über dem Kopffe zusammen, und saß eine lange Zeit auf dem Stuhle in tieffen Gedancken. Jch wuste solchergestalt nicht wie ich mit ihm daran war, fuhr derowegen im Weinen fort, fiel endlich nieder, um- fassete seine Knie und sagte: Jch bitte euch um GOt- tes willen, mein Herr, nehmet es nicht übel, daß ich euch mein Elend geklagt habe, verschaffet nur, daß mir eure Mutter, auf meine gantze gerechte Forde- rung etwa zwey oder drey hundert Thaler zahle, so soll das übrige gäntzlich vergessen seyn, ich aber will mich alsobald aus ihrem Hause hinweg begeben und andere Dienste suchen, vielleicht ist der Himmel so gnädig, mir etwa mit der Zeit einen ehrbahren Handwercks-Mann zuzusühren, der mich zur Ehe nimmt, und auf meine Lebens-Zeit ernehret, denn ich kan die Tyranney eurer Mutter und Schwestern unmöglich länger ertragen. Der gute Mensch konte sich solchergestalt der Thränen selbst nicht ent- halten, hub mich aber sehr liebreich von der Erden auf, drückte einen keuschen Kuß auf meine Stirn, und sagte: Gebet euch zufrieden meine Freundin, ich schwere zu GOTT! daß mein gantzes Vermögen, biß auf diese wenigen Kleider, so ich auf meinem Lei- be trage, zu eurer Beruhigung bereit seyn soll, denn jch müste befürchten, daß GOTT, bey so gestallten Sachen, die Mißhandlung meiner Eltern an mir heimsuchte, indessen gehet hin und lasset euch diesen Tag über, weder gegen meine Mutter noch Geschwi- ster nicht das geringste mercken, ich aber will noch vor Abends eures Anliegens wegen mit ihnen spre- chen, und gleich morgendes Tages Anstalt ma-
chen,
uͤber dem Kopffe zuſammen, und ſaß eine lange Zeit auf dem Stuhle in tieffen Gedancken. Jch wuſte ſolchergeſtalt nicht wie ich mit ihm daran war, fuhr derowegen im Weinen fort, fiel endlich nieder, um- faſſete ſeine Knie und ſagte: Jch bitte euch um GOt- tes willen, mein Herr, nehmet es nicht uͤbel, daß ich euch mein Elend geklagt habe, verſchaffet nur, daß mir eure Mutter, auf meine gantze gerechte Forde- rung etwa zwey oder drey hundert Thaler zahle, ſo ſoll das uͤbrige gaͤntzlich vergeſſen ſeyn, ich aber will mich alſobald aus ihrem Hauſe hinweg begeben und andere Dienſte ſuchen, vielleicht iſt der Himmel ſo gnaͤdig, mir etwa mit der Zeit einen ehrbahren Handwercks-Mann zuzuſuͤhren, der mich zur Ehe nimmt, und auf meine Lebens-Zeit ernehret, denn ich kan die Tyranney eurer Mutter und Schweſtern unmoͤglich laͤnger ertragen. Der gute Menſch konte ſich ſolchergeſtalt der Thraͤnen ſelbſt nicht ent- halten, hub mich aber ſehr liebreich von der Erden auf, druͤckte einen keuſchen Kuß auf meine Stirn, und ſagte: Gebet euch zufrieden meine Freundin, ich ſchwere zu GOTT! daß mein gantzes Vermoͤgen, biß auf dieſe wenigen Kleider, ſo ich auf meinem Lei- be trage, zu eurer Beruhigung bereit ſeyn ſoll, denn jch muͤſte befuͤrchten, daß GOTT, bey ſo geſtallten Sachen, die Mißhandlung meiner Eltern an mir heimſuchte, indeſſen gehet hin und laſſet euch dieſen Tag uͤber, weder gegen meine Mutter noch Geſchwi- ſter nicht das geringſte mercken, ich aber will noch vor Abends eures Anliegens wegen mit ihnen ſpre- chen, und gleich morgendes Tages Anſtalt ma-
chen,
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uͤber dem Kopffe zuſammen, und ſaß eine lange Zeit
auf dem Stuhle in tieffen Gedancken. Jch wuſte
ſolchergeſtalt nicht wie ich mit ihm daran war, fuhr
derowegen im Weinen fort, fiel endlich nieder, um-
faſſete ſeine Knie und ſagte: Jch bitte euch um GOt-
tes willen, mein Herr, nehmet es nicht uͤbel, daß ich
euch mein Elend geklagt habe, verſchaffet nur, daß
mir eure Mutter, auf meine gantze gerechte Forde-
rung etwa zwey oder drey hundert Thaler zahle, ſo
ſoll das uͤbrige gaͤntzlich vergeſſen ſeyn, ich aber will
mich alſobald aus ihrem Hauſe hinweg begeben
und andere Dienſte ſuchen, vielleicht iſt der Himmel
ſo gnaͤdig, mir etwa mit der Zeit einen ehrbahren
Handwercks-Mann zuzuſuͤhren, der mich zur Ehe
nimmt, und auf meine Lebens-Zeit ernehret, denn
ich kan die Tyranney eurer Mutter und Schweſtern
unmoͤglich laͤnger ertragen. Der gute Menſch
konte ſich ſolchergeſtalt der Thraͤnen ſelbſt nicht ent-
halten, hub mich aber ſehr liebreich von der Erden
auf, druͤckte einen keuſchen Kuß auf meine Stirn,
und ſagte: Gebet euch zufrieden meine Freundin, ich
ſchwere zu GOTT! daß mein gantzes Vermoͤgen,
biß auf dieſe wenigen Kleider, ſo ich auf meinem Lei-
be trage, zu eurer Beruhigung bereit ſeyn ſoll, denn
jch muͤſte befuͤrchten, daß GOTT, bey ſo geſtallten
Sachen, die Mißhandlung meiner Eltern an mir
heimſuchte, indeſſen gehet hin und laſſet euch dieſen
Tag uͤber, weder gegen meine Mutter noch Geſchwi-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/411>, abgerufen am 24.11.2024.
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