viele Arbeits-Stücken liegen, die ich sonsten mit Lust vorzunehmen gewohnt gewesen, nahm an dessen statt in den Nachmittags-Stunden meine Flinte und Zit- ter und stieg auf die Nord-Felsen-Höhe, als wohin ich mir einen gantz ungefährlichen Weg gehauen hatte.
Am Heil. 3. Königs-Tage des 1648ten Jahres Mittags nach verrichtetem Gottesdienste, war ich ebenfalls im Begriff dahin zu steigen, Concordia aber, die solches gewahr wurde, sagte lächelnd: Mons. Albert, ich sehe, daß ihr spatzieren gehen wol- let, nehmet mir nicht übel, wenn ich euch bitte, eure kleine Pflege-Tochter mit zu nehmen, denn ich habe mir eine kleine nöthige Arbeit vorgenommen, wor- bey ich von ihr nicht gern verhindert seyn wolte, sa- get mir aber, wo ihr gegen Abend anzutreffen seyd, damit ich euch nachfolgen und selbige zurück tragen kan. Jch erfüllete ihr Begehren mit gröster Ge- fälligkeit/ nahm meine kleine Schmeichlerin, die so gern bey mir als ihrer Mutter blieb, auf den Arm, versorgte mich mit einer Flasche Palmen-Safft, und etwas übrig gebliebenen Weynachts-Kuchen, hängte meine Zitter und Flinte auf den Rücken, und stieg also beladen den Nord-Felß hinauf. Da- selbst gab ich dem Kinde einige Tändeleyen zu spie- len, stützte einen Arm unter den Kopff, sahe auf die See, und hieng den unruhigen Gedancken wegen meines Schicksals ziemlich lange nach. Endlich ergriff ich die Zitter und sang etliche Lieder drein, welche ich theils zu Ausschüttung meiner Klagen, theils zur Gemüths-Beruhigung aufgesetzt hatte. Da aber die kleine Schmeichlerin über dieser Mu-
sic
viele Arbeits-Stuͤcken liegen, die ich ſonſten mit Luſt vorzunehmen gewohnt geweſen, nahm an deſſen ſtatt in den Nachmittags-Stunden meine Flinte und Zit- ter und ſtieg auf die Nord-Felſen-Hoͤhe, als wohin ich mir einen gantz ungefaͤhrlichen Weg gehauen hatte.
Am Heil. 3. Koͤnigs-Tage des 1648ten Jahres Mittags nach verrichtetem Gottesdienſte, war ich ebenfalls im Begriff dahin zu ſteigen, Concordia aber, die ſolches gewahr wurde, ſagte laͤchelnd: Monſ. Albert, ich ſehe, daß ihr ſpatzieren gehen wol- let, nehmet mir nicht uͤbel, wenn ich euch bitte, eure kleine Pflege-Tochter mit zu nehmen, denn ich habe mir eine kleine noͤthige Arbeit vorgenommen, wor- bey ich von ihr nicht gern verhindert ſeyn wolte, ſa- get mir aber, wo ihr gegen Abend anzutreffen ſeyd, damit ich euch nachfolgen und ſelbige zuruͤck tragen kan. Jch erfuͤllete ihr Begehren mit groͤſter Ge- faͤlligkeit/ nahm meine kleine Schmeichlerin, die ſo gern bey mir als ihrer Mutter blieb, auf den Arm, verſorgte mich mit einer Flaſche Palmen-Safft, und etwas uͤbrig gebliebenen Weynachts-Kuchen, haͤngte meine Zitter und Flinte auf den Ruͤcken, und ſtieg alſo beladen den Nord-Felß hinauf. Da- ſelbſt gab ich dem Kinde einige Taͤndeleyen zu ſpie- len, ſtuͤtzte einen Arm unter den Kopff, ſahe auf die See, und hieng den unruhigen Gedancken wegen meines Schickſals ziemlich lange nach. Endlich ergriff ich die Zitter und ſang etliche Lieder drein, welche ich theils zu Ausſchuͤttung meiner Klagen, theils zur Gemuͤths-Beruhigung aufgeſetzt hatte. Da aber die kleine Schmeichlerin uͤber dieſer Mu-
ſic
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0268"n="254"/>
viele Arbeits-Stuͤcken liegen, die ich ſonſten mit Luſt<lb/>
vorzunehmen gewohnt geweſen, nahm an deſſen ſtatt<lb/>
in den Nachmittags-Stunden meine Flinte und Zit-<lb/>
ter und ſtieg auf die Nord-Felſen-Hoͤhe, als wohin<lb/>
