Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

werden, daß sie sich allezeit auf 20. biß 50. Schritt
von mir entfernt hielten, also meine 3. stündige Mü-
he vergeblich machten, also traf ich meine beyden
Concordien, bey meiner Zurückkunfft, in noch weit
elendern Zustande an, indem sie vor Mattigkeit
kaum noch lechzen konten. Solchergestalt wuste ich
kein ander Mittel, als allen beyden etwas von dem
mit reinen Wasser vermischten Palm-Saffte einzu-
flössen, indem sie sich nun damit ein wenig erquickten,
gab mir der Himmel einen noch glücklichern Einfall.
Denn ich lieff alsobald wieder fort, und trug ein
Körblein voll von der den Europäischen Apricosen
oder Morellen gleichförmigen, doch weit grössern
Frucht ein, schlug die harten Kernen entzwey, und
bereitete aus den inwendigen, welche an Annehmlich-
und Süßigkeit die süssen Mandeln bey weiten über-
treffen, auch noch viel gesünder seyn, eine unvergleich-
lich schöne Milch, so wohl auch ein herrliches Gemü-
se, mit welchen ich das kleine Würmlein ungemein
kräfftig stärcken und ernehren konte.

Concordia vergoß theils vor Schmertzen und
Jammer, theils vor Freuden, daß sich einige Nah-
rung vor ihr Kind gefunden, die heissesten Thränen.
Sie kostete auf mein Zureden die schöne Milch, und
labete sich selbst recht hertzlich daran, ich aber, so bald
ich dieses meeckte: setzte alle unwichtige Arbeit bey
Seite, und that weiter fast nichts anders als derglei-
chen Früchte in grosser Menge einzutragen, und Ker-
nen aufzuschlagen, jedoch durffte nicht mehr als auf
einen Tag und Nacht Milch zubereiten, weil die
übernächtige ihre schmackhaffte Krafft allezeit ver-
lohr.

Sol-

werden, daß ſie ſich allezeit auf 20. biß 50. Schritt
von mir entfernt hielten, alſo meine 3. ſtuͤndige Muͤ-
he vergeblich machten, alſo traf ich meine beyden
Concordien, bey meiner Zuruͤckkunfft, in noch weit
elendern Zuſtande an, indem ſie vor Mattigkeit
kaum noch lechzen konten. Solchergeſtalt wuſte ich
kein ander Mittel, als allen beyden etwas von dem
mit reinen Waſſer vermiſchten Palm-Saffte einzu-
floͤſſen, indem ſie ſich nun damit ein wenig erquickten,
gab mir der Himmel einen noch gluͤcklichern Einfall.
Denn ich lieff alſobald wieder fort, und trug ein
Koͤrblein voll von der den Europaͤiſchen Apricoſen
oder Morellen gleichfoͤrmigen, doch weit groͤſſern
Frucht ein, ſchlug die harten Kernen entzwey, und
bereitete aus den inwendigen, welche an Annehmlich-
und Suͤßigkeit die ſuͤſſen Mandeln bey weiten uͤber-
treffen, auch noch viel geſuͤnder ſeyn, eine unvergleich-
lich ſchoͤne Milch, ſo wohl auch ein herrliches Gemuͤ-
ſe, mit welchen ich das kleine Wuͤrmlein ungemein
kraͤfftig ſtaͤrcken und ernehren konte.

Concordia vergoß theils vor Schmertzen und
Jammer, theils vor Freuden, daß ſich einige Nah-
rung vor ihr Kind gefunden, die heiſſeſten Thraͤnen.
Sie koſtete auf mein Zureden die ſchoͤne Milch, und
labete ſich ſelbſt recht hertzlich daran, ich aber, ſo bald
ich dieſes meeckte: ſetzte alle unwichtige Arbeit bey
Seite, und that weiter faſt nichts anders als derglei-
chen Fruͤchte in groſſer Menge einzutragen, und Ker-
nen aufzuſchlagen, jedoch durffte nicht mehr als auf
einen Tag und Nacht Milch zubereiten, weil die
uͤbernaͤchtige ihre ſchmackhaffte Krafft allezeit ver-
lohr.

