Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

konte, als ein erdachtes. Sie redete hierauf etwas
weniges mit der Alten, in einer mir unbekandten
Sprache, welche etliche mal mit dem Kopffe nickte
und zur Hütte hinaus gieng. Kaum hatte selbige
uns den Rücken zu gekehret, da die Dame mich so-
gleich bey der Hand nahm und sagte: Mein Herr,
die jungen Europäer sind schöne Leute, und ihr son-
derlich seyd sehr schön. Madame, gab ich zur Ant-
wort, es beliebt euch mit euren Sclaven zu schertzen,
denn ich weiß, daß aus meinem Ansehen nichts son-
derliches zu machen ist. Ja, ja, war ihre Gegen-
rede, ihr seyd in Wahrheit sehr schön, ich wünschte
im Ernste, daß ich mein Sclave wäret, ihr soltet ge-
wiß keine schlimme Sache bey mir haben. Aber,
suhr sie fort, sagt mir, wie es kömmt, daß auf diesem
Cap lauter alte, übelgebildete, und keine schönen
jungen Europäer bleiben? Madame, versetzte ich,
wenn nur auf diesem Cap noch mehr so schönes
Frauenzimmer, wie ihr seyd, anzutreffen wäre, so
kan ich euch versichern, daß auch viele junge Euro-
päer hier bleiben würden. Was? fragte sie, saget
ihr, daß ich schöne sey, und euch gefalle? Jch müste,
war meine Antwort: keine gesunde Augen und Ver-
stand haben, wenn ich nicht gestünde, daß mir eure
Schönheit recht im Hertzen wohl gefällt. Wie kan
ich dieses glauben? replicirte sie, ihr sagt, daß ich
schönese euch im Hertzen wohl gefalle, und küsset
mich nicht einmahl? da ihr doch alleine bey mir seyd,
und euch vor niemand zu fürchten habt. Jhre artige
lispelende wiewol unvollkommene Holländis. Spra-
che kam mir so lieblich, der Jnnhalt der Rede aber,
nebst denen charmanten Minen, dermassen entzü-

ckend
C 3

konte, als ein erdachtes. Sie redete hierauf etwas
weniges mit der Alten, in einer mir unbekandten
Sprache, welche etliche mal mit dem Kopffe nickte
und zur Huͤtte hinaus gieng. Kaum hatte ſelbige
uns den Ruͤcken zu gekehret, da die Dame mich ſo-
gleich bey der Hand nahm und ſagte: Mein Herr,
die jungen Europaͤer ſind ſchoͤne Leute, und ihr ſon-
derlich ſeyd ſehr ſchoͤn. Madame, gab ich zur Ant-
wort, es beliebt euch mit euren Sclaven zu ſchertzen,
denn ich weiß, daß aus meinem Anſehen nichts ſon-
derliches zu machen iſt. Ja, ja, war ihre Gegen-
rede, ihr ſeyd in Wahrheit ſehr ſchoͤn, ich wuͤnſchte
im Ernſte, daß ich mein Sclave waͤret, ihr ſoltet ge-
wiß keine ſchlimme Sache bey mir haben. Aber,
ſuhr ſie fort, ſagt mir, wie es koͤmmt, daß auf dieſem
Cap lauter alte, uͤbelgebildete, und keine ſchoͤnen
jungen Europaͤer bleiben? Madame, verſetzte ich,
wenn nur auf dieſem Cap noch mehr ſo ſchoͤnes
Frauenzimmer, wie ihr ſeyd, anzutreffen waͤre, ſo
kan ich euch verſichern, daß auch viele junge Euro-
paͤer hier bleiben wuͤrden. Was? fragte ſie, ſaget
ihr, daß ich ſchoͤne ſey, und euch gefalle? Jch muͤſte,
war meine Antwort: keine geſunde Augen und Ver-
ſtand haben, wenn ich nicht geſtuͤnde, daß mir eure
Schoͤnheit recht im Hertzen wohl gefaͤllt. Wie kan
ich dieſes glauben? replicirte ſie, ihr ſagt, daß ich
ſchoͤneſe euch im Hertzen wohl gefalle, und kuͤſſet
mich nicht einmahl? da ihr doch alleine bey mir ſeyd,
und euch vor niemand zu fuͤrchten habt. Jhre artige
liſpelende wiewol unvollkommene Hollaͤndiſ. Spra-
che kam mir ſo lieblich, der Jnnhalt der Rede aber,
nebſt denen charmanten Minen, dermaſſen entzuͤ-

