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Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.

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licher Erscheinungen in verschiedener Zeit, bei verschiedenen Völkern
zu vergleichen und daraus Schlüsse zu ziehen. Es haben sich so fast
selbständige Disziplinen gebildet: die vergleichende Sitten-, Rechts-
und Wirtschaftsgeschichte. Ihre Bedeutung ist eine wachsende, obwohl
voreilige Eiferer durch Zusammenstellung von Unvergleichbarem und
nicht gehörig Untersuchtem das Verfahren teilweise in Mißkredit ge-
bracht haben. Aber wie die Vergleichung auf dem Gebiete der Psycho-
logie, der Sprachen, des Mythus, der Religionen trotz anfänglicher
Mißgriffe immer Größeres zu leisten im Begriffe steht, so wird es
auch auf dem des Rechts und der Volkswirtschaft geschehen. Die zu-
nehmende Vergleichung ähnlicher und identischer Erscheinungen er-
setzt das fehlende Experiment, läßt die Abstufung gradueller Zu-
nahme gewisser kausaler Faktoren erkennen, konstatiert die Wahr-
scheinlichkeit gleicher Ursachen, gibt allein das Mittel an die Hand, die
großen sozialen und wirtschaftlichen Bewegungen und Veränderungen
mit einiger Wahrscheinlichkeit vorauszusehen. Mögen dabei immer
wieder einzelne schiefe Analogieschlüsse mit unterlaufen, je vorsich-
tiger und kritischer auf der einen Seite verfahren, ein je größeres
Material auf der anderen dabei geistvoll benutzt wird, desto größer
wird doch die wissenschaftliche Ernte dieses aus der Geschichte ab-
geleiteten Verfahrens sein.

X.
DIE NAMEN UND BEGRIFFE, DIE KLASSIFIKATION

Ein Hauptmittel, richtig zu beschreiben, ist der Gebrauch richtiger
Namen und Begriffe. Ihre Herstellung ist daher immer eine wichtige
Aufgabe jeder Wissenschaft.

Die Volkswirtschaftslehre entnimmt, wie jede Wissenschaft, die Namen
und Worte, deren sie bedarf, dem reichen Sprachschatze der Kultur-
völker. Sie muß sich nur über das Wesen dieser gewöhnlichen Namen-
bildung klar sein: diese geht stets von anschaulichen konkreten Bil-
dern aus, gibt einer Summe gleicher oder ähnlicher Erscheinungen
denselben Namen; sie faßt dabei eine herrschende Vorstellung mit
einer Anzahl um sie gelagerter Nebenvorstellungen zusammen; der er-
steren ist das Wort entnommen, das nun in seiner Wiederholung den
Gebrauchenden selbst und seine Hörer an alle die Vorstellungen er-
innert, die zur Wortbildung geführt haben, und die um den Kern der
Hauptvorstellung gelagert sind. Um an ein oben schon gebrauchtes
Beispiel anzuknüpfen: der Wirt ist ursprünglich der Hauswirt, Land-
wirt, Gastwirt, d. h. der an der Spitze eines Haushaltes für Ernährung,

licher Erscheinungen in verschiedener Zeit, bei verschiedenen Völkern
zu vergleichen und daraus Schlüsse zu ziehen. Es haben sich so fast
selbständige Disziplinen gebildet: die vergleichende Sitten-, Rechts-
und Wirtschaftsgeschichte. Ihre Bedeutung ist eine wachsende, obwohl
voreilige Eiferer durch Zusammenstellung von Unvergleichbarem und
nicht gehörig Untersuchtem das Verfahren teilweise in Mißkredit ge-
bracht haben. Aber wie die Vergleichung auf dem Gebiete der Psycho-
logie, der Sprachen, des Mythus, der Religionen trotz anfänglicher
Mißgriffe immer Größeres zu leisten im Begriffe steht, so wird es
auch auf dem des Rechts und der Volkswirtschaft geschehen. Die zu-
nehmende Vergleichung ähnlicher und identischer Erscheinungen er-
setzt das fehlende Experiment, läßt die Abstufung gradueller Zu-
nahme gewisser kausaler Faktoren erkennen, konstatiert die Wahr-
scheinlichkeit gleicher Ursachen, gibt allein das Mittel an die Hand, die
großen sozialen und wirtschaftlichen Bewegungen und Veränderungen
mit einiger Wahrscheinlichkeit vorauszusehen. Mögen dabei immer
wieder einzelne schiefe Analogieschlüsse mit unterlaufen, je vorsich-
tiger und kritischer auf der einen Seite verfahren, ein je größeres
Material auf der anderen dabei geistvoll benutzt wird, desto größer
wird doch die wissenschaftliche Ernte dieses aus der Geschichte ab-
geleiteten Verfahrens sein.

