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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Jm übrigen brachten wir unsere Zeit dermassen
vergnügt zu, daß es keinem eintzigen gereuete, von
dem Schicksal auf diese Jnsul verbannet zu seyn.
Meine liebe Concordia aber und ich waren den noch
wohl die allervergnügtesten, da wir uns nunmehro
über die Einsamkeit zu beschweren keine fernere Ursa-
che hatten, sondern unserer Kinder Familien im be-
sten Wachsthum sahen, und zu Ende des 1670ten
Jahres albereit 9. Kindes-Kinder, nehmlich 6.
Sohne und 3. Töchter küssen konten, ohngeacht
wir dazumahl kaum die Helffte der schrifftmäßigen
menschlichen Jahre überschritten hatten, also gar
frühzeitig Groß-Eltern genennet wurden.

Unser dritter Sohn Johannes, trat damahls
in sein zwantzigstes Jahr, und ließ in allen seinen
Wesen den natürlichen Trieb spüren, daß er sich
nach der Lebens-Art seiner ältern Brüder, das
ist, nach einem Ehe-Gemahl, sehnete. Seine
Mutter und ich liessen uns dessen Sehnsucht unge-
mein zu Hertzen gehen, wusten ihm aber weder zu
rathen noch zu helffen, biß sich endlich der alte Amias
des schwermüthigen Jünglings erbarmete, und die
Schiff-Fahrt nach der Helenen-Jnsul von neuen
aufs Tapet brachte, sintemahl ein tüchtiges Schiff
in Bereitschafft lag, welches weiter nichts als be-
hörige Ausrüstung bedurffte. Meine Concordiae
wolte hierein anfänglich durchaus nicht willigen,
doch endlich ließ sie sich durch die trifftigsten Vo r-
stellungen der meisten Stimmen so wohl als ich
überwinden, und willigte, wiewohl mit thränen-
den Augen darein, daß Amias, Robert, Jacob,

Simon,
A a 3

Jm uͤbrigen brachten wir unſere Zeit dermaſſen
vergnuͤgt zu, daß es keinem eintzigen gereuete, von
dem Schickſal auf dieſe Jnſul verbannet zu ſeyn.
Meine liebe Concordia aber und ich waren den noch
wohl die allervergnuͤgteſten, da wir uns nunmehro
uͤber die Einſamkeit zu beſchweren keine fernere Urſa-
che hatten, ſondern unſerer Kinder Familien im be-
ſten Wachsthum ſahen, und zu Ende des 1670ten
Jahres albereit 9. Kindes-Kinder, nehmlich 6.
Sohne und 3. Toͤchter kuͤſſen konten, ohngeacht
wir dazumahl kaum die Helffte der ſchrifftmaͤßigen
menſchlichen Jahre uͤberſchritten hatten, alſo gar
fruͤhzeitig Groß-Eltern genennet wurden.

Unſer dritter Sohn Johannes, trat damahls
in ſein zwantzigſtes Jahr, und ließ in allen ſeinen
Weſen den natuͤrlichen Trieb ſpuͤren, daß er ſich
nach der Lebens-Art ſeiner aͤltern Bruͤder, das
iſt, nach einem Ehe-Gemahl, ſehnete. Seine
Mutter und ich lieſſen uns deſſen Sehnſucht unge-
mein zu Hertzen gehen, wuſten ihm aber weder zu
rathen noch zu helffen, biß ſich endlich der alte Amias
des ſchwermuͤthigen Juͤnglings erbarmete, und die
Schiff-Fahrt nach der Helenen-Jnſul von neuen
aufs Tapet brachte, ſintemahl ein tuͤchtiges Schiff
in Bereitſchafft lag, welches weiter nichts als be-
hoͤrige Ausruͤſtung bedurffte. Meine Concordiæ
wolte hierein anfaͤnglich durchaus nicht willigen,
doch endlich ließ ſie ſich durch die trifftigſten Vo r-
ſtellungen der meiſten Stimmen ſo wohl als ich
uͤberwinden, und willigte, wiewohl mit thraͤnen-
den Augen darein, daß Amias, Robert, Jacob,

Simon,
A a 3
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[373/0387] Jm uͤbrigen brachten wir unſere Zeit dermaſſen vergnuͤgt zu, daß es keinem eintzigen gereuete, von dem Schickſal auf dieſe Jnſul verbannet zu ſeyn. Meine liebe Concordia aber und ich waren den noch wohl die allervergnuͤgteſten, da wir uns nunmehro uͤber die Einſamkeit zu beſchweren keine fernere Urſa- che hatten, ſondern unſerer Kinder Familien im be- ſten Wachsthum ſahen, und zu Ende des 1670ten Jahres albereit 9. Kindes-Kinder, nehmlich 6. Sohne und 3. Toͤchter kuͤſſen konten, ohngeacht wir dazumahl kaum die Helffte der ſchrifftmaͤßigen menſchlichen Jahre uͤberſchritten hatten, alſo gar fruͤhzeitig Groß-Eltern genennet wurden. Unſer dritter Sohn Johannes, trat damahls in ſein zwantzigſtes Jahr, und ließ in allen ſeinen Weſen den natuͤrlichen Trieb ſpuͤren, daß er ſich nach der Lebens-Art ſeiner aͤltern Bruͤder, das iſt, nach einem Ehe-Gemahl, ſehnete. Seine Mutter und ich lieſſen uns deſſen Sehnſucht unge- mein zu Hertzen gehen, wuſten ihm aber weder zu rathen noch zu helffen, biß ſich endlich der alte Amias des ſchwermuͤthigen Juͤnglings erbarmete, und die Schiff-Fahrt nach der Helenen-Jnſul von neuen aufs Tapet brachte, ſintemahl ein tuͤchtiges Schiff in Bereitſchafft lag, welches weiter nichts als be- hoͤrige Ausruͤſtung bedurffte. Meine Concordiæ wolte hierein anfaͤnglich durchaus nicht willigen, doch endlich ließ ſie ſich durch die trifftigſten Vo r- ſtellungen der meiſten Stimmen ſo wohl als ich uͤberwinden, und willigte, wiewohl mit thraͤnen- den Augen darein, daß Amias, Robert, Jacob, Simon, A a 3

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/387>, abgerufen am 17.06.2024.