Sol-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0244" n="230"/>
werden, daß &#x017F;ie &#x017F;ich allezeit auf 20. biß 50. Schritt<lb/>
von mir entfernt hielten, al&#x017F;o meine 3. &#x017F;tu&#x0364;ndige Mu&#x0364;-<lb/>
he vergeblich machten, al&#x017F;o traf ich meine beyden<lb/><hi rendition="#aq">Concordien,</hi> bey meiner Zuru&#x0364;ckkunfft, in noch weit<lb/>
elendern Zu&#x017F;tande an, indem &#x017F;ie vor Mattigkeit<lb/>
kaum noch lechzen konten. Solcherge&#x017F;talt wu&#x017F;te ich<lb/>
kein ander Mittel, als allen beyden etwas von dem<lb/>
mit reinen Wa&#x017F;&#x017F;er vermi&#x017F;chten Palm-Saffte einzu-<lb/>
flo&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, indem &#x017F;ie &#x017F;ich nun damit ein wenig erquickten,<lb/>
gab mir der Himmel einen noch glu&#x0364;cklichern Einfall.<lb/>
Denn ich lieff al&#x017F;obald wieder fort, und trug ein<lb/>
Ko&#x0364;rblein voll von der den Europa&#x0364;i&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Aprico&#x017F;en</hi><lb/>
oder Morellen gleichfo&#x0364;rmigen, doch weit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern<lb/>
Frucht ein, &#x017F;chlug die harten Kernen entzwey, und<lb/>
bereitete aus den inwendigen, welche an Annehmlich-<lb/>
und Su&#x0364;ßigkeit die &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Mandeln bey weiten u&#x0364;ber-<lb/>
treffen, auch noch viel ge&#x017F;u&#x0364;nder &#x017F;eyn, eine unvergleich-<lb/>
lich &#x017F;cho&#x0364;ne Milch, &#x017F;o wohl auch ein herrliches Gemu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;e, mit welchen ich das kleine Wu&#x0364;rmlein ungemein<lb/>
kra&#x0364;fftig &#x017F;ta&#x0364;rcken und ernehren konte.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">Concordia</hi> vergoß theils vor Schmertzen und<lb/>
Jammer, theils vor Freuden, daß &#x017F;ich einige Nah-<lb/>
rung vor ihr Kind gefunden, die hei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Thra&#x0364;nen.<lb/>
Sie ko&#x017F;tete auf mein Zureden die &#x017F;cho&#x0364;ne Milch, und<lb/>
labete &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t recht hertzlich daran, ich aber, &#x017F;o bald<lb/>
ich die&#x017F;es meeckte: &#x017F;etzte alle unwichtige Arbeit bey<lb/>
Seite, und that weiter fa&#x017F;t nichts anders als derglei-<lb/>
chen Fru&#x0364;chte in gro&#x017F;&#x017F;er Menge einzutragen, und Ker-<lb/>
nen aufzu&#x017F;chlagen, jedoch durffte nicht mehr als auf<lb/>
einen Tag und Nacht Milch zubereiten, weil die<lb/>
u&#x0364;berna&#x0364;chtige ihre &#x017F;chmackhaffte Krafft allezeit ver-<lb/>
lohr.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Sol-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0244] werden, daß ſie ſich allezeit auf 20. biß 50. Schritt von mir entfernt hielten, alſo meine 3. ſtuͤndige Muͤ- he vergeblich machten, alſo traf ich meine beyden Concordien, bey meiner Zuruͤckkunfft, in noch weit elendern Zuſtande an, indem ſie vor Mattigkeit kaum noch lechzen konten. Solchergeſtalt wuſte ich kein ander Mittel, als allen beyden etwas von dem mit reinen Waſſer vermiſchten Palm-Saffte einzu- floͤſſen, indem ſie ſich nun damit ein wenig erquickten, gab mir der Himmel einen noch gluͤcklichern Einfall. Denn ich lieff alſobald wieder fort, und trug ein Koͤrblein voll von der den Europaͤiſchen Apricoſen oder Morellen gleichfoͤrmigen, doch weit groͤſſern Frucht ein, ſchlug die harten Kernen entzwey, und bereitete aus den inwendigen, welche an Annehmlich- und Suͤßigkeit die ſuͤſſen Mandeln bey weiten uͤber- treffen, auch noch viel geſuͤnder ſeyn, eine unvergleich- lich ſchoͤne Milch, ſo wohl auch ein herrliches Gemuͤ- ſe, mit welchen ich das kleine Wuͤrmlein ungemein kraͤfftig ſtaͤrcken und ernehren konte. Concordia vergoß theils vor Schmertzen und Jammer, theils vor Freuden, daß ſich einige Nah- rung vor ihr Kind gefunden, die heiſſeſten Thraͤnen. Sie koſtete auf mein Zureden die ſchoͤne Milch, und labete ſich ſelbſt recht hertzlich daran, ich aber, ſo bald ich dieſes meeckte: ſetzte alle unwichtige Arbeit bey Seite, und that weiter faſt nichts anders als derglei- chen Fruͤchte in groſſer Menge einzutragen, und Ker- nen aufzuſchlagen, jedoch durffte nicht mehr als auf einen Tag und Nacht Milch zubereiten, weil die uͤbernaͤchtige ihre ſchmackhaffte Krafft allezeit ver- lohr. Sol-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/244
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/244>, abgerufen am 23.11.2024.