zu uns, und giengen, um die letztern recht durch zu studiren, hinauf in Mons. van Leuvens grüne Hütte, allwo wir den übrigen Theil des Tages biß in die späte Nacht mit Lesen und verteutschen zubracht, und allerhand höchst-angenehme Nach- richten fanden, die uns und den künfftigen Bewoh- nern der Jnsul gantz vortrefliche Vortheile verspre- chen konten.
Es war allbereit an dem, daß der Tag anbrechen wolte/ da van Leuven und ich, wiewohl noch nicht vom Lesen ermüdet, sondern morgender Arbeit wegen die Ruhe zu suchen vor dienlich hielten; in- dem Concordia schon schlieff, der faule Lemelie aber seit etlichen Stunden von uns zu seiner Schlaf- Stärte gegangen war. Jch nahm derowegen meinen Weg auch dahin, fand aber den Lemelie unterwegs wohl 10. Schritt vor unserer Hütte, krum zusammen gezogen liegen, und als einen Wurm winseln. Auf Befragen, was er da ma- che? fing er entsetzlich zu fluchen, und endlich zu sa- gen an: Vermaledeyet ist der verdammte Cörper, den ihr diesen Tag begraben habt, denn das ver- fluchte Scheusal, über welches man ohnfehlbar keine Seelmessen gehalten hat, ist mir vor etlichen Stunden erschienen, und hat mein en Leib erbärm- lich zugerichtet. Jch dachte gleich in meinem Hertzen, daß dieses seiner Sünden Schuld sey, indem ich von Jugend auf gehöret, daß man mit verstorbenen Leuten kein Gespötte treiben solle; wolte ihn auch aufrichten, und in unsere Hütte füh- ren, doch weil er dahin durch aus nicht wolte, brach- te ich den elenden Menschen endlich mit grosser Mü-
he
zu uns, und giengen, um die letztern recht durch zu ſtudiren, hinauf in Monſ. van Leuvens gruͤne Huͤtte, allwo wir den uͤbrigen Theil des Tages biß in die ſpaͤte Nacht mit Leſen und verteutſchen zubracht, und allerhand hoͤchſt-angenehme Nach- richten fanden, die uns und den kuͤnfftigen Bewoh- nern der Jnſul gantz vortrefliche Vortheile verſpre- chen konten.
Es war allbereit an dem, daß der Tag anbrechen wolte/ da van Leuven und ich, wiewohl noch nicht vom Leſen ermuͤdet, ſondern morgender Arbeit wegen die Ruhe zu ſuchen vor dienlich hielten; in- dem Concordia ſchon ſchlieff, der faule Lemelie aber ſeit etlichen Stunden von uns zu ſeiner Schlaf- Staͤrte gegangen war. Jch nahm derowegen meinen Weg auch dahin, fand aber den Lemelie unterwegs wohl 10. Schritt vor unſerer Huͤtte, krum zuſammen gezogen liegen, und als einen Wurm winſeln. Auf Befragen, was er da ma- che? fing er entſetzlich zu fluchen, und endlich zu ſa- gen an: Vermaledeyet iſt der verdammte Coͤrper, den ihr dieſen Tag begraben habt, denn das ver- fluchte Scheuſal, uͤber welches man ohnfehlbar keine Seelmeſſen gehalten hat, iſt mir vor etlichen Stunden erſchienen, und hat mein en Leib erbaͤrm- lich zugerichtet. Jch dachte gleich in meinem Hertzen, daß dieſes ſeiner Suͤnden Schuld ſey, indem ich von Jugend auf gehoͤret, daß man mit verſtorbenen Leuten kein Geſpoͤtte treiben ſolle; wolte ihn auch aufrichten, und in unſere Huͤtte fuͤh- ren, doch weil er dahin durch aus nicht wolte, brach- te ich den elenden Menſchen endlich mit groſſer Muͤ-
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[189/0203]
zu uns, und giengen, um die letztern recht durch zu
ſtudiren, hinauf in Monſ. van Leuvens gruͤne
Huͤtte, allwo wir den uͤbrigen Theil des Tages
biß in die ſpaͤte Nacht mit Leſen und verteutſchen
zubracht, und allerhand hoͤchſt-angenehme Nach-
richten fanden, die uns und den kuͤnfftigen Bewoh-
nern der Jnſul gantz vortrefliche Vortheile verſpre-
chen konten.
Es war allbereit an dem, daß der Tag anbrechen
wolte/ da van Leuven und ich, wiewohl noch nicht
vom Leſen ermuͤdet, ſondern morgender Arbeit
wegen die Ruhe zu ſuchen vor dienlich hielten; in-
dem Concordia ſchon ſchlieff, der faule Lemelie
aber ſeit etlichen Stunden von uns zu ſeiner Schlaf-
Staͤrte gegangen war. Jch nahm derowegen
meinen Weg auch dahin, fand aber den Lemelie
unterwegs wohl 10. Schritt vor unſerer Huͤtte,
krum zuſammen gezogen liegen, und als einen
Wurm winſeln. Auf Befragen, was er da ma-
che? fing er entſetzlich zu fluchen, und endlich zu ſa-
gen an: Vermaledeyet iſt der verdammte Coͤrper,
den ihr dieſen Tag begraben habt, denn das ver-
fluchte Scheuſal, uͤber welches man ohnfehlbar
keine Seelmeſſen gehalten hat, iſt mir vor etlichen
Stunden erſchienen, und hat mein en Leib erbaͤrm-
lich zugerichtet. Jch dachte gleich in meinem
Hertzen, daß dieſes ſeiner Suͤnden Schuld ſey,
indem ich von Jugend auf gehoͤret, daß man mit
verſtorbenen Leuten kein Geſpoͤtte treiben ſolle;
wolte ihn auch aufrichten, und in unſere Huͤtte fuͤh-
ren, doch weil er dahin durch aus nicht wolte, brach-
te ich den elenden Menſchen endlich mit groſſer Muͤ-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/203>, abgerufen am 22.11.2024.
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