Schmoller, Gustav: Die Volkswirtschaft, die Volkswirtschaftslehre und ihre Methode. Frankfurt (Main), 1893.alle ausschließlich deduktiv geforscht. Auch in Deutschland setzten sich Men- ger, Sax, John, Dietzel und andere für die alten Methoden ein; A. Wagner suchte zum mindesten die Gleichberechtigung der zwei streitenden Methoden zu retten, wobei ihm die Deduktion noch näher stand. Der 1880--1900 ge- führte Streit ist hier nicht näher zu schildern. Er ist heute zurückgetreten in der Erkenntnis, daß je nach persönlicher Anlage und Studium, je nach den behandelten Problemen und Fragen, je nach dem engeren oder weiteren Um- kreise, auf den sich die untersuchten Gegenstände erstrecken, je nachdem Un- tersuchung von ungelösten Problemen oder Darstellung von gelösten in Frage steht, der einzelne Forscher naturgemäß mehr der Induktion oder mehr der Deduktion oder beider Methoden nebeneinander sich bediene, daß überhaupt von einem Vorzug der einen vor der anderen Methode nicht eigentlich die Rede sein könne. Am besten hat Hasbach (Jahrb. f. Ges., "Zur Geschichte des Methodenstreits 1895) die Frage erledigt. Er schließt mit den Worten: "ich habe mich bemüht zu zeigen, daß die Deduktion aus dem Prinzip des Selbst- interesses absolut unfruchtbar gewesen ist, daß gewöhnlich empirische Regel- mäßigkeiten den Anfang der Erkenntnis gebildet haben, welche in einzelnen Fällen zu allgemeinen empirischen Gesetzen verbunden wurden und daß die kausale Erklärung aus psychologischen Prinzipien den Erkenntnisprozeß ab- schloß." Er fügt bei: auf Gebieten gesicherter Erkenntnis muß die deduk- tive, auf anderen die induktive Methode verwandt werden. 14 Um zur Klarheit über diese wichtige Fragen zu kommen, scheint es nötig, einen Blick auf die Entstehung des Sprachgebrauchs von wissenschaftlichen Gesetzen, auf den Gegensatz der Naturgesetze und der Gesetze im Gebiete des geistigen Lebens, auf den Unterschied der Preisgesetze, der anderen wirt- schaftlichen Gesetze, die auf Ursachen psychologischer Massenwirkung be- ruhen, die statistischen Gesetze, und der sog. wirtschaftlichen Entwickelungs- gesetze einzugehen. Hauptsächlich Fr. J. Neumann hat auf diesem Gebiete Klarheit geschaffen. Außerdem müssen wir dann ein Wort darüber sagen, welche Bedeutung die Gesetze in der Volkswirtschaftslehre überhaupt haben. Das Wort Gesetz (nomos, lex) bedeutete ursprünglich die gesellschaftliche Zwangsordnung, die die Staatsgewalt erläßt und aufrecht erhält. Aber bald wurde der Begriff auch auf die göttlichen Gesetze und die der Natur über- tragen, ohne einen festen Unterschied zwischen diesen drei Arten der Gesetze zu machen. In der jüdisch-christlichen Welt wurde hauptsächlich der gött- liche Weltplan in der Geschichte, die göttliche Gesetzesmäßigkeit alles Ge- schehens betont (Eulenburg). Bis ins 17. und 18. Jahrh. wurden vor allem die leges naturae von vielen Schriftstellern zugleich als Gebote Gottes angesehen; dabei war aber die vorherrschende Vorstellung von einer Notwendigkeit des Geschehens in Natur und Geschichte die, daß der allmächtige Gott alles Geschehen beliebig nach seinen unerforschlichen Plänen lenke. Der beginnende Bruch mit dieser Anschauung setzt mit Baco ein, der statt der causae finales, die im göttlichen Willen beruhen, die causae efficientes, die im wirklichen Leben das Geschehen direkt herbeiführenden Ursachen zunächst in Physik und Anthropologie suchen wollte; das gleiche erstrebte dann Hobbes in der Staats- lehre, Locke