Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

und zwar ohne Speise und Tranck zu reisen, jedoch
endlich mit Untergang der Sonnen erreichten wir
einen ziemlich grossen Flecken, allwo Schimmer
sogleich nach des Priesters Wohnung fragte, und
nebst mir, vor derselben halten blieb.

Der Ehrwürdige etwa 60. jährige Priester kam
gar bald vor die Thür, welchen Schimmer in La-
teinischer Sprache ohngefehr also auredete: Mein
Herr! Es möchte uns vielleicht vor eine Unhöfflich-
keit ausgelegt werden, bey euch um ein Nacht-
Quartier zu bitten, indem wir als gantz frembde
Leute in das ordentliche Wirthshaus gehören, al-
lein es zwinget uns eine gantz besondere Begeben-
heit, in Betrachtung eures heiligen Amts, bey euch
Rath und Hülffe zu suchen. Derowegen schlaget
uns keins von beyden ab, und glaubet gewiß, daß in
uns beyden keine Boßheit, sondern zwey redliche
Hertzen befindlich. Habt ihr aber dieser Versi-
cherung ohngeacht ein Mißtrauen, welches man
euch in Erwegung der vielen herum schweiffenden
Mörder, Spitzbuben und Diebe zu gute halten
muß, so brauchet zwar alle erdenckliche Vorsicht,
lasset euch aber immittelst erbitten unser Geheimniß
anzuhören.

Der gute Ehrliche Geistliche machte nicht die ge-
ringste Einwendung, sondern befahl unser Pferd in
den Stall zu führen, uns selbst aber nöthigte er sehr
treuhertzig in seine Stube, allwo wir von seiner
Haußfrau, und bereits erwachsenen Kindern, wohl
empfangen wurden. Nachdem wir, auf ihr heffti-
ges Bitten, die Abend-Mahlzeit bey ihnen einge-
nommen, führete uns der ehrwürdige Pfarrer auf

seine

und zwar ohne Speiſe und Tranck zu reiſen, jedoch
endlich mit Untergang der Sonnen erreichten wir
einen ziemlich groſſen Flecken, allwo Schimmer
ſogleich nach des Prieſters Wohnung fragte, und
nebſt mir, vor derſelben halten blieb.

Der Ehrwuͤrdige etwa 60. jaͤhrige Prieſter kam
gar bald vor die Thuͤr, welchen Schimmer in La-
teiniſcher Sprache ohngefehr alſo auredete: Mein
Herr! Es moͤchte uns vielleicht vor eine Unhoͤfflich-
keit ausgelegt werden, bey euch um ein Nacht-
Quartier zu bitten, indem wir als gantz frembde
Leute in das ordentliche Wirthshaus gehoͤren, al-
lein es zwinget uns eine gantz beſondere Begeben-
heit, in Betrachtung eures heiligen Amts, bey euch
Rath und Huͤlffe zu ſuchen. Derowegen ſchlaget
uns keins von beyden ab, und glaubet gewiß, daß in
uns beyden keine Boßheit, ſondern zwey redliche
Hertzen befindlich. Habt ihr aber dieſer Verſi-
cherung ohngeacht ein Mißtrauen, welches man
euch in Erwegung der vielen herum ſchweiffenden
Moͤrder, Spitzbuben und Diebe zu gute halten
muß, ſo brauchet zwar alle erdenckliche Vorſicht,
laſſet euch aber immittelſt erbitten unſer Geheimniß
anzuhoͤren.

Der gute Ehrliche Geiſtliche machte nicht die ge-
ringſte Einwendung, ſondern befahl unſer Pferd in
den Stall zu fuͤhren, uns ſelbſt aber noͤthigte er ſehr
treuhertzig in ſeine Stube, allwo wir von ſeiner
Haußfrau, und bereits erwachſenen Kindern, wohl
empfangen wurden. Nachdem wir, auf ihr heffti-
ges Bitten, die Abend-Mahlzeit bey ihnen einge-
nommen, fuͤhrete uns der ehrwuͤrdige Pfarrer auf

