Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.Kleidung, Wohnung Sorgende. Das Wort geht nun stets leicht auf Jede Definition gebraucht nun zu ihrem Geschäfte Worte, die sie Kleidung, Wohnung Sorgende. Das Wort geht nun stets leicht auf Jede Definition gebraucht nun zu ihrem Geschäfte Worte, die sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="46"/> Kleidung, Wohnung Sorgende. Das Wort geht nun stets leicht auf<lb/> Nebenvorstellungen über und nimmt so Nebenbedeutungen an; die herr-<lb/> schende Vorstellung wird von einer anderen verdrängt. Die Wirtschaft,<lb/> welche erst häusliche Eigenproduktion bedeutete, umschließt nun den<lb/> Nebensinn der tauschenden und Vermögen erwerbenden Tätigkeit; der<lb/> „wirtschaftlich“ Verfahrende ist der klug mit den geringsten Mitteln<lb/> den größten Erfolg Erzielende. Die Vorstellungen und die Gedanken<lb/> wachsen eben stets viel rascher und reicher als die verfügbaren Worte.<lb/> Und so haben vollends umfangreiche Sammelbegriffe und abstrakte<lb/> Worte, wie Arbeit, Gut, Kapital, Wert, einen fließenden vieldeutigen<lb/> Vorstellungsinhalt. Die Wissenschaft muß, wenn sie von ihnen Merk-<lb/> male, Folgen aussagen will ‚versuchen, ihnen möglichst Konstanz und<lb/> durchgängige Bestimmtheit zu geben; sie muß eine sichere und all-<lb/> gemeingültige Wortbezeichnung anstreben. Dieses Geschäft besorgt die<lb/> Definition, sie verwandelt Worte und Namen in Begriffe. Die Defi-<lb/> nition ist das wissenschaftlich begründete Urteil über die Bedeutung<lb/> der Worte, die wir gebrauchen; sie bezweckt die Umgrenzung des an<lb/> sich fließenden Vorstellungsinhaltes, der den gewöhnlichen Anschau-<lb/> ungen entnommen ist, die Säuberung des vulgären Sprachgebrauches<lb/> von seiner Vieldeutigkeit und Verschwommenheit. Die Wissenschaft<lb/> erreicht dadurch das große Ziel: für alle an ihrer Gedankenarbeit<lb/> Teilnehmenden eine gleiche Ordnung des mannigfaltigen Vorstellungs-<lb/> inhaltes herzustellen, eine gleiche Klassifikation der Erscheinungen<lb/> mit gleichen Grenzen zu erreichen.</p><lb/> <p>Jede Definition gebraucht nun zu ihrem Geschäfte Worte, die sie<lb/> ihrerseits als definiert voraussetzt; am einfachsten ist ihre Tätigkeit,<lb/> wenn sie eine Erscheinung als Unterart einer feststehenden Klasse mit<lb/> der spezifischen Eigentümlichkeit der Art, z. B. den Personalkredit als<lb/> die Art des Kredits bezeichnet, wobei die persönliche Haft des Schuld-<lb/> ners das Vertrauen des Gläubigers erzeugt. Wo das nicht geht, löst sie<lb/> die Vorstellung in ihre Elemente und Merkmale auf und sucht durch<lb/> die Aufnahme der wesentlichen in die Definition den Begriff fest-<lb/> zulegen. In einen wie im anderen Falle ist vorausgesetzt, daß es eine<lb/> fertige wissenschaftliche Terminologie gebe, die man gebraucht. Da<lb/> dies nie ganz zutrifft, so ist jede Definition eine vorläufige, von dem<lb/> ganzen Stande der Wissenschaft und ihrer Begriffsbildung abhängige.<lb/> Zugleich ist klar, daß alle Definition eine Grenzziehung enthält, die<lb/> für verschiedene wissenschaftliche Zwecke verschieden gemacht werden<lb/> kann. Sie muß in erster Linie der Natur der Sache und der Gegen-<lb/> stände entsprechen; aber die Natur der Sache fordert bei einer Unter-<lb/> suchung, daß ich z. B. Grund und Boden zum Kapital rechne, bei<lb/> einer anderen, daß ich ihn davon ausschließe. So beruht die Begriffs-<lb/> bildung in erster Linie auf wissenschaftlicher Zweckmäßigkeit; nicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [46/0050]
Kleidung, Wohnung Sorgende. Das Wort geht nun stets leicht auf
Nebenvorstellungen über und nimmt so Nebenbedeutungen an; die herr-
schende Vorstellung wird von einer anderen verdrängt. Die Wirtschaft,
welche erst häusliche Eigenproduktion bedeutete, umschließt nun den
Nebensinn der tauschenden und Vermögen erwerbenden Tätigkeit; der
„wirtschaftlich“ Verfahrende ist der klug mit den geringsten Mitteln
den größten Erfolg Erzielende. Die Vorstellungen und die Gedanken
wachsen eben stets viel rascher und reicher als die verfügbaren Worte.