in der Psychologie. Damit war man auf dem Wege zu Natur- gesetzen, in die Gott nicht direkt eingreife. Newton suchte diesen Weg der christlichen Auffassung durch die Erklärung annehmbar zu machen, daß er alle ausschließlich deduktiv geforscht. Auch in Deutschland setzten sich Men- ger, Sax, John, Dietzel und andere für die alten Methoden ein; A. Wagner suchte zum mindesten die Gleichberechtigung der zwei streitenden Methoden zu retten, wobei ihm die Deduktion noch näher stand. Der 1880—1900 ge- führte Streit ist hier nicht näher zu schildern. Er ist heute zurückgetreten in der Erkenntnis, daß je nach persönlicher Anlage und Studium, je nach den behandelten Problemen und Fragen, je nach dem engeren oder weiteren Um- kreise, auf den sich die untersuchten Gegenstände erstrecken, je nachdem Un- tersuchung von ungelösten Problemen oder Darstellung von gelösten in Frage steht, der einzelne Forscher naturgemäß mehr der Induktion oder mehr der Deduktion oder beider Methoden nebeneinander sich bediene, daß überhaupt von einem Vorzug der einen vor der anderen Methode nicht eigentlich die Rede sein könne. Am besten hat Hasbach (Jahrb. f. Ges., „Zur Geschichte des Methodenstreits 1895) die Frage erledigt. Er schließt mit den Worten: „ich habe mich bemüht zu zeigen, daß die Deduktion aus dem Prinzip des Selbst- interesses absolut unfruchtbar gewesen ist, daß gewöhnlich empirische Regel- mäßigkeiten den Anfang der Erkenntnis gebildet haben, welche in einzelnen Fällen zu allgemeinen empirischen Gesetzen verbunden wurden und daß die kausale Erklärung aus psychologischen Prinzipien den Erkenntnisprozeß ab- schloß.“ Er fügt bei: auf Gebieten gesicherter Erkenntnis muß die deduk- tive, auf anderen die induktive Methode verwandt werden. 14 Um zur Klarheit über diese wichtige Fragen zu kommen, scheint es nötig, einen Blick auf die Entstehung des Sprachgebrauchs von wissenschaftlichen Gesetzen, auf den Gegensatz der Naturgesetze und der Gesetze im Gebiete des geistigen Lebens, auf den Unterschied der Preisgesetze, der anderen wirt- schaftlichen Gesetze, die auf Ursachen psychologischer Massenwirkung be- ruhen, die statistischen Gesetze, und der sog. wirtschaftlichen Entwickelungs- gesetze einzugehen. Hauptsächlich Fr. J. Neumann hat auf diesem Gebiete Klarheit geschaffen. Außerdem müssen wir dann ein Wort darüber sagen, welche Bedeutung die Gesetze in der Volkswirtschaftslehre überhaupt haben. Das Wort Gesetz (nomos, lex) bedeutete ursprünglich die gesellschaftliche Zwangsordnung, die die Staatsgewalt erläßt und aufrecht erhält. Aber bald wurde der Begriff auch auf die göttlichen Gesetze und die der Natur über- tragen, ohne einen festen Unterschied zwischen diesen drei Arten der Gesetze zu machen. In der jüdisch-christlichen Welt wurde hauptsächlich der gött- liche Weltplan in der Geschichte, die göttliche Gesetzesmäßigkeit alles Ge- schehens betont (Eulenburg). Bis ins 17. und 18. Jahrh. wurden vor allem die leges naturae von vielen Schriftstellern zugleich als Gebote Gottes angesehen; dabei war aber die vorherrschende Vorstellung von einer Notwendigkeit des Geschehens in Natur und Geschichte die, daß der allmächtige Gott alles Geschehen beliebig nach seinen unerforschlichen Plänen lenke. Der beginnende Bruch mit dieser Anschauung setzt mit Baco ein, der statt der causae finales, die im göttlichen Willen beruhen, die causae efficientes, die im wirklichen Leben das Geschehen direkt herbeiführenden Ursachen zunächst in Physik und Anthropologie suchen wollte; das gleiche erstrebte dann Hobbes in der Staats- lehre, Locke in der Psychologie. Damit war man auf dem Wege zu Natur- gesetzen, in die Gott nicht direkt eingreife. Newton suchte diesen Weg der christlichen Auffassung durch die Erklärung annehmbar zu machen, daß er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <note place="end" n="13"><pb facs="#f0098" n="94"/> alle ausschließlich deduktiv geforscht. 