ſeine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0370" n="356"/>
und zwar ohne Spei&#x017F;e und Tranck zu rei&#x017F;en, jedoch<lb/>
endlich mit Untergang der Sonnen erreichten wir<lb/>
einen ziemlich gro&#x017F;&#x017F;en Flecken, allwo Schimmer<lb/>
&#x017F;ogleich nach des Prie&#x017F;ters Wohnung fragte, und<lb/>
neb&#x017F;t mir, vor der&#x017F;elben halten blieb.</p><lb/>
        <p>Der Ehrwu&#x0364;rdige etwa 60. ja&#x0364;hrige Prie&#x017F;ter kam<lb/>
gar bald vor die Thu&#x0364;r, welchen Schimmer in La-<lb/>
teini&#x017F;cher Sprache ohngefehr al&#x017F;o auredete: Mein<lb/>
Herr! Es mo&#x0364;chte uns vielleicht vor eine Unho&#x0364;fflich-<lb/>
keit ausgelegt werden, bey euch um ein Nacht-<lb/>
Quartier zu bitten, indem wir als gantz frembde<lb/>
Leute in das ordentliche Wirthshaus geho&#x0364;ren, al-<lb/>
lein es zwinget uns eine gantz be&#x017F;ondere Begeben-<lb/>
heit, in Betrachtung eures heiligen Amts, bey euch<lb/>
Rath und Hu&#x0364;lffe zu &#x017F;uchen. Derowegen &#x017F;chlaget<lb/>
uns keins von beyden ab, und glaubet gewiß, daß in<lb/>
uns beyden keine Boßheit, &#x017F;ondern zwey redliche<lb/>
Hertzen befindlich. Habt ihr aber die&#x017F;er Ver&#x017F;i-<lb/>
cherung ohngeacht ein Mißtrauen, welches man<lb/>
euch in Erwegung der vielen herum &#x017F;chweiffenden<lb/>
Mo&#x0364;rder, Spitzbuben und Diebe zu gute halten<lb/>
muß, &#x017F;o brauchet zwar alle erdenckliche Vor&#x017F;icht,<lb/>
la&#x017F;&#x017F;et euch aber immittel&#x017F;t erbitten un&#x017F;er Geheimniß<lb/>
anzuho&#x0364;ren.</p><lb/>
        <p>Der gute Ehrliche Gei&#x017F;tliche machte nicht die ge-<lb/>
ring&#x017F;te Einwendung, &#x017F;ondern befahl un&#x017F;er Pferd in<lb/>
den Stall zu fu&#x0364;hren, uns &#x017F;elb&#x017F;t aber no&#x0364;thigte er &#x017F;ehr<lb/>
treuhertzig in &#x017F;eine Stube, allwo wir von &#x017F;einer<lb/>
Haußfrau, und bereits erwach&#x017F;enen Kindern, wohl<lb/>
empfangen wurden. Nachdem wir, auf ihr heffti-<lb/>
ges Bitten, die Abend-Mahlzeit bey ihnen einge-<lb/>
nommen, fu&#x0364;hrete uns der ehrwu&#x0364;rdige Pfarrer auf<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;eine</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0370] und zwar ohne Speiſe und Tranck zu reiſen, jedoch endlich mit Untergang der Sonnen erreichten wir einen ziemlich groſſen Flecken, allwo Schimmer ſogleich nach des Prieſters Wohnung fragte, und nebſt mir, vor derſelben halten blieb. Der Ehrwuͤrdige etwa 60. jaͤhrige Prieſter kam gar bald vor die Thuͤr, welchen Schimmer in La- teiniſcher Sprache ohngefehr alſo auredete: Mein Herr! Es moͤchte uns vielleicht vor eine Unhoͤfflich- keit ausgelegt werden, bey euch um ein Nacht- Quartier zu bitten, indem wir als gantz frembde Leute in das ordentliche Wirthshaus gehoͤren, al- lein es zwinget uns eine gantz beſondere Begeben- heit, in Betrachtung eures heiligen Amts, bey euch Rath und Huͤlffe zu ſuchen. Derowegen ſchlaget uns keins von beyden ab, und glaubet gewiß, daß in uns beyden keine Boßheit, ſondern zwey redliche Hertzen befindlich. Habt ihr aber dieſer Verſi- cherung ohngeacht ein Mißtrauen, welches man euch in Erwegung der vielen herum ſchweiffenden Moͤrder, Spitzbuben und Diebe zu gute halten muß, ſo brauchet zwar alle erdenckliche Vorſicht, laſſet euch aber immittelſt erbitten unſer Geheimniß anzuhoͤren. Der gute Ehrliche Geiſtliche machte nicht die ge- ringſte Einwendung, ſondern befahl unſer Pferd in den Stall zu fuͤhren, uns ſelbſt aber noͤthigte er ſehr treuhertzig in ſeine Stube, allwo wir von ſeiner Haußfrau, und bereits erwachſenen Kindern, wohl empfangen wurden. Nachdem wir, auf ihr heffti- ges Bitten, die Abend-Mahlzeit bey ihnen einge- nommen, fuͤhrete uns der ehrwuͤrdige Pfarrer auf ſeine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/370
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/370>, abgerufen am 21.11.2024.