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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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vor Freuden in die Höhe sprungen, und einer nach
dem andern mich umfiengen und küsseten. Nachdem
solchergestalt auch alle unsere Reise-Gefährten be-
willkommet waren, bat der Capitain meine fremb-
den Vettern, daß einer von ihnen hinauf steigen, dem
Altvater seinen Gehorsam vermelden, anbey Erlaub-
niß bitten solte, daß er Morgen frühe mit Aufgang
der Sonnen nebst 14. redlichen Leuten bey ihm ein-
ziehen dürffte. Es lief also augenblicklich einer hur-
tig davon, um diese Commission auszurichten, die
übrigen zwey aber setzten sich nebst uns zum Feuer,
ein Glaß Canari-Sect zu trincken, und liessen sich
vom Capitain erzehlen, wie es uns auf der Reise er-
gangen sey.

Jch vor meine Person, da in vergangenen 2.
Nächten nicht ein Auge zugethan hatte, konte nun-
mehro, da ich den Hafen meines Vergnügens er-
reicht haben solte, unmöglich mehr wachen, sondern
schlieff bald ein, ermunterte mich auch nicht eher, biß
mich der Capitain beym Aufgange der Sonnen er-
weckte. Meine Verwunderung war ungemein,
da ich etliche 30. ansehnliche Männer in frembder
doch recht guter Tracht um uns herum sahe, sie um-
armeten und küsseten mich alle ordentlich nach ein-
ander, und redeten so feines Hoch-Teutsch, als ob
sie gebohrne Sachsen wären. Der Capitain hatte
indessen das Früh-Stück besorgt, welches in Coffee,
Frantz-Brandtewein, Zucker-Brodt und andern
Confituren bestund. So bald dieses verzehret war,
blieben etwa 12. Mann bey unsern Sachen, die
übrigen aber giengen mit uns nach der Gegend des
Flusses, bey welchen wir gestern Abend gewesen

waren.

vor Freuden in die Hoͤhe ſprungen, und einer nach
dem andern mich umfiengen und kuͤſſeten. Nachdem
ſolchergeſtalt auch alle unſere Reiſe-Gefaͤhrten be-
willkommet waren, bat der Capitain meine fremb-
den Vettern, daß einer von ihnen hinauf ſteigen, dem
Altvater ſeinen Gehorſam vermelden, anbey Erlaub-
niß bitten ſolte, daß er Morgen fruͤhe mit Aufgang
der Sonnen nebſt 14. redlichen Leuten bey ihm ein-
ziehen duͤrffte. Es lief alſo augenblicklich einer hur-
tig davon, um dieſe Commiſſion auszurichten, die
uͤbrigen zwey aber ſetzten ſich nebſt uns zum Feuer,
ein Glaß Canari-Sect zu trincken, und lieſſen ſich
vom Capitain erzehlen, wie es uns auf der Reiſe er-
gangen ſey.

Jch vor meine Perſon, da in vergangenen 2.
Naͤchten nicht ein Auge zugethan hatte, konte nun-
mehro, da ich den Hafen meines Vergnuͤgens er-
reicht haben ſolte, unmoͤglich mehr wachen, ſondern
ſchlieff bald ein, ermunterte mich auch nicht eher, biß
mich der Capitain beym Aufgange der Sonnen er-
weckte. Meine Verwunderung war ungemein,
da ich etliche 30. anſehnliche Maͤnner in frembder
doch recht guter Tracht um uns herum ſahe, ſie um-
armeten und kuͤſſeten mich alle ordentlich nach ein-
ander, und redeten ſo feines Hoch-Teutſch, als ob
ſie gebohrne Sachſen waͤren. Der Capitain hatte
indeſſen das Fruͤh-Stuͤck beſorgt, welches in Coffeé,
Frantz-Brandtewein, Zucker-Brodt und andern
Confituren beſtund. So bald dieſes verzehret war,
blieben etwa 12. Mann bey unſern Sachen, die
uͤbrigen aber giengen mit uns nach der Gegend des
Fluſſes, bey welchen wir geſtern Abend geweſen

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[98/0110] vor Freuden in die Hoͤhe ſprungen, und einer nach dem andern mich umfiengen und kuͤſſeten. Nachdem ſolchergeſtalt auch alle unſere Reiſe-Gefaͤhrten be- willkommet waren, bat der Capitain meine fremb- den Vettern, daß einer von ihnen hinauf ſteigen, dem Altvater ſeinen Gehorſam vermelden, anbey Erlaub- niß bitten ſolte, daß er Morgen fruͤhe mit Aufgang der Sonnen nebſt 14. redlichen Leuten bey ihm ein- ziehen duͤrffte. Es lief alſo augenblicklich einer hur- tig davon, um dieſe Commiſſion auszurichten, die uͤbrigen zwey aber ſetzten ſich nebſt uns zum Feuer, ein Glaß Canari-Sect zu trincken, und lieſſen ſich vom Capitain erzehlen, wie es uns auf der Reiſe er- gangen ſey. Jch vor meine Perſon, da in vergangenen 2. Naͤchten nicht ein Auge zugethan hatte, konte nun- mehro, da ich den Hafen meines Vergnuͤgens er- reicht haben ſolte, unmoͤglich mehr wachen, ſondern ſchlieff bald ein, ermunterte mich auch nicht eher, biß mich der Capitain beym Aufgange der Sonnen er- weckte. Meine Verwunderung war ungemein, da ich etliche 30. anſehnliche Maͤnner in frembder doch recht guter Tracht um uns herum ſahe, ſie um- armeten und kuͤſſeten mich alle ordentlich nach ein- ander, und redeten ſo feines Hoch-Teutſch, als ob ſie gebohrne Sachſen waͤren. Der Capitain hatte indeſſen das Fruͤh-Stuͤck beſorgt, welches in Coffeé, Frantz-Brandtewein, Zucker-Brodt und andern Confituren beſtund. So bald dieſes verzehret war, blieben etwa 12. Mann bey unſern Sachen, die uͤbrigen aber giengen mit uns nach der Gegend des Fluſſes, bey welchen wir geſtern Abend geweſen waren.

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/110>, abgerufen am 28.11.2024.