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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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oder wolte, sie mit sinckenden Tage in die Laubhütte
führen durfften. Nachdem ich auf ihr sehnliches
Bitten versprochen: alle Mühe und Kunst anzuwen-
den, den verunglückten Cörper ihres werthen Scha-
tzes herauf zu schaffen.

Ohngeacht aber Concordia und ich in vergan-
genen Nacht fast wenig oder nichts geschlaffen hat-
ten, so konten wir doch auch diese Nacht, wegen des
allzugrossen Jammers, noch keinen Schlaff in un-
sere Augen kriegen, sondern ich nahm die Bibel und
laß der Concordia hieraus die kräfftigsten Trost-
Psalmen und Capitel vor, wodurch ihr vorheriges
unruhiges und zur Verzweiffelung geneigtes Ge-
müthe in merckliche Ruhe gesetzt wurde. Jndem sie,
ob schon das Weinen und Klagen nicht unterließ,
dennoch so viel zu vernehmen gab, daß sie allen Fleiß
anwenden wolte, sich mit Gedult in ihr klägliches
Verhängniß zu schicken, indem freylich gewiß wäre,
daß uns ohne Gottes Willen kein Unglück begegnen
könne. Jhre damaligen reformirten Glaubens-
Gründe trugen gewisser massen ein vieles zu der von
mir gewünschten Beruhigung bey, doch nachhero
hat sie diese verdächtigen Hülffs-Mittel besser erken-
nen, und sich durch mein Zureden, aus GOttes
Wort kräfftiger trösten lernen.

Gegen Morgen schlief die biß in den Tod betrüb-
te Concordia etwa ein paar Stunden, ich that der-
gleichen, Lemelie aber, der die gantze Nacht hindurch
als ein Ratz geschlaffen hatte, stund auf, wünschte
der Concordia zum guten Morgen, daß sie sich
bey einer Sache, die nunmehro unmöglich zu än-

dern

oder wolte, ſie mit ſinckenden Tage in die Laubhuͤtte
fuͤhren durfften. Nachdem ich auf ihr ſehnliches
Bitten verſprochen: alle Muͤhe und Kunſt anzuwen-
den, den verungluͤckten Coͤrper ihres werthen Scha-
tzes herauf zu ſchaffen.

Ohngeacht aber Concordia und ich in vergan-
genen Nacht faſt wenig oder nichts geſchlaffen hat-
ten, ſo konten wir doch auch dieſe Nacht, wegen des
allzugroſſen Jammers, noch keinen Schlaff in un-
ſere Augen kriegen, ſondern ich nahm die Bibel und
laß der Concordia hieraus die kraͤfftigſten Troſt-
Pſalmen und Capitel vor, wodurch ihr vorheriges
unruhiges und zur Verzweiffelung geneigtes Ge-
muͤthe in merckliche Ruhe geſetzt wurde. Jndem ſie,
ob ſchon das Weinen und Klagen nicht unterließ,
dennoch ſo viel zu vernehmen gab, daß ſie allen Fleiß
anwenden wolte, ſich mit Gedult in ihr klaͤgliches
Verhaͤngniß zu ſchicken, indem freylich gewiß waͤre,
daß uns ohne Gottes Willen kein Ungluͤck begegnen
koͤnne. Jhre damaligen reformirten Glaubens-
Gruͤnde trugen gewiſſer maſſen ein vieles zu der von
mir gewuͤnſchten Beruhigung bey, doch nachhero
hat ſie dieſe verdaͤchtigen Huͤlffs-Mittel beſſer erken-
nen, und ſich durch mein Zureden, aus GOttes
Wort kraͤfftiger troͤſten lernen.

Gegen Morgen ſchlief die biß in den Tod betruͤb-
te Concordia etwa ein paar Stunden, ich that der-
gleichen, Lemelie aber, der die gantze Nacht hindurch
als ein Ratz geſchlaffen hatte, ſtund auf, wuͤnſchte
der Concordia zum guten Morgen, daß ſie ſich
bey einer Sache, die nunmehro unmoͤglich zu aͤn-

dern
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[203/0217] oder wolte, ſie mit ſinckenden Tage in die Laubhuͤtte fuͤhren durfften. Nachdem ich auf ihr ſehnliches Bitten verſprochen: alle Muͤhe und Kunſt anzuwen- den, den verungluͤckten Coͤrper ihres werthen Scha- tzes herauf zu ſchaffen. Ohngeacht aber Concordia und ich in vergan- genen Nacht faſt wenig oder nichts geſchlaffen hat- ten, ſo konten wir doch auch dieſe Nacht, wegen des allzugroſſen Jammers, noch keinen Schlaff in un- ſere Augen kriegen, ſondern ich nahm die Bibel und laß der Concordia hieraus die kraͤfftigſten Troſt- Pſalmen und Capitel vor, wodurch ihr vorheriges unruhiges und zur Verzweiffelung geneigtes Ge- muͤthe in merckliche Ruhe geſetzt wurde. Jndem ſie, ob ſchon das Weinen und Klagen nicht unterließ, dennoch ſo viel zu vernehmen gab, daß ſie allen Fleiß anwenden wolte, ſich mit Gedult in ihr klaͤgliches Verhaͤngniß zu ſchicken, indem freylich gewiß waͤre, daß uns ohne Gottes Willen kein Ungluͤck begegnen koͤnne. Jhre damaligen reformirten Glaubens- Gruͤnde trugen gewiſſer maſſen ein vieles zu der von mir gewuͤnſchten Beruhigung bey, doch nachhero hat ſie dieſe verdaͤchtigen Huͤlffs-Mittel beſſer erken- nen, und ſich durch mein Zureden, aus GOttes Wort kraͤfftiger troͤſten lernen. Gegen Morgen ſchlief die biß in den Tod betruͤb- te Concordia etwa ein paar Stunden, ich that der- gleichen, Lemelie aber, der die gantze Nacht hindurch als ein Ratz geſchlaffen hatte, ſtund auf, wuͤnſchte der Concordia zum guten Morgen, daß ſie ſich bey einer Sache, die nunmehro unmoͤglich zu aͤn- dern

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/217>, abgerufen am 23.11.2024.