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Ges., „Zur Geschichte des<lb/> Methodenstreits 1895) die Frage erledigt. Er schließt mit den Worten: „ich<lb/> habe mich bemüht zu zeigen, daß die Deduktion aus dem Prinzip des Selbst-<lb/> interesses absolut unfruchtbar gewesen ist, daß gewöhnlich empirische Regel-<lb/> mäßigkeiten den Anfang der Erkenntnis gebildet haben, welche in einzelnen<lb/> Fällen zu allgemeinen empirischen Gesetzen verbunden wurden und daß die<lb/> kausale Erklärung aus psychologischen Prinzipien den Erkenntnisprozeß ab-<lb/> schloß.“ Er fügt bei: auf Gebieten gesicherter Erkenntnis muß die deduk-<lb/> tive, auf anderen die induktive Methode verwandt werden.</note><lb/> <note place="end" n="14">Um zur Klarheit über diese wichtige Fragen zu kommen, scheint es nötig,<lb/> einen Blick auf die Entstehung des Sprachgebrauchs von wissenschaftlichen<lb/> Gesetzen, auf den Gegensatz der Naturgesetze und der Gesetze im Gebiete des<lb/> geistigen Lebens, auf den Unterschied der Preisgesetze, der anderen wirt-<lb/> schaftlichen Gesetze, die auf Ursachen psychologischer Massenwirkung be-<lb/> ruhen, die statistischen Gesetze, und der sog. wirtschaftlichen Entwickelungs-<lb/> gesetze einzugehen. Hauptsächlich Fr. J. Neumann hat auf diesem Gebiete<lb/> Klarheit geschaffen. Außerdem müssen wir dann ein Wort darüber sagen,<lb/> welche Bedeutung die Gesetze in der Volkswirtschaftslehre überhaupt haben.<lb/> Das Wort Gesetz (nomos, lex) bedeutete ursprünglich die gesellschaftliche<lb/> Zwangsordnung, die die Staatsgewalt erläßt und aufrecht erhält. Aber bald<lb/> wurde der Begriff auch auf die göttlichen Gesetze und die der Natur über-<lb/> tragen, ohne einen festen Unterschied zwischen diesen drei Arten der Gesetze<lb/> zu machen. In der jüdisch-christlichen Welt wurde hauptsächlich der gött-<lb/> liche Weltplan in der Geschichte, die göttliche Gesetzesmäßigkeit alles Ge-<lb/> schehens betont (Eulenburg). Bis ins 17. und 18. Jahrh. wurden vor allem die<lb/> leges naturae von vielen Schriftstellern zugleich als Gebote Gottes angesehen;<lb/> dabei war aber die vorherrschende Vorstellung von einer Notwendigkeit des<lb/> Geschehens in Natur und Geschichte die, daß der allmächtige Gott alles<lb/> Geschehen beliebig nach seinen unerforschlichen Plänen lenke. Der beginnende<lb/> Bruch mit dieser Anschauung setzt mit Baco ein, der statt der causae finales,<lb/> die im göttlichen Willen beruhen, die causae efficientes, die im wirklichen<lb/> Leben das Geschehen direkt herbeiführenden Ursachen zunächst in Physik und<lb/> Anthropologie suchen wollte; das gleiche erstrebte dann Hobbes in der Staats-<lb/> lehre, Locke in der Psychologie. Damit war man auf dem Wege zu Natur-<lb/> gesetzen, in die Gott nicht direkt eingreife. Newton suchte diesen Weg der<lb/> christlichen Auffassung durch die Erklärung annehmbar zu machen, daß er<lb/></note> </div> </body> </text> </TEI> [94/0098]
¹³ alle ausschließlich deduktiv geforscht. Auch in Deutschland setzten sich Men-