ich mir einen gantz ungefaͤhrlichen Weg gehauen<lb/>
hatte.</p><lb/><p>Am Heil. 3. Koͤnigs-Tage des 1648ten Jahres<lb/>
Mittags nach verrichtetem Gottesdienſte, war ich<lb/>
ebenfalls im Begriff dahin zu ſteigen, <hirendition="#aq">Concordia</hi><lb/>
aber, die ſolches gewahr wurde, ſagte laͤchelnd:<lb/><hirendition="#aq">Monſ. Albert,</hi> ich ſehe, daß ihr ſpatzieren gehen wol-<lb/>
let, nehmet mir nicht uͤbel, wenn ich euch bitte, eure<lb/>
kleine Pflege-Tochter mit zu nehmen, denn ich habe<lb/>
mir eine kleine noͤthige Arbeit vorgenommen, wor-<lb/>
bey ich von ihr nicht gern verhindert ſeyn wolte, ſa-<lb/>
get mir aber, wo ihr gegen Abend anzutreffen ſeyd,<lb/>
damit ich euch nachfolgen und ſelbige zuruͤck tragen<lb/>
kan. Jch erfuͤllete ihr Begehren mit groͤſter Ge-<lb/>
faͤlligkeit/ nahm meine kleine Schmeichlerin, die ſo<lb/>
gern bey mir als ihrer Mutter blieb, auf den Arm,<lb/>
verſorgte mich mit einer Flaſche Palmen-Safft,<lb/>
und etwas uͤbrig gebliebenen Weynachts-Kuchen,<lb/>
haͤngte meine Zitter und Flinte auf den Ruͤcken,<lb/>
und ſtieg alſo beladen den Nord-Felß hinauf. Da-<lb/>ſelbſt gab ich dem Kinde einige Taͤndeleyen zu ſpie-<lb/>
len, ſtuͤtzte einen Arm unter den Kopff, ſahe auf die<lb/>
See, und hieng den unruhigen Gedancken wegen<lb/>
meines Schickſals ziemlich lange nach. Endlich<lb/>
ergriff ich die Zitter und ſang etliche Lieder drein,<lb/>
welche ich theils zu Ausſchuͤttung meiner Klagen,<lb/>
theils zur Gemuͤths-Beruhigung aufgeſetzt hatte.<lb/>
Da aber die kleine Schmeichlerin uͤber dieſer <hirendition="#aq">Mu-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">ſic</hi></fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[254/0268]
viele Arbeits-Stuͤcken liegen, die ich ſonſten mit Luſt
vorzunehmen gewohnt geweſen, nahm an deſſen ſtatt
in den Nachmittags-Stunden meine Flinte und Zit-
ter und ſtieg auf die Nord-Felſen-Hoͤhe, als wohin
ich mir einen gantz ungefaͤhrlichen Weg gehauen
hatte.
Am Heil. 3. Koͤnigs-Tage des 1648ten Jahres
Mittags nach verrichtetem Gottesdienſte, war ich
ebenfalls im Begriff dahin zu ſteigen, Concordia
aber, die ſolches gewahr wurde, ſagte laͤchelnd:
Monſ. Albert, ich ſehe, daß ihr ſpatzieren gehen wol-
let, nehmet mir nicht uͤbel, wenn ich euch bitte, eure
kleine Pflege-Tochter mit zu nehmen, denn ich habe
mir eine kleine noͤthige Arbeit vorgenommen, wor-
bey ich von ihr nicht gern verhindert ſeyn wolte, ſa-
get mir aber, wo ihr gegen Abend anzutreffen ſeyd,
damit ich euch nachfolgen und ſelbige zuruͤck tragen
kan. Jch erfuͤllete ihr Begehren mit groͤſter Ge-
faͤlligkeit/ nahm meine kleine Schmeichlerin, die ſo
gern bey mir als ihrer Mutter blieb, auf den Arm,
verſorgte mich mit einer Flaſche Palmen-Safft,
und etwas uͤbrig gebliebenen Weynachts-Kuchen,
haͤngte meine Zitter und Flinte auf den Ruͤcken,
und ſtieg alſo beladen den Nord-Felß hinauf. Da-
ſelbſt gab ich dem Kinde einige Taͤndeleyen zu ſpie-
len, ſtuͤtzte einen Arm unter den Kopff, ſahe auf die
See, und hieng den unruhigen Gedancken wegen
meines Schickſals ziemlich lange nach. Endlich
ergriff ich die Zitter und ſang etliche Lieder drein,
welche ich theils zu Ausſchuͤttung meiner Klagen,
theils zur Gemuͤths-Beruhigung aufgeſetzt hatte.
Da aber die kleine Schmeichlerin uͤber dieſer Mu-
ſic
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/268>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.