mit dem Gänse-General in ein langes Gespräch ein, und erfuhr von demselben mein und meiner Eltern Zustand. Es ist Schade, sagte hierauf der Cava- lier, daß dieser Knabe, dessen Gesichts-Züge und angebohrne Hertzhafftigkeit etwas besonderes zei- gen, in seiner zarten Jugend verwahrloset werden soll. Wie heissest du, mein Sohn? fragte er mit einer liebreichen Mine, David Rawkin, gab ich gantz trotzig zur Antwort. Er fragte mich weiter: Ob ich mit ihm reisen, und bey ihm bleiben wolte, denn er wäre ein Edelmann, der nicht ferne von hier sein Schloß hätte, und gesinnet sey, mich in einen weit bessern Stand zu setzen, als worinnen ich mich itzo be- fände. Jch besonne mich nicht lange, sondern ver- sprach ihm gantz gern zu folgen, doch mit dem Bedin- ge, wenn er mir vor dem bösen Kerl Friede schaffen, und meinen Eltern aus dem Gefängniß helffen wol- te. Er belachte das erstere, und versicherte, daß mir niemand Leid zufügen solte, wegen meiner Eltern aber wolle er mit dem Ober-Richter reden.
Demnach nahm mich derjenige Bediente, welcher mein Feind gewesen, nunmehro mit sehr freundli- chen Gebärden hinter sich aufs Pferd, und solgten dem Cavalier, der dem Gänse-Hirten 2. Hände voll Geld gegeben, und befohlen hatte, meinen Eltern die Helffte davon zu bringen, und ihnen zu sagen, wo ich geblieben wäre.
Es ist nicht zu beschreiben, mit was vor Gewo- genheit ich nicht allein von des Edelmanns Frau und ihren zwey 8. biß 10. jährigen Kindern, als ei- nem Sohne und einer Tochter, sondern auch von
dem
mit dem Gaͤnſe-General in ein langes Geſpraͤch ein, und erfuhr von demſelben mein und meiner Eltern Zuſtand. Es iſt Schade, ſagte hierauf der Cava- lier, daß dieſer Knabe, deſſen Geſichts-Zuͤge und angebohrne Hertzhafftigkeit etwas beſonderes zei- gen, in ſeiner zarten Jugend verwahrloſet werden ſoll. Wie heiſſeſt du, mein Sohn? fragte er mit einer liebreichen Mine, David Rawkin, gab ich gantz trotzig zur Antwort. Er fragte mich weiter: Ob ich mit ihm reiſen, und bey ihm bleiben wolte, denn er waͤre ein Edelmann, der nicht ferne von hier ſein Schloß haͤtte, und geſinnet ſey, mich in einen weit beſſern Stand zu ſetzen, als worinnen ich mich itzo be- faͤnde. Jch beſonne mich nicht lange, ſondern ver- ſprach ihm gantz gern zu folgen, doch mit dem Bedin- ge, wenn er mir vor dem boͤſen Kerl Friede ſchaffen, und meinen Eltern aus dem Gefaͤngniß helffen wol- te. Er belachte das erſtere, und verſicherte, daß mir niemand Leid zufuͤgen ſolte, wegen meiner Eltern aber wolle er mit dem Ober-Richter reden.
Demnach nahm mich derjenige Bediente, welcher mein Feind geweſen, nunmehro mit ſehr freundli- chen Gebaͤrden hinter ſich aufs Pferd, und ſolgten dem Cavalier, der dem Gaͤnſe-Hirten 2. Haͤnde voll Geld gegeben, und befohlen hatte, meinen Eltern die Helffte davon zu bringen, und ihnen zu ſagen, wo ich geblieben waͤre.
Es iſt nicht zu beſchreiben, mit was vor Gewo- genheit ich nicht allein von des Edelmanns Frau und ihren zwey 8. biß 10. jaͤhrigen Kindern, als ei- nem Sohne und einer Tochter, ſondern auch von
dem
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mit dem Gaͤnſe-General in ein langes Geſpraͤch ein,
und erfuhr von demſelben mein und meiner Eltern
Zuſtand. Es iſt Schade, ſagte hierauf der Cava-
lier, daß dieſer Knabe, deſſen Geſichts-Zuͤge und
angebohrne Hertzhafftigkeit etwas beſonderes zei-
gen, in ſeiner zarten Jugend verwahrloſet werden
ſoll. Wie heiſſeſt du, mein Sohn? fragte er mit
einer liebreichen Mine, David Rawkin, gab ich gantz
trotzig zur Antwort. Er fragte mich weiter: Ob ich
mit ihm reiſen, und bey ihm bleiben wolte, denn er
waͤre ein Edelmann, der nicht ferne von hier ſein
Schloß haͤtte, und geſinnet ſey, mich in einen weit
beſſern Stand zu ſetzen, als worinnen ich mich itzo be-
faͤnde. Jch beſonne mich nicht lange, ſondern ver-
ſprach ihm gantz gern zu folgen, doch mit dem Bedin-
ge, wenn er mir vor dem boͤſen Kerl Friede ſchaffen,
und meinen Eltern aus dem Gefaͤngniß helffen wol-
te. Er belachte das erſtere, und verſicherte, daß mir
niemand Leid zufuͤgen ſolte, wegen meiner Eltern
aber wolle er mit dem Ober-Richter reden.
Demnach nahm mich derjenige Bediente, welcher
mein Feind geweſen, nunmehro mit ſehr freundli-
chen Gebaͤrden hinter ſich aufs Pferd, und ſolgten
dem Cavalier, der dem Gaͤnſe-Hirten 2. Haͤnde voll
Geld gegeben, und befohlen hatte, meinen Eltern die
Helffte davon zu bringen, und ihnen zu ſagen, wo ich
geblieben waͤre.
Es iſt nicht zu beſchreiben, mit was vor Gewo-
genheit ich nicht allein von des Edelmanns Frau
und ihren zwey 8. biß 10. jaͤhrigen Kindern, als ei-
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1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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