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Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.

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sen, z. B. festzustellen, inwieweit eine Bodenproduktion zu steigern
sei, ohne daß die Kosten zu sehr wachsen, das Plus an Rohertrag zu
sehr abnehme, inwieweit mit einem natürlichen Kohlenvorrate zu rei-
chen sei. An diese natürlichen Faktoren knüpft sich die ganze Vorstel-
lung der Volkswirtschaft als eines Systemes natürlicher Kräfte und
naturgesetzlicher Kausalität, eine Auffassung, die nicht sowohl falsch
als halbwahr ist, sofern sie nur die eine Hälfte der verursachenden
Kräfte im Auge hat.

Die in die Welt der Natur hineingebaute Welt der wirtschaftlichen
Kultur dankt ihre Entstehung doch in erster Linie den geistigen Kräf-
ten der Menschen, die sich uns zunächst als Gefühle und Triebe, als
Vorstellungen und Zwecke, weiter als Handlungen und habituelle Rich-
tungen des Willens darstellen. Sofern Psychologie und Ethik das
Ganze dieser Kräfte untersuchen und darlegen, hat man neuerdings
öfter die Nationalökonomie eine psychologische oder auch eine ethische
Wissenschaft genannt. J. St. Mill hat sie einmal als die Wissenschaft
definiert, relating to the moral and psychological laws of the pro-
duction and distribution of wealth; er hat an anderer Stelle eine Lehre
der menschlichen Charakterbildung, d. h. ein System von Folgesätzen
aus der Psychologie als Grundlage der sozialen Wissenschaften gefor-
dert. Und allenthalben tauchen ähnliche Forderungen auf. In Deutsch-
land betonte die historische Schule den ethischen Charakter der Na-
tionalökonomie. In Frankreich konstruierten die Sozialisten sich ihre
eigene Psychologie. In England hat Jevons durch Aufnahme Bentham-
scher Gedanken über das wechselnde Spiel von Lust- und Schmerz-
gefühlen der politischen Ökonomie eine freilich etwas schmale psycho-
logische Basis zu geben versucht. Und die Österreicher sind ihm in der
Ausbildung der subjektiven Wertlehre hierin gefolgt; aber wie man
auch über die von ihnen aufgestellten Sätze, daß jede Bedürfnis-
befriedigung für bestimmte Zeit das Bedürfnis in den Hintergrund
dränge, daß man mit demselben Gute Bedürfnisse verschiedener Ord-
nung befriedigen, also z. B. mit Getreide Menschen und Papageien
ernähren könne, wie man auch über die ganze Lehre vom Grenznutzen
denken mag, eine ausreichende psychologische Grundlage der National-
ökonomie ist Derartiges nicht. Ebenso wenig ist sie damit geschaffen,
daß man neben den Egoismus den Gemein- und Rechtssinn oder den
Altruismus (nach Comtes Benennung) setzt12.

Man muß einmal eine Reihe psychologisch-volkswirtschaftlicher Spe-
zialuntersuchungen anstellen und dann versuchen, die Lehre von den
wirtschaftlichen Motiven auf Grund der Psychologie und Ethik neu zu
gestalten. Anläufe dazu fehlen auch nicht. Schäffle hat versucht, die
Herbartsche Psychologie zu verwerten, Brentano hat die psychischen
Verhältnisse der heutigen und der Arbeiter älterer Zeit untersucht.

sen, z. B. festzustellen, inwieweit eine Bodenproduktion zu steigern
sei, ohne daß die Kosten zu sehr wachsen, das Plus an Rohertrag zu
sehr abnehme, inwieweit mit einem natürlichen Kohlenvorrate zu rei-
chen sei. An diese natürlichen Faktoren knüpft sich die ganze Vorstel-
lung der Volkswirtschaft als eines Systemes natürlicher Kräfte und
naturgesetzlicher Kausalität, eine Auffassung, die nicht sowohl falsch
als halbwahr ist, sofern sie nur die eine Hälfte der verursachenden
Kräfte im Auge hat.