ckend
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="37"/>
konte, als ein erdachtes. Sie redete hierauf etwas<lb/>
weniges mit der Alten, in einer mir unbekandten<lb/>
Sprache, welche etliche mal mit dem Kopffe nickte<lb/>
und zur Hu&#x0364;tte hinaus gieng. Kaum hatte &#x017F;elbige<lb/>
uns den Ru&#x0364;cken zu gekehret, da die <hi rendition="#aq">Dame</hi> mich &#x017F;o-<lb/>
gleich bey der Hand nahm und &#x017F;agte: Mein Herr,<lb/>
die jungen Europa&#x0364;er &#x017F;ind &#x017F;cho&#x0364;ne Leute, und ihr &#x017F;on-<lb/>
derlich &#x017F;eyd &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;n. <hi rendition="#aq">Madame,</hi> gab ich zur Ant-<lb/>
wort, es beliebt euch mit euren <hi rendition="#aq">Sclaven</hi> zu &#x017F;chertzen,<lb/>
denn ich weiß, daß aus meinem An&#x017F;ehen nichts &#x017F;on-<lb/>
derliches zu machen i&#x017F;t. Ja, ja, war ihre Gegen-<lb/>
rede, ihr &#x017F;eyd in Wahrheit &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;n, ich wu&#x0364;n&#x017F;chte<lb/>
im Ern&#x017F;te, daß ich mein <hi rendition="#aq">Sclave</hi> wa&#x0364;ret, ihr &#x017F;oltet ge-<lb/>
wiß keine &#x017F;chlimme Sache bey mir haben. Aber,<lb/>
&#x017F;uhr &#x017F;ie fort, &#x017F;agt mir, wie es ko&#x0364;mmt, daß auf die&#x017F;em<lb/><hi rendition="#aq">Cap</hi> lauter alte, u&#x0364;belgebildete, und keine &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
jungen Europa&#x0364;er bleiben? <hi rendition="#aq">Madame,</hi> ver&#x017F;etzte ich,<lb/>
wenn nur auf die&#x017F;em <hi rendition="#aq">Cap</hi> noch mehr &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;nes<lb/>
Frauenzimmer, wie ihr &#x017F;eyd, anzutreffen wa&#x0364;re, &#x017F;o<lb/>
kan ich euch ver&#x017F;ichern, daß auch viele junge Euro-<lb/>
pa&#x0364;er hier bleiben wu&#x0364;rden. Was? fragte &#x017F;ie, &#x017F;aget<lb/>
ihr, daß ich &#x017F;cho&#x0364;ne &#x017F;ey, und euch gefalle? Jch mu&#x0364;&#x017F;te,<lb/>
war meine Antwort: keine ge&#x017F;unde Augen und Ver-<lb/>
&#x017F;tand haben, wenn ich nicht ge&#x017F;tu&#x0364;nde, daß mir eure<lb/>
Scho&#x0364;nheit recht im Hertzen wohl gefa&#x0364;llt. Wie kan<lb/>
ich die&#x017F;es glauben? <hi rendition="#aq">replicir</hi>te &#x017F;ie, ihr &#x017F;agt, daß ich<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne&#x017F;e euch im Hertzen wohl gefalle, und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;et<lb/>
mich nicht einmahl? da ihr doch alleine bey mir &#x017F;eyd,<lb/>
und euch vor niemand zu fu&#x0364;rchten habt. Jhre artige<lb/>
li&#x017F;pelende wiewol unvollkommene Holla&#x0364;ndi&#x017F;. Spra-<lb/>
che kam mir &#x017F;o lieblich, der Jnnhalt der Rede aber,<lb/>
neb&#x017F;t denen <hi rendition="#aq">charmant</hi>en Minen, derma&#x017F;&#x017F;en entzu&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ckend</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0049] konte, als ein erdachtes. Sie redete hierauf etwas weniges mit der Alten, in einer mir unbekandten Sprache, welche etliche mal mit dem Kopffe nickte und zur Huͤtte hinaus gieng. Kaum hatte ſelbige uns den Ruͤcken zu gekehret, da die Dame mich ſo- gleich bey der Hand nahm und ſagte: Mein Herr, die jungen Europaͤer ſind ſchoͤne Leute, und ihr ſon- derlich ſeyd ſehr ſchoͤn. Madame, gab ich zur Ant- wort, es beliebt euch mit euren Sclaven zu ſchertzen, denn ich weiß, daß aus meinem Anſehen nichts ſon- derliches zu machen iſt. Ja, ja, war ihre Gegen- rede, ihr ſeyd in Wahrheit ſehr ſchoͤn, ich wuͤnſchte im Ernſte, daß ich mein Sclave waͤret, ihr ſoltet ge- wiß keine ſchlimme Sache bey mir haben. Aber, ſuhr ſie fort, ſagt mir, wie es koͤmmt, daß auf dieſem Cap lauter alte, uͤbelgebildete, und keine ſchoͤnen jungen Europaͤer bleiben? Madame, verſetzte ich, wenn nur auf dieſem Cap noch mehr ſo ſchoͤnes Frauenzimmer, wie ihr ſeyd, anzutreffen waͤre, ſo kan ich euch verſichern, daß auch viele junge Euro- paͤer hier bleiben wuͤrden. Was? fragte ſie, ſaget ihr, daß ich ſchoͤne ſey, und euch gefalle? Jch muͤſte, war meine Antwort: keine geſunde Augen und Ver- ſtand haben, wenn ich nicht geſtuͤnde, daß mir eure Schoͤnheit recht im Hertzen wohl gefaͤllt. Wie kan ich dieſes glauben? replicirte ſie, ihr ſagt, daß ich ſchoͤneſe euch im Hertzen wohl gefalle, und kuͤſſet mich nicht einmahl? da ihr doch alleine bey mir ſeyd, und euch vor niemand zu fuͤrchten habt. Jhre artige liſpelende wiewol unvollkommene Hollaͤndiſ. Spra- che kam mir ſo lieblich, der Jnnhalt der Rede aber, nebſt denen charmanten Minen, dermaſſen entzuͤ- ckend C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/49
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/49>, abgerufen am 03.12.2024.