Schönheit und Zärtlichkeit zum Mitleiden bewegen lässet, müssen sie, nachdem er doch aus besondern Gnaden ihnen ein halbes Brodt und 2. Käse gege- ben,|ihren Stab weiter setzen, werden aber von einer Viehmagd, die ihnen die barmhertzige Müllerin nach geschickt, in eine kleine Bauer-Wohnung des nächst gelegenen Dorffs gesühret, anbey wird ihnen eine halbe Guinee an Gelde überreicht, und der Bauers- Frau befohlen, diese Gäste auf der Müllerin Unko- sten bestens zu bewirthen.
Also haben meine arme Eltern allhier Zeit genung gehabt, ihr Unglück zu bejammern, anbey aber den- noch die besondere Vorsorge GOttes und die Gütig- keit der Müllerin zu preisen, welche fromme Frau meine Mutter wenigstens wöchentlich ein paar mahl besucht, und unter der Hand wider ihres Mannes Wissen reichlich versorget, weiln sie als eine betagte Frau/ die weder Kinder noch andere Erben, als ih- ren unvernünfftigen Mann, dem sie alles zugebracht hatte, sich ein Vergnügen machte, armen Leuten von ihrem Uberflusse gutes zu thun.
Jn der dritten Woche ihres dasigen Aufenthalts kömmt meine Mutter mit mir ins Wochen-Bette, die Müllerin nebst andern Bauers-Leuten werden zu meinen Tauff-Zeugen erwehlet, welche erstere die gantze Ausrichtung aus ihren Beutel bezahlet, und meiner Mutter aufs äuserste verbietet, ihr grosses Armuth niemanden kund zu geben, sondern jeder- man zu bereden, ihr Mann, als mein Vater, sey ein von einem unruhigen Bischoffe vertriebener Schul- meister.
Die-
Y 2
Schoͤnheit und Zaͤrtlichkeit zum Mitleiden bewegen laͤſſet, muͤſſen ſie, nachdem er doch aus beſondern Gnaden ihnen ein halbes Brodt und 2. Kaͤſe gege- ben,|ihren Stab weiter ſetzen, werden aber von einer Viehmagd, die ihnen die barmhertzige Muͤllerin nach geſchickt, in eine kleine Bauer-Wohnung des naͤchſt gelegenen Dorffs geſuͤhret, anbey wird ihnen eine halbe Guinee an Gelde uͤberreicht, und der Bauers- Frau befohlen, dieſe Gaͤſte auf der Muͤllerin Unko- ſten beſtens zu bewirthen.
Alſo haben meine arme Eltern allhier Zeit genung gehabt, ihr Ungluͤck zu bejammern, anbey aber den- noch die beſondere Vorſorge GOttes und die Guͤtig- keit der Muͤllerin zu preiſen, welche fromme Frau meine Mutter wenigſtens woͤchentlich ein paar mahl beſucht, und unter der Hand wider ihres Mannes Wiſſen reichlich verſorget, weiln ſie als eine betagte Frau/ die weder Kinder noch andere Erben, als ih- ren unvernuͤnfftigen Mann, dem ſie alles zugebracht hatte, ſich ein Vergnuͤgen machte, armen Leuten von ihrem Uberfluſſe gutes zu thun.
Jn der dritten Woche ihres daſigen Aufenthalts koͤmmt meine Mutter mit mir ins Wochen-Bette, die Muͤllerin nebſt andern Bauers-Leuten werden zu meinen Tauff-Zeugen erwehlet, welche erſtere die gantze Ausrichtung aus ihren Beutel bezahlet, und meiner Mutter aufs aͤuſerſte verbietet, ihr groſſes Armuth niemanden kund zu geben, ſondern jeder- man zu bereden, ihr Mann, als mein Vater, ſey ein von einem unruhigen Biſchoffe vertriebener Schul- meiſter.