Die in die Welt der Natur hineingebaute Welt der wirtschaftlichen
Kultur dankt ihre Entstehung doch in erster Linie den geistigen Kräf-
ten der Menschen, die sich uns zunächst als Gefühle und Triebe, als
Vorstellungen und Zwecke, weiter als Handlungen und habituelle Rich-
tungen des Willens darstellen. Sofern Psychologie und Ethik das
Ganze dieser Kräfte untersuchen und darlegen, hat man neuerdings
öfter die Nationalökonomie eine psychologische oder auch eine ethische
Wissenschaft genannt. J. St. Mill hat sie einmal als die Wissenschaft
definiert, relating to the moral and psychological laws of the pro-
duction and distribution of wealth; er hat an anderer Stelle eine Lehre
der menschlichen Charakterbildung, d. h. ein System von Folgesätzen
aus der Psychologie als Grundlage der sozialen Wissenschaften gefor-
dert. Und allenthalben tauchen ähnliche Forderungen auf. In Deutsch-
land betonte die historische Schule den ethischen Charakter der Na-
tionalökonomie. In Frankreich konstruierten die Sozialisten sich ihre
eigene Psychologie. In England hat Jevons durch Aufnahme Bentham-
scher Gedanken über das wechselnde Spiel von Lust- und Schmerz-
gefühlen der politischen Ökonomie eine freilich etwas schmale psycho-
logische Basis zu geben versucht. Und die Österreicher sind ihm in der
Ausbildung der subjektiven Wertlehre hierin gefolgt; aber wie man
auch über die von ihnen aufgestellten Sätze, daß jede Bedürfnis-
befriedigung für bestimmte Zeit das Bedürfnis in den Hintergrund
dränge, daß man mit demselben Gute Bedürfnisse verschiedener Ord-
nung befriedigen, also z. B. mit Getreide Menschen und Papageien
ernähren könne, wie man auch über die ganze Lehre vom Grenznutzen
denken mag, eine ausreichende psychologische Grundlage der National-
ökonomie ist Derartiges nicht. Ebenso wenig ist sie damit geschaffen,
daß man neben den Egoismus den Gemein- und Rechtssinn oder den
Altruismus (nach Comtes Benennung) setzt12.

Man muß einmal eine Reihe psychologisch-volkswirtschaftlicher Spe-
zialuntersuchungen anstellen und dann versuchen, die Lehre von den
wirtschaftlichen Motiven auf Grund der Psychologie und Ethik neu zu
gestalten. Anläufe dazu fehlen auch nicht. Schäffle hat versucht, die
Herbartsche Psychologie zu verwerten, Brentano hat die psychischen
Verhältnisse der heutigen und der Arbeiter älterer Zeit untersucht.

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[52/0056] sen, z. B. festzustellen, inwieweit eine Bodenproduktion zu steigern sei, ohne daß die Kosten zu sehr wachsen, das Plus an Rohertrag zu sehr abnehme, inwieweit mit einem natürlichen Kohlenvorrate zu rei- chen sei. An diese natürlichen Faktoren knüpft sich die ganze Vorstel- lung der Volkswirtschaft als eines Systemes natürlicher Kräfte und naturgesetzlicher Kausalität, eine Auffassung, die nicht sowohl falsch als halbwahr ist, sofern sie nur die eine Hälfte der verursachenden Kräfte im Auge hat. Die in die Welt der Natur hineingebaute Welt der wirtschaftlichen Kultur dankt ihre Entstehung doch in erster Linie den geistigen Kräf- ten der Menschen, die sich uns zunächst als Gefühle und Triebe, als Vorstellungen und Zwecke, weiter als Handlungen und habituelle Rich- tungen des Willens darstellen. Sofern Psychologie und Ethik das Ganze dieser Kräfte untersuchen und darlegen, hat man neuerdings öfter die Nationalökonomie eine psychologische oder auch eine ethische Wissenschaft genannt. J. St. Mill hat sie einmal als die Wissenschaft definiert, relating to the moral and psychological laws of the pro- duction and distribution of wealth; er hat an anderer Stelle eine Lehre der menschlichen Charakterbildung, d. h. ein System von Folgesätzen aus der Psychologie als Grundlage der sozialen Wissenschaften gefor- dert. Und allenthalben tauchen ähnliche Forderungen auf. In Deutsch- land betonte die historische Schule den ethischen Charakter der Na- tionalökonomie. In Frankreich konstruierten die Sozialisten sich ihre eigene Psychologie. In England hat Jevons durch Aufnahme Bentham- scher Gedanken über das wechselnde Spiel von Lust- und Schmerz- gefühlen der politischen Ökonomie eine freilich etwas schmale psycho- logische Basis zu geben versucht. Und die Österreicher sind ihm in der Ausbildung der subjektiven Wertlehre hierin gefolgt; aber wie man auch über die von ihnen aufgestellten Sätze, daß jede Bedürfnis- befriedigung für bestimmte Zeit das Bedürfnis in den Hintergrund dränge, daß man mit demselben Gute Bedürfnisse verschiedener Ord- nung befriedigen, also z. B. mit Getreide Menschen und Papageien ernähren könne, wie man auch über die ganze Lehre vom Grenznutzen denken mag, eine ausreichende psychologische Grundlage der National- ökonomie ist Derartiges nicht. Ebenso wenig ist sie damit geschaffen, daß man neben den Egoismus den Gemein- und Rechtssinn oder den Altruismus (nach Comtes Benennung) setzt12. Man muß einmal eine Reihe psychologisch-volkswirtschaftlicher Spe- zialuntersuchungen anstellen und dann versuchen, die Lehre von den wirtschaftlichen Motiven auf Grund der Psychologie und Ethik neu zu gestalten. Anläufe dazu fehlen auch nicht. Schäffle hat versucht, die Herbartsche Psychologie zu verwerten, Brentano hat die psychischen Verhältnisse der heutigen und der Arbeiter älterer Zeit untersucht.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_volkswirtschaftslehre_1893/56>, abgerufen am 25.11.2024.