X.
DIE NAMEN UND BEGRIFFE, DIE KLASSIFIKATION

Ein Hauptmittel, richtig zu beschreiben, ist der Gebrauch richtiger
Namen und Begriffe. Ihre Herstellung ist daher immer eine wichtige
Aufgabe jeder Wissenschaft.

Die Volkswirtschaftslehre entnimmt, wie jede Wissenschaft, die Namen
und Worte, deren sie bedarf, dem reichen Sprachschatze der Kultur-
völker. Sie muß sich nur über das Wesen dieser gewöhnlichen Namen-
bildung klar sein: diese geht stets von anschaulichen konkreten Bil-
dern aus, gibt einer Summe gleicher oder ähnlicher Erscheinungen
denselben Namen; sie faßt dabei eine herrschende Vorstellung mit
einer Anzahl um sie gelagerter Nebenvorstellungen zusammen; der er-
steren ist das Wort entnommen, das nun in seiner Wiederholung den
Gebrauchenden selbst und seine Hörer an alle die Vorstellungen er-
innert, die zur Wortbildung geführt haben, und die um den Kern der
Hauptvorstellung gelagert sind. Um an ein oben schon gebrauchtes
Beispiel anzuknüpfen: der Wirt ist ursprünglich der Hauswirt, Land-
wirt, Gastwirt, d. h. der an der Spitze eines Haushaltes für Ernährung,

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[45/0049] licher Erscheinungen in verschiedener Zeit, bei verschiedenen Völkern zu vergleichen und daraus Schlüsse zu ziehen. Es haben sich so fast selbständige Disziplinen gebildet: die vergleichende Sitten-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte. Ihre Bedeutung ist eine wachsende, obwohl voreilige Eiferer durch Zusammenstellung von Unvergleichbarem und nicht gehörig Untersuchtem das Verfahren teilweise in Mißkredit ge- bracht haben. Aber wie die Vergleichung auf dem Gebiete der Psycho- logie, der Sprachen, des Mythus, der Religionen trotz anfänglicher Mißgriffe immer Größeres zu leisten im Begriffe steht, so wird es auch auf dem des Rechts und der Volkswirtschaft geschehen. Die zu- nehmende Vergleichung ähnlicher und identischer Erscheinungen er- setzt das fehlende Experiment, läßt die Abstufung gradueller Zu- nahme gewisser kausaler Faktoren erkennen, konstatiert die Wahr- scheinlichkeit gleicher Ursachen, gibt allein das Mittel an die Hand, die großen sozialen und wirtschaftlichen Bewegungen und Veränderungen mit einiger Wahrscheinlichkeit vorauszusehen. Mögen dabei immer wieder einzelne schiefe Analogieschlüsse mit unterlaufen, je vorsich- tiger und kritischer auf der einen Seite verfahren, ein je größeres Material auf der anderen dabei geistvoll benutzt wird, desto größer wird doch die wissenschaftliche Ernte dieses aus der Geschichte ab- geleiteten Verfahrens sein. X. DIE NAMEN UND BEGRIFFE, DIE KLASSIFIKATION Ein Hauptmittel, richtig zu beschreiben, ist der Gebrauch richtiger Namen und Begriffe. Ihre Herstellung ist daher immer eine wichtige Aufgabe jeder Wissenschaft. Die Volkswirtschaftslehre entnimmt, wie jede Wissenschaft, die Namen und Worte, deren sie bedarf, dem reichen Sprachschatze der Kultur- völker. Sie muß sich nur über das Wesen dieser gewöhnlichen Namen- bildung klar sein: diese geht stets von anschaulichen konkreten Bil- dern aus, gibt einer Summe gleicher oder ähnlicher Erscheinungen denselben Namen; sie faßt dabei eine herrschende Vorstellung mit einer Anzahl um sie gelagerter Nebenvorstellungen zusammen; der er- steren ist das Wort entnommen, das nun in seiner Wiederholung den Gebrauchenden selbst und seine Hörer an alle die Vorstellungen er- innert, die zur Wortbildung geführt haben, und die um den Kern der Hauptvorstellung gelagert sind. Um an ein oben schon gebrauchtes Beispiel anzuknüpfen: der Wirt ist ursprünglich der Hauswirt, Land- wirt, Gastwirt, d. h. der an der Spitze eines Haushaltes für Ernährung,

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_volkswirtschaftslehre_1893/49>, abgerufen am 21.11.2024.