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Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.

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mehr wie das, als man die Ursachen der Umbildung teilweise oder
erschöpfend auffindet. Man nannte sie bisher häufig "Entwicklungs-
gesetze". Die ältere historische Nationalökonomie hat das Ziel erkannt,
die neuere Wirtschaftsgeschichte hat begonnen das Material zu sam-
meln und zu interpretieren; je mehr es in Zusammenhang gebracht
wird mit den psychologischen und nationalökonomischen Wahrheiten,
die wir schon besitzen, desto wertvoller ist der Bestand der so er-
worbenen Sätze und Generalisationen. 3. Man kann endlich versuchen,
eine allgemeine Formel des wirtschaftlichen oder gar des allgemein
menschlichen Fortschrittes aufzustellen; man kommt damit in das
Gebiet der Geschichtsphilosophie, der Teleologie, der Hoffnungen
und Weissagungen; auf je breiterer Erkenntnis sich ein solcher Ver-
such aufbaut, desto Wertvolleres kann er bieten. Für das praktische
Handeln werden stets wieder solche kühne Synthesen notwendig sein
und man wird es den echten Propheten der Zeit nicht verwehren kön-
nen, wenn sie glauben, "das Entwickelungsgesetz" gefunden zu haben.
Herbert Spencer und die Entwickelungstheoretiker, Mill und Aug.
Comte haben solche zu formulieren versucht, wie die Sozialisten und
die Manchestermänner. Von dem, was die Naturforscher echte Ge-
setze nennen, wird alles derartige stets weit entfernt bleiben. Und
auch unter die empirischen Gesetze wird man solche Versuche kaum
einrechnen können. Das, was man etwas voreilig Gesetze der Geschichte
genannt hat, waren entweder derartige, oft sehr zweifelhafte Genera-
lisationen, oder es waren einfache, uralte psychologische Wahrheiten,
aus denen man glaubte, große Reihen des geschichtlichen Geschehens
erklären zu können. Und daher ist der Zweifel ein so berechtigter, ob
wir heute schon von historischen Gesetzen sprechen können und
sollen.


Indem ich damit die kurzen Ausführungen über die Methode der
Volkswirtschaftslehre schließe, will ich nur mit zwei Worten kurz
meine Grundanschauungen resümieren und vorher noch die Entschul-
digung beifügen, daß der Raum, auf den sich diese Ausführungen be-
schränken sollten, hauptsächlich in Nebenpunkten zu summarischer
Kürze, ja zur Beschränkung auf Andeutungen und zu Behauptungen
nötigte, für welche ein eingehender Beweis nicht geliefert werden
konnte.

Auf zwei Wegen, die beide in ihrer Art gleich notwendig und heilsam
für uns sind, sucht das menschliche Denken die Welt zu begreifen: es
macht sich -- natürlich auf Grund der zur Zeit möglichen Beobach-
tungen und Wahrnehmungen -- ein Bild des Ganzen -- des Ganzen
der Welt, der Geschichte, des Staates, der Volkswirtschaft, der Gesell-

mehr wie das, als man die Ursachen der Umbildung teilweise oder
erschöpfend auffindet. Man nannte sie bisher häufig „Entwicklungs-
gesetze“. Die ältere historische Nationalökonomie hat das Ziel erkannt,
die neuere Wirtschaftsgeschichte hat begonnen das Material zu sam-
meln und zu interpretieren; je mehr es in Zusammenhang gebracht
wird mit den psychologischen und nationalökonomischen Wahrheiten,
die wir schon besitzen, desto wertvoller ist der Bestand der so er-
worbenen Sätze und Generalisationen. 3. Man kann endlich versuchen,
eine allgemeine Formel des wirtschaftlichen oder gar des allgemein
menschlichen Fortschrittes aufzustellen; man kommt damit in das
Gebiet der Geschichtsphilosophie, der Teleologie, der Hoffnungen
und Weissagungen; auf je breiterer Erkenntnis sich ein solcher Ver-
such aufbaut, desto Wertvolleres kann er bieten. Für das praktische
Handeln werden stets wieder solche kühne Synthesen notwendig sein
und man wird es den echten Propheten der Zeit nicht verwehren kön-
nen, wenn sie glauben, „das Entwickelungsgesetz“ gefunden zu haben.
Herbert Spencer und die Entwickelungstheoretiker, Mill und Aug.
Comte haben solche zu formulieren versucht, wie die Sozialisten und
die Manchestermänner. Von dem, was die Naturforscher echte Ge-
setze nennen, wird alles derartige stets weit entfernt bleiben. Und
auch unter die empirischen Gesetze wird man solche Versuche kaum
einrechnen können. Das, was man etwas voreilig Gesetze der Geschichte
genannt hat, waren entweder derartige, oft sehr zweifelhafte Genera-
lisationen, oder es waren einfache, uralte psychologische Wahrheiten,
aus denen man glaubte, große Reihen des geschichtlichen Geschehens
erklären zu können. Und daher ist der Zweifel ein so berechtigter, ob
wir heute schon von historischen Gesetzen sprechen können und
sollen.


Indem ich damit die kurzen Ausführungen über die Methode der
Volkswirtschaftslehre schließe, will ich nur mit zwei Worten kurz
meine Grundanschauungen resümieren und vorher noch die Entschul-
digung beifügen, daß der Raum, auf den sich diese Ausführungen be-
schränken sollten, hauptsächlich in Nebenpunkten zu summarischer
Kürze, ja zur Beschränkung auf Andeutungen und zu Behauptungen
nötigte, für welche ein eingehender Beweis nicht geliefert werden
konnte.

Auf zwei Wegen, die beide in ihrer Art gleich notwendig und heilsam
für uns sind, sucht das menschliche Denken die Welt zu begreifen: es
macht sich — natürlich auf Grund der zur Zeit möglichen Beobach-
tungen und Wahrnehmungen — ein Bild des Ganzen — des Ganzen
der Welt, der Geschichte, des Staates, der Volkswirtschaft, der Gesell-

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_volkswirtschaftslehre_1893/75>, abgerufen am 26.11.2024.