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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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trachtete, und mich rechter Hand nach einer halb
offen stehenden Seiten-Thür wandte. Nachdem
aber selbige völlig eröffnet hatte, und gerade vor
mich hingieng, that der mir folgende Lemelie ei-
nen lauten Schrey und sanck ohnversehens in Ohn-
macht nieder zur Erden. Wolte GOTT, seine
lasterhaffte Seele hätte damahls den schändlichen
Cörper gäntzlich verlassen! so aber riß ihn van Leu-
ven
gleich zurück an die frische Lufft, rieb ihm die
Nase und das Gesicht so lange, biß er sich etwas
wieder ermunterte, worauf wir ihn allda liegen
liessen, und das Gewölbe rechter Hand aufs neue
betraten. Hier kam uns nun dasjenige, wovor sich
Lemelie so grausam entsetzt hatte, gar bald zu Ge-
sichte. Denn in dem Winckel lincker Hand saß
ein solcher Mann, dergleichen mir vergangene
Nacht erschienen, auf einem in Stein gehauenen
Sessel, als ob er schlieffe, indem er sein Haupt mit
dem einen Arme auf den darbey befindlichen Tisch
gestützt, die andere Hand aber auf dem Tische aus-
gestreckt liegen hatte. Uber dem Tische an der
Wand hieng eine 4. eckigte Lampe, und auf dem-
selben waren, nebst etlichen Speise-und Trinck-Ge-
schirren, 2. grosse, und eine etwas kleinere Tafel
mit Schrifften befindlich, welche 3. letztern Stücke
wir heraus ans Licht trugen, und in der ersten Tasel
die dem Ansehen nach aus einem zinnern Teller
geschlagen, und sauber abgeschabt war, folgende
Lateinische Zeilen eingegraben sahen, und sehr deut-
lich lesen konten.

Mit diesen Worten stund unser Altvater Alber-
tus Julius
auf, und langete aus einem Kasten ver-

schie-

trachtete, und mich rechter Hand nach einer halb
offen ſtehenden Seiten-Thuͤr wandte. Nachdem
aber ſelbige voͤllig eroͤffnet hatte, und gerade vor
mich hingieng, that der mir folgende Lemelie ei-
nen lauten Schrey und ſanck ohnverſehens in Ohn-
macht nieder zur Erden. Wolte GOTT, ſeine
laſterhaffte Seele haͤtte damahls den ſchaͤndlichen
Coͤrper gaͤntzlich verlaſſen! ſo aber riß ihn van Leu-
ven
gleich zuruͤck an die friſche Lufft, rieb ihm die
Naſe und das Geſicht ſo lange, biß er ſich etwas
wieder ermunterte, worauf wir ihn allda liegen
lieſſen, und das Gewoͤlbe rechter Hand aufs neue
betraten. Hier kam uns nun dasjenige, wovor ſich
Lemelie ſo grauſam entſetzt hatte, gar bald zu Ge-
ſichte. Denn in dem Winckel lincker Hand ſaß
ein ſolcher Mann, dergleichen mir vergangene
Nacht erſchienen, auf einem in Stein gehauenen
Seſſel, als ob er ſchlieffe, indem er ſein Haupt mit
dem einen Arme auf den darbey befindlichen Tiſch
geſtuͤtzt, die andere Hand aber auf dem Tiſche aus-
geſtreckt liegen hatte. Uber dem Tiſche an der
Wand hieng eine 4. eckigte Lampe, und auf dem-
ſelben waren, nebſt etlichen Speiſe-und Trinck-Ge-
ſchirren, 2. groſſe, und eine etwas kleinere Tafel
mit Schrifften befindlich, welche 3. letztern Stuͤcke
wir heraus ans Licht trugen, und in der erſten Taſel
die dem Anſehen nach aus einem zinnern Teller
geſchlagen, und ſauber abgeſchabt war, folgende
Lateiniſche Zeilen eingegraben ſahen, und ſehr deut-
lich leſen konten.

Mit dieſen Worten ſtund unſer Altvater Alber-
tus Julius
auf, und langete aus einem Kaſten ver-

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[178/0192] trachtete, und mich rechter Hand nach einer halb offen ſtehenden Seiten-Thuͤr wandte. Nachdem aber ſelbige voͤllig eroͤffnet hatte, und gerade vor mich hingieng, that der mir folgende Lemelie ei- nen lauten Schrey und ſanck ohnverſehens in Ohn- macht nieder zur Erden. Wolte GOTT, ſeine laſterhaffte Seele haͤtte damahls den ſchaͤndlichen Coͤrper gaͤntzlich verlaſſen! ſo aber riß ihn van Leu- ven gleich zuruͤck an die friſche Lufft, rieb ihm die Naſe und das Geſicht ſo lange, biß er ſich etwas wieder ermunterte, worauf wir ihn allda liegen lieſſen, und das Gewoͤlbe rechter Hand aufs neue betraten. Hier kam uns nun dasjenige, wovor ſich Lemelie ſo grauſam entſetzt hatte, gar bald zu Ge- ſichte. Denn in dem Winckel lincker Hand ſaß ein ſolcher Mann, dergleichen mir vergangene Nacht erſchienen, auf einem in Stein gehauenen Seſſel, als ob er ſchlieffe, indem er ſein Haupt mit dem einen Arme auf den darbey befindlichen Tiſch geſtuͤtzt, die andere Hand aber auf dem Tiſche aus- geſtreckt liegen hatte. Uber dem Tiſche an der Wand hieng eine 4. eckigte Lampe, und auf dem- ſelben waren, nebſt etlichen Speiſe-und Trinck-Ge- ſchirren, 2. groſſe, und eine etwas kleinere Tafel mit Schrifften befindlich, welche 3. letztern Stuͤcke wir heraus ans Licht trugen, und in der erſten Taſel die dem Anſehen nach aus einem zinnern Teller geſchlagen, und ſauber abgeſchabt war, folgende Lateiniſche Zeilen eingegraben ſahen, und ſehr deut- lich leſen konten. Mit dieſen Worten ſtund unſer Altvater Alber- tus Julius auf, und langete aus einem Kaſten ver- ſchie-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/192>, abgerufen am 21.11.2024.