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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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ihnen sitzen bleiben, ich aber gieng mit meiner übri-
gen Familie nach Hause, nahm zwey Rollwagen,
spannete vor jeden 4. Affen, kehrete damit wieder
um, legte die Schlaffenden ohne eintzige Empfin-
dung drauf, und brachte dieselben mit einbrechen-
der Nacht in unsere Behausung auf ein gutes La-
ger, welches ihnen mitlerweile meine Hauß-Frau
bereitet hatte. Beyde wachten fast zu gleicher Zeit
nicht früher auf, als andern Tages ohngefehr ein
paar Stunden vor Untergang der Sonnen, und
so bald ich dessen vergewissert war, gieng ich zu ih-
nen in die Kammer, legte vor jeden ein gut Kleid,
nebst weisser Wäsche hin, bat sie möchten solches
anlegen, nachhero zu uns heraus kommen.

Jndessen hatte meine Hauß-Frau eine köstliche
Mahlzeit zubereitet, den besten Wein und ander
Geträncke zurechte gesetzt, auch sich nebst ihren Kin-
dern gantz sauber angekleidet. Wie demnach un-
sere Gäste aus der Kammer traten, fanden sie alles
in der schönsten Ordnung, und blieben nach verrich-
teter Begrüssung als ein paar steinerne Bilder ste-
hen. Meine Kinder musten ihnen das Wasch-
Wasser reichen, welches sie annahmen und um Er-
laubniß baten, sich vor der Thür zu reinigen. Jch
gab ihnen ohne eitle Ceremonien zu verstehen, wie
sie allhier, als ohnfehlbare gute christliche Menschen,
ihre beliebige Gelegenheit brauchen könten, weßwe-
gen sie sich ausserhalb des Hauses, in der freyen Luft
völlig ermunterten, nachhero wieder zu uns kehre-
ten, da denn der alte ohngefehr 60. jährige Mann
also zu reden anfieng: O du gütiger Himmel, welch
ein schönes Paradieß ist dieses? saget uns doch, o ihr

glück-

ihnen ſitzen bleiben, ich aber gieng mit meiner uͤbri-
gen Familie nach Hauſe, nahm zwey Rollwagen,
ſpannete vor jeden 4. Affen, kehrete damit wieder
um, legte die Schlaffenden ohne eintzige Empfin-
dung drauf, und brachte dieſelben mit einbrechen-
der Nacht in unſere Behauſung auf ein gutes La-
ger, welches ihnen mitlerweile meine Hauß-Frau
bereitet hatte. Beyde wachten faſt zu gleicher Zeit
nicht fruͤher auf, als andern Tages ohngefehr ein
paar Stunden vor Untergang der Sonnen, und
ſo bald ich deſſen vergewiſſert war, gieng ich zu ih-
nen in die Kammer, legte vor jeden ein gut Kleid,
nebſt weiſſer Waͤſche hin, bat ſie moͤchten ſolches
anlegen, nachhero zu uns heraus kommen.

Jndeſſen hatte meine Hauß-Frau eine koͤſtliche
Mahlzeit zubereitet, den beſten Wein und ander
Getraͤncke zurechte geſetzt, auch ſich nebſt ihren Kin-
dern gantz ſauber angekleidet. Wie demnach un-
ſere Gaͤſte aus der Kammer traten, fanden ſie alles
in der ſchoͤnſten Ordnung, und blieben nach verrich-
teter Begruͤſſung als ein paar ſteinerne Bilder ſte-
hen. Meine Kinder muſten ihnen das Waſch-
Waſſer reichen, welches ſie annahmen und um Er-
laubniß baten, ſich vor der Thuͤr zu reinigen. Jch
gab ihnen ohne eitle Ceremonien zu verſtehen, wie
ſie allhier, als ohnfehlbare gute chriſtliche Menſchen,
ihre beliebige Gelegenheit brauchen koͤnten, weßwe-
gen ſie ſich auſſerhalb des Hauſes, in der freyen Luft
voͤllig ermunterten, nachhero wieder zu uns kehre-
ten, da denn der alte ohngefehr 60. jaͤhrige Mann
alſo zu reden anfieng: O du guͤtiger Himmel, welch
ein ſchoͤnes Paradieß iſt dieſes? ſaget uns doch, o ihr

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[292/0306] ihnen ſitzen bleiben, ich aber gieng mit meiner uͤbri- gen Familie nach Hauſe, nahm zwey Rollwagen, ſpannete vor jeden 4. Affen, kehrete damit wieder um, legte die Schlaffenden ohne eintzige Empfin- dung drauf, und brachte dieſelben mit einbrechen- der Nacht in unſere Behauſung auf ein gutes La- ger, welches ihnen mitlerweile meine Hauß-Frau bereitet hatte. Beyde wachten faſt zu gleicher Zeit nicht fruͤher auf, als andern Tages ohngefehr ein paar Stunden vor Untergang der Sonnen, und ſo bald ich deſſen vergewiſſert war, gieng ich zu ih- nen in die Kammer, legte vor jeden ein gut Kleid, nebſt weiſſer Waͤſche hin, bat ſie moͤchten ſolches anlegen, nachhero zu uns heraus kommen. Jndeſſen hatte meine Hauß-Frau eine koͤſtliche Mahlzeit zubereitet, den beſten Wein und ander Getraͤncke zurechte geſetzt, auch ſich nebſt ihren Kin- dern gantz ſauber angekleidet. Wie demnach un- ſere Gaͤſte aus der Kammer traten, fanden ſie alles in der ſchoͤnſten Ordnung, und blieben nach verrich- teter Begruͤſſung als ein paar ſteinerne Bilder ſte- hen. Meine Kinder muſten ihnen das Waſch- Waſſer reichen, welches ſie annahmen und um Er- laubniß baten, ſich vor der Thuͤr zu reinigen. Jch gab ihnen ohne eitle Ceremonien zu verſtehen, wie ſie allhier, als ohnfehlbare gute chriſtliche Menſchen, ihre beliebige Gelegenheit brauchen koͤnten, weßwe- gen ſie ſich auſſerhalb des Hauſes, in der freyen Luft voͤllig ermunterten, nachhero wieder zu uns kehre- ten, da denn der alte ohngefehr 60. jaͤhrige Mann alſo zu reden anfieng: O du guͤtiger Himmel, welch ein ſchoͤnes Paradieß iſt dieſes? ſaget uns doch, o ihr gluͤck-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/306>, abgerufen am 24.11.2024.