dennoch im Jahr 1640. von sehr armen Eltern in einer Bauer-Hütte auf dem Dorffe gebohren wor- den, weiln das Verbrechen meiner Vor-Eltern, so wohl väterlicher als mütterlicher Seite, ihre Nachkommen nicht allein um alles Vermögen, son- dern so gar um ihren sonst ehrlichen Geschlechts- Nahmen gebracht, indem sie denselben aus Noth verläugnen, und sich nachhero schlecht weg Rawkins nennen müssen, um nur in einer frembden Provintz ohne Schimpff ruhig, ob schon elend, zu leben. Mei- ne Eltern, ob sie gleich unschuldig an allen Ubeltha- ten der Jhrigen gewesen, waren doch durch dersel- ben Fall gäntzlich mit niedergeschlagen worden, so, daß sie, einem fürchterlichen Gefängnisse und andern Beschwerlichkeiten zu entgehen, mit ihren besten Sachen die Flucht genommen hatten. Doch, wenn sich das Verhängniß einmahl vorgesetzt hat, un- glückseelige Menschen nachdrücklich zu verfolgen, so müssen sich auch auf der allersichersten Strasse ihre Feinde finden lassen. So war es meinen Eltern ergangen, denn da sie allbereit weit genung hin- weg, also vor ihren Verfolgern sicher zu seyn ver- meinen, werden die armen Leute des Nachts von einer Rotte Strassen-Räuber überfallen, und biß aufs blosse Hembde ausgeplündert und fortgejagt, so, daß sie kaum mit anbrechenden Tage eine Müh- le antreffen können, in welche sie von der barm- hertzigen Müllerin aufgenommen, und mit etlichen alten Kleidern bedeckt werden. Weiln aber der darzu kommende närrische Müller hierüber scheele Augen macht, und sich so wenig durch meiner Eltern gehabtes Unglück, als durch meiner Eltern
Schön-
dennoch im Jahr 1640. von ſehr armen Eltern in einer Bauer-Huͤtte auf dem Dorffe gebohren wor- den, weiln das Verbrechen meiner Vor-Eltern, ſo wohl vaͤterlicher als muͤtterlicher Seite, ihre Nachkommen nicht allein um alles Vermoͤgen, ſon- dern ſo gar um ihren ſonſt ehrlichen Geſchlechts- Nahmen gebracht, indem ſie denſelben aus Noth verlaͤugnen, und ſich nachhero ſchlecht weg Rawkins nennen muͤſſen, um nur in einer frembden Provintz ohne Schimpff ruhig, ob ſchon elend, zu leben. Mei- ne Eltern, ob ſie gleich unſchuldig an allen Ubeltha- ten der Jhrigen geweſen, waren doch durch derſel- ben Fall gaͤntzlich mit niedergeſchlagen worden, ſo, daß ſie, einem fuͤrchterlichen Gefaͤngniſſe und andern Beſchwerlichkeiten zu entgehen, mit ihren beſten Sachen die Flucht genommen hatten. Doch, wenn ſich das Verhaͤngniß einmahl vorgeſetzt hat, un- gluͤckſeelige Menſchen nachdruͤcklich zu verfolgen, ſo muͤſſen ſich auch auf der allerſicherſten Straſſe ihre Feinde finden laſſen. So war es meinen Eltern ergangen, denn da ſie allbereit weit genung hin- weg, alſo vor ihren Verfolgern ſicher zu ſeyn ver- meinen, werden die armen Leute des Nachts von einer Rotte Straſſen-Raͤuber uͤberfallen, und biß aufs bloſſe Hembde ausgepluͤndert und fortgejagt, ſo, daß ſie kaum mit anbrechenden Tage eine Muͤh- le antreffen koͤnnen, in welche ſie von der barm- hertzigen Muͤllerin aufgenommen, und mit etlichen alten Kleidern bedeckt werden. Weiln aber der darzu kommende naͤrriſche Muͤller hieruͤber ſcheele Augen macht, und ſich ſo wenig durch meiner Eltern gehabtes Ungluͤck, als durch meiner Eltern
Schoͤn-
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dennoch im Jahr 1640. von ſehr armen Eltern in
einer Bauer-Huͤtte auf dem Dorffe gebohren wor-
den, weiln das Verbrechen meiner Vor-Eltern,
ſo wohl vaͤterlicher als muͤtterlicher Seite, ihre
Nachkommen nicht allein um alles Vermoͤgen, ſon-
dern ſo gar um ihren ſonſt ehrlichen Geſchlechts-
Nahmen gebracht, indem ſie denſelben aus Noth
verlaͤugnen, und ſich nachhero ſchlecht weg Rawkins
nennen muͤſſen, um nur in einer frembden Provintz
ohne Schimpff ruhig, ob ſchon elend, zu leben. Mei-
ne Eltern, ob ſie gleich unſchuldig an allen Ubeltha-
ten der Jhrigen geweſen, waren doch durch derſel-
ben Fall gaͤntzlich mit niedergeſchlagen worden, ſo,
daß ſie, einem fuͤrchterlichen Gefaͤngniſſe und andern
Beſchwerlichkeiten zu entgehen, mit ihren beſten
Sachen die Flucht genommen hatten. Doch, wenn
ſich das Verhaͤngniß einmahl vorgeſetzt hat, un-
gluͤckſeelige Menſchen nachdruͤcklich zu verfolgen, ſo
muͤſſen ſich auch auf der allerſicherſten Straſſe ihre
Feinde finden laſſen. So war es meinen Eltern
ergangen, denn da ſie allbereit weit genung hin-
weg, alſo vor ihren Verfolgern ſicher zu ſeyn ver-
meinen, werden die armen Leute des Nachts von
einer Rotte Straſſen-Raͤuber uͤberfallen, und biß
aufs bloſſe Hembde ausgepluͤndert und fortgejagt,
ſo, daß ſie kaum mit anbrechenden Tage eine Muͤh-
le antreffen koͤnnen, in welche ſie von der barm-
hertzigen Muͤllerin aufgenommen, und mit etlichen
alten Kleidern bedeckt werden. Weiln aber der
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1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/352>, abgerufen am 22.11.2024.
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