Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.Wiederkehr wirtschaftlicher Erscheinungen." Die so sich ergebenden Je mehr man überhaupt die Untersuchung einschränkt auf einen be- Aber sie sind nicht letzte Wahrheiten und sie ruhen auf der Fiktion Wiederkehr wirtschaftlicher Erscheinungen.“ Die so sich ergebenden Je mehr man überhaupt die Untersuchung einschränkt auf einen be- Aber sie sind nicht letzte Wahrheiten und sie ruhen auf der Fiktion <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="70"/> Wiederkehr wirtschaftlicher Erscheinungen.“ Die so sich ergebenden<lb/> Gesetze würden — sagt er — allem Erwarten nach lange die Basis<lb/> bleiben, auf die gestützt es wirtschaftlicher Einsicht gelingen könne,<lb/> die kommenden Dinge vorauszusehen und drohenden Gefahren die<lb/> Spitze zu bieten. Er hat gewiß recht; und wenn, was er so nennt,<lb/> keine exakten Gesetze sind, so sind sie doch wesentlich mehr als em-<lb/> pirische Gesetze im Sinne der bloßen Regelmäßigkeit. Es sind Genera-<lb/> lisationen mit einer Erklärung des Warum, die, aus einem bestimmten<lb/> Kulturzustande für bestimmte Klassen abgeleitet, für sie und ihre<lb/> Zeit unbedingte Gültigkeit haben. Aber das genügt zunächst und ist<lb/> von unendlichem Werte.</p><lb/> <p>Je mehr man überhaupt die Untersuchung einschränkt auf einen be-<lb/> stimmten wirtschaftlichen Kulturzustand und diesen vorläufig, was<lb/> sicher ein erlaubter methodologischer Kunstgriff ist, als stabil an-<lb/> nimmt, desto leichter wird man dazu kommen, die wichtigsben und<lb/> vorherrschenden psychischen und anderweiten Ursachen richtig zu<lb/> fassen und aus ihnen typische Formen der Organisation abzuleiten und<lb/> die elementaren, typisch sich wiederholenden Vorgänge des wirtschaft-<lb/> lichen Prozesses zu erklären. Man wird auf diese Weise mit etwas<lb/> gröberen oder feineren, ungefähren Generalisationen ausreichen, wel-<lb/> che Nebenumstände und kleine Modifikationen beiseite lassen. Ob man<lb/> sie Gesetze oder hypothetische Wahrheiten nenne, sie sind, in richtiger<lb/> Begrenzung gebraucht, das große Instrument der Erkenntnis und die<lb/> Stützen jeder guten Staatspraxis und Verwaltung.</p><lb/> <p>Aber sie sind nicht letzte Wahrheiten und sie ruhen auf der Fiktion<lb/> eines stabilen Kulturzustandes. Es gilt, neben ihnen nun die weitere<lb/> und tiefere Untersuchung der sich ändernden Ursachen und der Ver-<lb/> änderungen aller volkswirtschaftlichen Formen und Vorgänge durch-<lb/> zuführen. Dazu gehört jedenfalls dreierlei: 1. Man untersucht die<lb/> Umbildung der psychologischen Ursachen in Zusammenhang mit den<lb/> ethnologischen und Klassenunterschieden; man sucht festzustellen, wie<lb/> demgemäß auch das wirtschaftliche Handeln der Menschen ein ande-<lb/> res wird oder werden kann; was man so findet, wird man besser nicht<lb/> psychologische Gesetze nennen; man wird passender diesen Titel für<lb/> die elementaren psychologischen Wahrheiten aufsparen, aus denen<lb/> man die erwähnten psychologisch-historischen Änderungen ableitet.<lb/> 2. Man sucht im einzelnen festzustellen, welche Formen der volkswirt-<lb/> schaftlichen Organisation vorkommen und wie sie auseinander ent-<lb/> stehen; man konstatiert, wie die Formen der Arbeitsteilung, die Unter-<lb/> nehmungsformen, die Verkehrsformen, die Formen der Finanz, der<lb/> Steuern sich folgen, wie sie regelmäßig bestimmten anderen Gestal-<lb/> tungen des politischen und sozialen Lebens parallel gehen; es sind zu-<lb/> nächst empirische Gesetze, die man so erhält; sie werden in dem Maße<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0074]
Wiederkehr wirtschaftlicher Erscheinungen.“ Die so sich ergebenden
Gesetze würden — sagt er — allem Erwarten nach lange die Basis
bleiben, auf die gestützt es wirtschaftlicher Einsicht gelingen könne,
die kommenden Dinge vorauszusehen und drohenden Gefahren die
Spitze zu bieten. Er hat gewiß recht; und wenn, was er so nennt,
keine exakten Gesetze sind, so sind sie doch wesentlich mehr als em-
pirische Gesetze im Sinne der bloßen Regelmäßigkeit. Es sind Genera-
lisationen mit einer Erklärung des Warum, die, aus einem bestimmten
Kulturzustande für bestimmte Klassen abgeleitet, für sie und ihre
Zeit unbedingte Gültigkeit haben. Aber das genügt zunächst und ist
von unendlichem Werte.
Je mehr man überhaupt die Untersuchung einschränkt auf einen be-
stimmten wirtschaftlichen Kulturzustand und diesen vorläufig, was
sicher ein erlaubter methodologischer Kunstgriff ist, als stabil an-
nimmt, desto leichter wird man dazu kommen, die wichtigsben und
vorherrschenden psychischen und anderweiten Ursachen richtig zu
fassen und aus ihnen typische Formen der Organisation abzuleiten und
die elementaren, typisch sich wiederholenden Vorgänge des wirtschaft-
lichen Prozesses zu erklären. Man wird auf diese Weise mit etwas
gröberen oder feineren, ungefähren Generalisationen ausreichen, wel-
che Nebenumstände und kleine Modifikationen beiseite lassen. Ob man
sie Gesetze oder hypothetische Wahrheiten nenne, sie sind, in richtiger
Begrenzung gebraucht, das große Instrument der Erkenntnis und die
Stützen jeder guten Staatspraxis und Verwaltung.
Aber sie sind nicht letzte Wahrheiten und sie ruhen auf der Fiktion
eines stabilen Kulturzustandes. Es gilt, neben ihnen nun die weitere
und tiefere Untersuchung der sich ändernden Ursachen und der Ver-
änderungen aller volkswirtschaftlichen Formen und Vorgänge durch-
zuführen. Dazu gehört jedenfalls dreierlei: 1. Man untersucht die
Umbildung der psychologischen Ursachen in Zusammenhang mit den
ethnologischen und Klassenunterschieden; man sucht festzustellen, wie
demgemäß auch das wirtschaftliche Handeln der Menschen ein ande-
res wird oder werden kann; was man so findet, wird man besser nicht
psychologische Gesetze nennen; man wird passender diesen Titel für
die elementaren psychologischen Wahrheiten aufsparen, aus denen
man die erwähnten psychologisch-historischen Änderungen ableitet.
2. Man sucht im einzelnen festzustellen, welche Formen der volkswirt-
schaftlichen Organisation vorkommen und wie sie auseinander ent-
stehen; man konstatiert, wie die Formen der Arbeitsteilung, die Unter-
nehmungsformen, die Verkehrsformen, die Formen der Finanz, der
Steuern sich folgen, wie sie regelmäßig bestimmten anderen Gestal-
tungen des politischen und sozialen Lebens parallel gehen; es sind zu-
nächst empirische Gesetze, die man so erhält; sie werden in dem Maße
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