ger, Sax, John, Dietzel und andere für die alten Methoden ein; A. Wagner
suchte zum mindesten die Gleichberechtigung der zwei streitenden Methoden
zu retten, wobei ihm die Deduktion noch näher stand. Der 1880—1900 ge-
führte Streit ist hier nicht näher zu schildern. Er ist heute zurückgetreten in
der Erkenntnis, daß je nach persönlicher Anlage und Studium, je nach den
behandelten Problemen und Fragen, je nach dem engeren oder weiteren Um-
kreise, auf den sich die untersuchten Gegenstände erstrecken, je nachdem Un-
tersuchung von ungelösten Problemen oder Darstellung von gelösten in Frage
steht, der einzelne Forscher naturgemäß mehr der Induktion oder mehr der
Deduktion oder beider Methoden nebeneinander sich bediene, daß überhaupt
von einem Vorzug der einen vor der anderen Methode nicht eigentlich die
Rede sein könne. Am besten hat Hasbach (Jahrb. f. Ges., „Zur Geschichte des
Methodenstreits 1895) die Frage erledigt. Er schließt mit den Worten: „ich
habe mich bemüht zu zeigen, daß die Deduktion aus dem Prinzip des Selbst-
interesses absolut unfruchtbar gewesen ist, daß gewöhnlich empirische Regel-
mäßigkeiten den Anfang der Erkenntnis gebildet haben, welche in einzelnen
Fällen zu allgemeinen empirischen Gesetzen verbunden wurden und daß die
kausale Erklärung aus psychologischen Prinzipien den Erkenntnisprozeß ab-
schloß.“ Er fügt bei: auf Gebieten gesicherter Erkenntnis muß die deduk-
tive, auf anderen die induktive Methode verwandt werden.
¹⁴ Um zur Klarheit über diese wichtige Fragen zu kommen, scheint es nötig,
einen Blick auf die Entstehung des Sprachgebrauchs von wissenschaftlichen
Gesetzen, auf den Gegensatz der Naturgesetze und der Gesetze im Gebiete des
geistigen Lebens, auf den Unterschied der Preisgesetze, der anderen wirt-
schaftlichen Gesetze, die auf Ursachen psychologischer Massenwirkung be-
ruhen, die statistischen Gesetze, und der sog. wirtschaftlichen Entwickelungs-
gesetze einzugehen. Hauptsächlich Fr. J. Neumann hat auf diesem Gebiete
Klarheit geschaffen. Außerdem müssen wir dann ein Wort darüber sagen,
welche Bedeutung die Gesetze in der Volkswirtschaftslehre überhaupt haben.
Das Wort Gesetz (nomos, lex) bedeutete ursprünglich die gesellschaftliche
Zwangsordnung, die die Staatsgewalt erläßt und aufrecht erhält. Aber bald
wurde der Begriff auch auf die göttlichen Gesetze und die der Natur über-
tragen, ohne einen festen Unterschied zwischen diesen drei Arten der Gesetze
zu machen. In der jüdisch-christlichen Welt wurde hauptsächlich der gött-
liche Weltplan in der Geschichte, die göttliche Gesetzesmäßigkeit alles Ge-
schehens betont (Eulenburg). Bis ins 17. und 18. Jahrh. wurden vor allem die
leges naturae von vielen Schriftstellern zugleich als Gebote Gottes angesehen;
dabei war aber die vorherrschende Vorstellung von einer Notwendigkeit des
Geschehens in Natur und Geschichte die, daß der allmächtige Gott alles
Geschehen beliebig nach seinen unerforschlichen Plänen lenke. Der beginnende
Bruch mit dieser Anschauung setzt mit Baco ein, der statt der causae finales,
die im göttlichen Willen beruhen, die causae efficientes, die im wirklichen
Leben das Geschehen direkt herbeiführenden Ursachen zunächst in Physik und
Anthropologie suchen wollte; das gleiche erstrebte dann Hobbes in der Staats-
lehre, Locke in der Psychologie. Damit war man auf dem Wege zu Natur-
gesetzen, in die Gott nicht direkt eingreife. Newton suchte diesen Weg der
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