Solchergestalt befand sich nun nicht allein das Kind vollkommen befriediget, sondern die Mutter konte 4. Tage hernach selbiges zu aller Freude aus ihrer Brust stillen, und am 6ten Tage frisch und ge- sund das Bette verlassen, auch, wiewol wider mei- nen Rath, allerhand Arbeit mit verrichten. Wir danckten dem Allmächtigen hertzlich mit beten und singen vor dessen augenscheinliche Hülffe, und mei- neten nunmehro in so weit ausser aller Gefahr zu seyn; Allein die Reihe des kranckliegens war nun an mir, denn weil ich meine Haupt-Wunde nicht so wohl als die auf der Schulter warten können, gerieth die- selbe erstlich nach 12. Tagen dermassen schlimm, daß mir der Kopff hefftig aufschwoll, und die innerliche grosse Hitze den gantzen Cörper aufs grausamste ü- berfiel.
War mein Bezeugen bey Concordiens Unpäß- lichkeit ängstlich und sorgfältig gewesen, so muß ich im gegentheil bekennen, daß ihre Bekümmerniß die meinige zu übertreffen schien, indem sie mich besser als sich und ihr Kind selbst pflegte und wartete. Mei- ne Wunden wurden mit ihrer Milch ausgewachsen, und mit darein getauchten Tüchleins bedeckt, mein gantzes Gesichte, Hände und Füsse aber belegte sie mit dergleichen Blättern, welche ihr so gute Dien- ste gethan hatten, suchte mich anbey mit den kräff- tigsten Speisen und Geträncke, so nur zu erfinden waren, zu erqvicken. Allein es wolte binnen 10. Ta- gen nicht das geringste anschlagen, sondern meine Kranckheit schien immer mehr zu als ab zu nehmen, welches Concordia, ohngeacht ich mich stärcker stellete, als ich in der That war, dennoch merckte,
und
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Solchergeſtalt befand ſich nun nicht allein das Kind vollkommen befriediget, ſondern die Mutter konte 4. Tage hernach ſelbiges zu aller Freude aus ihrer Bruſt ſtillen, und am 6ten Tage friſch und ge- ſund das Bette verlaſſen, auch, wiewol wider mei- nen Rath, allerhand Arbeit mit verrichten. Wir danckten dem Allmaͤchtigen hertzlich mit beten und ſingen vor deſſen augenſcheinliche Huͤlffe, und mei- neten nunmehro in ſo weit auſſer aller Gefahr zu ſeyn; Allein die Reihe des kranckliegens war nun an mir, denn weil ich meine Haupt-Wunde nicht ſo wohl als die auf der Schulter warten koͤnnen, gerieth die- ſelbe erſtlich nach 12. Tagen dermaſſen ſchlimm, daß mir der Kopff hefftig aufſchwoll, und die innerliche groſſe Hitze den gantzen Coͤrper aufs grauſamſte uͤ- berfiel.
War mein Bezeugen bey Concordiens Unpaͤß- lichkeit aͤngſtlich und ſorgfaͤltig geweſen, ſo muß ich im gegentheil bekennen, daß ihre Bekuͤmmerniß die meinige zu uͤbertreffen ſchien, indem ſie mich beſſer als ſich und ihr Kind ſelbſt pflegte und wartete. Mei- ne Wunden wurden mit ihrer Milch ausgewachſen, und mit darein getauchten Tuͤchleins bedeckt, mein gantzes Geſichte, Haͤnde und Fuͤſſe aber belegte ſie mit dergleichen Blaͤttern, welche ihr ſo gute Dien- ſte gethan hatten, ſuchte mich anbey mit den kraͤff- tigſten Speiſen und Getraͤncke, ſo nur zu erfinden waren, zu erqvicken. Allein es wolte binnen 10. Ta- gen nicht das geringſte anſchlagen, ſondern meine Kranckheit ſchien immer mehr zu als ab zu nehmen, welches Concordia, ohngeacht ich mich ſtaͤrcker ſtellete, als ich in der That war, dennoch merckte,
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Solchergeſtalt befand ſich nun nicht allein das
Kind vollkommen befriediget, ſondern die Mutter
konte 4. Tage hernach ſelbiges zu aller Freude aus
ihrer Bruſt ſtillen, und am 6ten Tage friſch und ge-
ſund das Bette verlaſſen, auch, wiewol wider mei-
nen Rath, allerhand Arbeit mit verrichten. Wir
danckten dem Allmaͤchtigen hertzlich mit beten und
ſingen vor deſſen augenſcheinliche Huͤlffe, und mei-
neten nunmehro in ſo weit auſſer aller Gefahr zu ſeyn;
Allein die Reihe des kranckliegens war nun an mir,
denn weil ich meine Haupt-Wunde nicht ſo wohl
als die auf der Schulter warten koͤnnen, gerieth die-
ſelbe erſtlich nach 12. Tagen dermaſſen ſchlimm, daß
mir der Kopff hefftig aufſchwoll, und die innerliche
groſſe Hitze den gantzen Coͤrper aufs grauſamſte uͤ-
berfiel.
War mein Bezeugen bey Concordiens Unpaͤß-
lichkeit aͤngſtlich und ſorgfaͤltig geweſen, ſo muß ich
im gegentheil bekennen, daß ihre Bekuͤmmerniß die
meinige zu uͤbertreffen ſchien, indem ſie mich beſſer
als ſich und ihr Kind ſelbſt pflegte und wartete. Mei-
ne Wunden wurden mit ihrer Milch ausgewachſen,
und mit darein getauchten Tuͤchleins bedeckt, mein
gantzes Geſichte, Haͤnde und Fuͤſſe aber belegte ſie
mit dergleichen Blaͤttern, welche ihr ſo gute Dien-
ſte gethan hatten, ſuchte mich anbey mit den kraͤff-
tigſten Speiſen und Getraͤncke, ſo nur zu erfinden
waren, zu erqvicken. Allein es wolte binnen 10. Ta-
gen nicht das geringſte anſchlagen, ſondern meine
Kranckheit ſchien immer mehr zu als ab zu nehmen,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/245>, abgerufen am 23.11.2024.
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