die letztere Frage hingezogen. Es war Lorenz Stein und Gneiſt vorbehalten, die eminent ſoziale Be- deutung der Frage ins Licht zu ſtellen: Die Geſellſchaft iſt verpflichtet, die aufwachſende unmündige Generation auszurüſten mit dem Maße der Bildung, welche die arbeitende Kraft über die bloß mechaniſche Leiſtung und damit über das Maß des Maſchinenlohns, über das Niveau des Proletariats erhebt. Dieſer Pflicht kommt die Geſellſchaft nur nach, wenn ſie den unbedingten Schulzwang ausſpricht, die wirthſchaftliche Laſt der Schule auf Steuern, d. h. in erſter Linie auf die Schultern der Beſitzenden überträgt, die Forderungen an den Elementarunterricht ſteigert, die ganze Schulorgani- ſation beſonders auf dem Lande ändert und dadurch das ganze geiſtige Niveau der untern Klaſſen emporhebt. Der zweite Punkt iſt die techniſche Bildung. Die beſitzenden Klaſſen haben längſt dafür geſorgt, daß ſie auf Staatskoſten (denn die Schul-, Kolleggelder ꝛc. ſind faſt verſchwindend) Univerſitäten, landwirthſchaftliche und andere Fachſchulen, Polytechniken haben, ſich eine über- legene Bildung auf ihnen ſchaffen. Dieſen höhern

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/719>, abgerufen am 24.11.2024.