Die-
Y 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0353"n="339"/>
Schoͤnheit und Zaͤrtlichkeit zum Mitleiden bewegen<lb/>
laͤſſet, muͤſſen ſie, nachdem er doch aus beſondern<lb/>
Gnaden ihnen ein halbes Brodt und 2. Kaͤſe gege-<lb/>
ben,|ihren Stab weiter ſetzen, werden aber von einer<lb/>
Viehmagd, die ihnen die barmhertzige Muͤllerin nach<lb/>
geſchickt, in eine kleine Bauer-Wohnung des naͤchſt<lb/>
gelegenen Dorffs geſuͤhret, anbey wird ihnen eine<lb/>
halbe <hirendition="#aq">Guinee</hi> an Gelde uͤberreicht, und der Bauers-<lb/>
Frau befohlen, dieſe Gaͤſte auf der Muͤllerin Unko-<lb/>ſten beſtens zu bewirthen.</p><lb/><p>Alſo haben meine arme Eltern allhier Zeit genung<lb/>
gehabt, ihr Ungluͤck zu bejammern, anbey aber den-<lb/>
noch die beſondere Vorſorge GOttes und die Guͤtig-<lb/>
keit der Muͤllerin zu preiſen, welche fromme Frau<lb/>
meine Mutter wenigſtens woͤchentlich ein paar mahl<lb/>
beſucht, und unter der Hand wider ihres Mannes<lb/>
Wiſſen reichlich verſorget, weiln ſie als eine betagte<lb/>
Frau/ die weder Kinder noch andere Erben, als ih-<lb/>
ren unvernuͤnfftigen Mann, dem ſie alles zugebracht<lb/>
hatte, ſich ein Vergnuͤgen machte, armen Leuten von<lb/>
ihrem Uberfluſſe gutes zu thun.</p><lb/><p>Jn der dritten Woche ihres daſigen Aufenthalts<lb/>
koͤmmt meine Mutter mit mir ins Wochen-Bette,<lb/>
die Muͤllerin nebſt andern Bauers-Leuten werden<lb/>
zu meinen Tauff-Zeugen erwehlet, welche erſtere die<lb/>
gantze Ausrichtung aus ihren Beutel bezahlet, und<lb/>
meiner Mutter aufs aͤuſerſte verbietet, ihr groſſes<lb/>
Armuth niemanden kund zu geben, ſondern jeder-<lb/>
man zu bereden, ihr Mann, als mein Vater, ſey ein<lb/>
von einem unruhigen Biſchoffe vertriebener Schul-<lb/>
meiſter.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Die-</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[339/0353]
Schoͤnheit und Zaͤrtlichkeit zum Mitleiden bewegen
laͤſſet, muͤſſen ſie, nachdem er doch aus beſondern
Gnaden ihnen ein halbes Brodt und 2. Kaͤſe gege-
ben,|ihren Stab weiter ſetzen, werden aber von einer
Viehmagd, die ihnen die barmhertzige Muͤllerin nach
geſchickt, in eine kleine Bauer-Wohnung des naͤchſt
gelegenen Dorffs geſuͤhret, anbey wird ihnen eine
halbe Guinee an Gelde uͤberreicht, und der Bauers-
Frau befohlen, dieſe Gaͤſte auf der Muͤllerin Unko-
ſten beſtens zu bewirthen.
Alſo haben meine arme Eltern allhier Zeit genung
gehabt, ihr Ungluͤck zu bejammern, anbey aber den-
noch die beſondere Vorſorge GOttes und die Guͤtig-
keit der Muͤllerin zu preiſen, welche fromme Frau
meine Mutter wenigſtens woͤchentlich ein paar mahl
beſucht, und unter der Hand wider ihres Mannes
Wiſſen reichlich verſorget, weiln ſie als eine betagte
Frau/ die weder Kinder noch andere Erben, als ih-
ren unvernuͤnfftigen Mann, dem ſie alles zugebracht
hatte, ſich ein Vergnuͤgen machte, armen Leuten von
ihrem Uberfluſſe gutes zu thun.
Jn der dritten Woche ihres daſigen Aufenthalts
koͤmmt meine Mutter mit mir ins Wochen-Bette,
die Muͤllerin nebſt andern Bauers-Leuten werden
zu meinen Tauff-Zeugen erwehlet, welche erſtere die
gantze Ausrichtung aus ihren Beutel bezahlet, und
meiner Mutter aufs aͤuſerſte verbietet, ihr groſſes
Armuth niemanden kund zu geben, ſondern jeder-
man zu bereden, ihr Mann, als mein Vater, ſey ein
von einem unruhigen Biſchoffe vertriebener Schul-
meiſter.
Die-
Y 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/353>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.