Und so haben vollends umfangreiche Sammelbegriffe und abstrakte
Worte, wie Arbeit, Gut, Kapital, Wert, einen fließenden vieldeutigen
Vorstellungsinhalt. Die Wissenschaft muß, wenn sie von ihnen Merk-
male, Folgen aussagen will ‚versuchen, ihnen möglichst Konstanz und
durchgängige Bestimmtheit zu geben; sie muß eine sichere und all-
gemeingültige Wortbezeichnung anstreben. Dieses Geschäft besorgt die
Definition, sie verwandelt Worte und Namen in Begriffe. Die Defi-
nition ist das wissenschaftlich begründete Urteil über die Bedeutung
der Worte, die wir gebrauchen; sie bezweckt die Umgrenzung des an
sich fließenden Vorstellungsinhaltes, der den gewöhnlichen Anschau-
ungen entnommen ist, die Säuberung des vulgären Sprachgebrauches
von seiner Vieldeutigkeit und Verschwommenheit. Die Wissenschaft
erreicht dadurch das große Ziel: für alle an ihrer Gedankenarbeit
Teilnehmenden eine gleiche Ordnung des mannigfaltigen Vorstellungs-
inhaltes herzustellen, eine gleiche Klassifikation der Erscheinungen
mit gleichen Grenzen zu erreichen.
Jede Definition gebraucht nun zu ihrem Geschäfte Worte, die sie
ihrerseits als definiert voraussetzt; am einfachsten ist ihre Tätigkeit,
wenn sie eine Erscheinung als Unterart einer feststehenden Klasse mit
der spezifischen Eigentümlichkeit der Art, z. B. den Personalkredit als
die Art des Kredits bezeichnet, wobei die persönliche Haft des Schuld-
ners das Vertrauen des Gläubigers erzeugt. Wo das nicht geht, löst sie
die Vorstellung in ihre Elemente und Merkmale auf und sucht durch
die Aufnahme der wesentlichen in die Definition den Begriff fest-
zulegen. In einen wie im anderen Falle ist vorausgesetzt, daß es eine
fertige wissenschaftliche Terminologie gebe, die man gebraucht. Da
dies nie ganz zutrifft, so ist jede Definition eine vorläufige, von dem
ganzen Stande der Wissenschaft und ihrer Begriffsbildung abhängige.
Zugleich ist klar, daß alle Definition eine Grenzziehung enthält, die
für verschiedene wissenschaftliche Zwecke verschieden gemacht werden
kann. Sie muß in erster Linie der Natur der Sache und der Gegen-
stände entsprechen; aber die Natur der Sache fordert bei einer Unter-
suchung, daß ich z. B. Grund und Boden zum Kapital rechne, bei
einer anderen, daß ich ihn davon ausschließe. So beruht die Begriffs-
bildung in erster Linie auf wissenschaftlicher Zweckmäßigkeit; nicht
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