bald, nach meinen Verlangen mich ohne Aufseher, oder wie es zu weilen heissen muß, Hofmeister, mit 300. fl. und einem Wechsel-Briefe auf 1000. Thl. nach Leipzig zu schaffen, allwo ich den 4. Mart. 1725. glücklich ankam.
Wer die Beschaffenheit dieses in der gantzen Welt berühmten Orts nur einigermassen weiß, wird leichtlich glauben: daß ein junger Pursche, mit so vielem baaren Gelde versehen, daselbst allerhand Arten von vergnügten Zeit-Vertreibe zu suchen Gelegenheit findet. Jedennoch war mein Gemü- the mit beständiger Schwermüthigkeit angefüllet, ausser wenn ich meine Collegia frequentirte und in meinem Museo mit den Todten conversirte.
Ein Lands- Mann von mir, Mons. H. - - - genannt merckte mein Malheur bald, weil er ein Mediciner war, der seine Hand allbereit mit grö- der Raison nach dem Doctor-Hute ausstreckte. De- rowegen sagte er einmahls sehr vertraulich: Lieber Herr Lands-Mann, ich weiß gantz gewiß, daß sie nicht die geringste Ursache haben, sich in der Welt über etwas zu chagriniren, ausgenommen den Ver- lust ihrer seel. Frau-Mutter. Als ein vernünfftiger Mensch aber können sie sich dieserwegen so hefftig und langwierig nicht betrüben, erstlich: weil sie de- ren Seeligkeit vollkommen versichert sind, vors andere: da sie annoch einen solchen Vater ha- ben, von dem sie alles erwarten können, was von ihm und der Mutter zugleich zu hoffen gewesen. An- derer Motiven voritzo zu geschweigen. Jch setze aber meinen Kopff zum Pfande, daß ihr niederge- sehlagenes Wesen vielmehr von einer übeln Di-
sposi-
bald, nach meinen Verlangen mich ohne Aufſeher, oder wie es zu weilen heiſſen muß, Hofmeiſter, mit 300. fl. und einem Wechſel-Briefe auf 1000. Thl. nach Leipzig zu ſchaffen, allwo ich den 4. Mart. 1725. gluͤcklich ankam.
Wer die Beſchaffenheit dieſes in der gantzen Welt beruͤhmten Orts nur einigermaſſen weiß, wird leichtlich glauben: daß ein junger Purſche, mit ſo vielem baaren Gelde verſehen, daſelbſt allerhand Arten von vergnuͤgten Zeit-Vertreibe zu ſuchen Gelegenheit findet. Jedennoch war mein Gemuͤ- the mit beſtaͤndiger Schwermuͤthigkeit angefuͤllet, auſſer wenn ich meine Collegia frequentirte und in meinem Muſeo mit den Todten converſirte.
Ein Lands- Mann von mir, Monſ. H. ‒ ‒ ‒ genannt merckte mein Malheur bald, weil er ein Mediciner war, der ſeine Hand allbereit mit groͤ- der Raiſon nach dem Doctor-Hute ausſtreckte. De- rowegen ſagte er einmahls ſehr vertraulich: Lieber Herr Lands-Mann, ich weiß gantz gewiß, daß ſie nicht die geringſte Urſache haben, ſich in der Welt uͤber etwas zu chagriniren, ausgenom̃en den Ver- luſt ihrer ſeel. Frau-Mutter. Als ein vernuͤnfftiger Menſch aber koͤnnen ſie ſich dieſerwegen ſo hefftig und langwierig nicht betruͤben, erſtlich: weil ſie de- ren Seeligkeit vollkommen verſichert ſind, vors andere: da ſie annoch einen ſolchen Vater ha- ben, von dem ſie alles erwarten koͤnnen, was von ihm und der Mutter zugleich zu hoffen geweſen. An- derer Motiven voritzo zu geſchweigen. Jch ſetze aber meinen Kopff zum Pfande, daß ihr niederge- ſehlagenes Weſen vielmehr von einer uͤbeln Di-
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[4/0016]
bald, nach meinen Verlangen mich ohne Aufſeher,
oder wie es zu weilen heiſſen muß, Hofmeiſter, mit
300. fl. und einem Wechſel-Briefe auf 1000. Thl.
nach Leipzig zu ſchaffen, allwo ich den 4. Mart. 1725.
gluͤcklich ankam.
Wer die Beſchaffenheit dieſes in der gantzen
Welt beruͤhmten Orts nur einigermaſſen weiß,
wird leichtlich glauben: daß ein junger Purſche, mit
ſo vielem baaren Gelde verſehen, daſelbſt allerhand
Arten von vergnuͤgten Zeit-Vertreibe zu ſuchen
Gelegenheit findet. Jedennoch war mein Gemuͤ-
the mit beſtaͤndiger Schwermuͤthigkeit angefuͤllet,
auſſer wenn ich meine Collegia frequentirte und
in meinem Muſeo mit den Todten converſirte.
Ein Lands- Mann von mir, Monſ. H. ‒ ‒ ‒
genannt merckte mein Malheur bald, weil er ein
Mediciner war, der ſeine Hand allbereit mit groͤ-
der Raiſon nach dem Doctor-Hute ausſtreckte. De-
rowegen ſagte er einmahls ſehr vertraulich: Lieber
Herr Lands-Mann, ich weiß gantz gewiß, daß ſie
nicht die geringſte Urſache haben, ſich in der Welt
uͤber etwas zu chagriniren, ausgenom̃en den Ver-
luſt ihrer ſeel. Frau-Mutter. Als ein vernuͤnfftiger
Menſch aber koͤnnen ſie ſich dieſerwegen ſo hefftig
und langwierig nicht betruͤben, erſtlich: weil ſie de-
ren Seeligkeit vollkommen verſichert ſind, vors
andere: da ſie annoch einen ſolchen Vater ha-
ben, von dem ſie alles erwarten koͤnnen, was von
ihm und der Mutter zugleich zu hoffen geweſen. An-
derer Motiven voritzo zu geſchweigen. Jch ſetze
aber meinen Kopff zum Pfande, daß ihr niederge-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/16>, abgerufen am 03.12.2024.
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