ich künfftig desto sparsamer zu ihnen, geseliete mich hergegen sast täglich zu einem Gänse-Hirten, bey dem ich das Vergnügen hatte, im Felde herum zu lauffen, und mit dem mir höchst augenehmen Crea- turen, nehmlich den jungen und alten Gänsen, zu spielen, und sie hüten zu helffen, wovor mich der Gänse-Hirte mit aller Nothdurfft ziemlich ver- sorgte.
Eines Tages, da sich dieser mein Wohlthäter an einen schattigten Orte zur Ruhe gelegt, und mir das Commando über die Gänse allein überlassen hatte; kam ein Cavalier mit zweyen Bedienten ge- ritten, welchen ein grosser Englischer Hund solgte. Dieser tummelte sich unter meinen Gänsen lustig herum, und biß fast in einem Augenblick 5. oder 6. Stück zu Tode. So klein als ich war, so hefftig ergrimmte mein Zorn über diesen Mörder, lieff derowegen als ein junger Wüterich auf denselben loß, und stieß ihm mit einem bey mir habenden spi- tzigen Stock dermassen tieff in den Leib hinein, daß er auf der Stelle liegen blieb. Der eine Bediente des Cavaliers kam derowegen schrecklich erbost zu- rück geritten, und gab mir mit der Peitsche einen ziemlichen Hieb über die Lenden, weßwegen ich noch ergrimmter wurde, und seinem Pferde etliche blu- tige Stiche gab.
Hierauf kam so wohl mein Meister als der Ca- valier selbst herbey, welcher letztere über die hertz- hafftigkeit eines solchen kleinen Knabens, wie ich war, recht erstaunete, zumahlen ich denjenigen, der mich geschlagen hatte, noch immer mit grimmigen Gebärden ansahe. Der Cavalier aber ließ sich
mit
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ich kuͤnfftig deſto ſparſamer zu ihnen, geſeliete mich hergegen ſaſt taͤglich zu einem Gaͤnſe-Hirten, bey dem ich das Vergnuͤgen hatte, im Felde herum zu lauffen, und mit dem mir hoͤchſt augenehmen Crea- turen, nehmlich den jungen und alten Gaͤnſen, zu ſpielen, und ſie huͤten zu helffen, wovor mich der Gaͤnſe-Hirte mit aller Nothdurfft ziemlich ver- ſorgte.
Eines Tages, da ſich dieſer mein Wohlthaͤter an einen ſchattigten Orte zur Ruhe gelegt, und mir das Commando uͤber die Gaͤnſe allein uͤberlaſſen hatte; kam ein Cavalier mit zweyen Bedienten ge- ritten, welchen ein groſſer Engliſcher Hund ſolgte. Dieſer tummelte ſich unter meinen Gaͤnſen luſtig herum, und biß faſt in einem Augenblick 5. oder 6. Stuͤck zu Tode. So klein als ich war, ſo hefftig ergrimmte mein Zorn uͤber dieſen Moͤrder, lieff derowegen als ein junger Wuͤterich auf denſelben loß, und ſtieß ihm mit einem bey mir habenden ſpi- tzigen Stock dermaſſen tieff in den Leib hinein, daß er auf der Stelle liegen blieb. Der eine Bediente des Cavaliers kam derowegen ſchrecklich erboſt zu- ruͤck geritten, und gab mir mit der Peitſche einen ziemlichen Hieb uͤber die Lenden, weßwegen ich noch ergrimmter wurde, und ſeinem Pferde etliche blu- tige Stiche gab.
Hierauf kam ſo wohl mein Meiſter als der Ca- valier ſelbſt herbey, welcher letztere uͤber die hertz- hafftigkeit eines ſolchen kleinen Knabens, wie ich war, recht erſtaunete, zumahlen ich denjenigen, der mich geſchlagen hatte, noch immer mit grimmigen Gebaͤrden anſahe. Der Cavalier aber ließ ſich
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ich kuͤnfftig deſto ſparſamer zu ihnen, geſeliete mich
hergegen ſaſt taͤglich zu einem Gaͤnſe-Hirten, bey
dem ich das Vergnuͤgen hatte, im Felde herum zu
lauffen, und mit dem mir hoͤchſt augenehmen Crea-
turen, nehmlich den jungen und alten Gaͤnſen, zu
ſpielen, und ſie huͤten zu helffen, wovor mich der
Gaͤnſe-Hirte mit aller Nothdurfft ziemlich ver-
ſorgte.
Eines Tages, da ſich dieſer mein Wohlthaͤter
an einen ſchattigten Orte zur Ruhe gelegt, und mir
das Commando uͤber die Gaͤnſe allein uͤberlaſſen
hatte; kam ein Cavalier mit zweyen Bedienten ge-
ritten, welchen ein groſſer Engliſcher Hund ſolgte.
Dieſer tummelte ſich unter meinen Gaͤnſen luſtig
herum, und biß faſt in einem Augenblick 5. oder 6.
Stuͤck zu Tode. So klein als ich war, ſo hefftig
ergrimmte mein Zorn uͤber dieſen Moͤrder, lieff
derowegen als ein junger Wuͤterich auf denſelben
loß, und ſtieß ihm mit einem bey mir habenden ſpi-
tzigen Stock dermaſſen tieff in den Leib hinein, daß
er auf der Stelle liegen blieb. Der eine Bediente
des Cavaliers kam derowegen ſchrecklich erboſt zu-
ruͤck geritten, und gab mir mit der Peitſche einen
ziemlichen Hieb uͤber die Lenden, weßwegen ich noch
ergrimmter wurde, und ſeinem Pferde etliche blu-
tige Stiche gab.
Hierauf kam ſo wohl mein Meiſter als der Ca-
valier ſelbſt herbey, welcher letztere uͤber die hertz-
hafftigkeit eines ſolchen kleinen Knabens, wie ich
war, recht erſtaunete, zumahlen ich denjenigen, der
mich geſchlagen hatte, noch immer mit grimmigen
Gebaͤrden anſahe. Der Cavalier aber ließ ſich
mit
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/357>, abgerufen am 21.11.2024.
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