Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

treter der Königl. Gebote logirten, ohne alle Weit-
läufftigkeit zeigeten. Hieselbst war mir nicht erlaubt
an jemanden zu schreiben, vielweniger einen guten
Freund zu sprechen, jedoch wurde mit den köstlich-
sten Speisen und Geträncke zum Uberflusse versorgt,
und meine geringe Wunde von einem Chirurgo all-
täglich zwey mahl verbunden, welche sich binnen 12.
Tagen zu völliger Heilung schloß.

Eines Abends, da der Chirurgus ohne Beyseyn
der Wacht mich verbunden, und allbereit hinweg
gegangen war, kam er eiligst wieder zurück und sag-
te: Mein Herr! jetzt ist es Zeit, euch durch eine schleu-
nige Flucht selbst zu befreyen, denn ausser dem, daß
kein eintziger Mann von der Wacht vorhanden, so
stehen alle Thüren eures Gefängnisses offen, darum
eilet und folget mir! Jch besonne nicht lange, ob et-
wa dieser Handel mit Fleiß also angestellet wäre oder
nicht, sondern warf augenblicklich meine völlige
Kleidung über mich, und machte mich nebst dem Chi-
rurgo
in gröster Geschwindigkeit auf den Weg, be-
schenckte denselben mit einer Hand voll Gold-Cro-
nen, und kam ohne eintzigen Anstoß in des Don Gon-
salvo Ferdinando de Cordua,
als meiner Mutter
leiblichen Bruders Behausung an, dessen Sohn
Don Alphonso mir nicht allein den sichersten heim-
lichen Affenthalt versprach, sondern sich zugleich er-
both, alles auszuforschen, was von meiner Flucht
bey Hofe gesprochen würde.

Da es nun das Ansehen hatte, als ob der König
dieserwegen noch hefftiger auf mich erbittert wor-
den, indem er meine gehabte Wacht selbst gefangen
zu setzen, und mich auf allen Strassen und im gan-

tzen
K k

treter der Koͤnigl. Gebote logirten, ohne alle Weit-
laͤufftigkeit zeigeten. Hieſelbſt war mir nicht erlaubt
an jemanden zu ſchreiben, vielweniger einen guten
Freund zu ſprechen, jedoch wurde mit den koͤſtlich-
ſten Speiſen und Getraͤncke zum Uberfluſſe verſorgt,
und meine geringe Wunde von einem Chirurgo all-
taͤglich zwey mahl verbunden, welche ſich binnen 12.
Tagen zu voͤlliger Heilung ſchloß.

Eines Abends, da der Chirurgus ohne Beyſeyn
der Wacht mich verbunden, und allbereit hinweg
gegangen war, kam er eiligſt wieder zuruͤck und ſag-
te: Mein Herr! jetzt iſt es Zeit, euch durch eine ſchleu-
nige Flucht ſelbſt zu befreyen, denn auſſer dem, daß
kein eintziger Mann von der Wacht vorhanden, ſo
ſtehen alle Thuͤren eures Gefaͤngniſſes offen, darum
eilet und folget mir! Jch beſonne nicht lange, ob et-
wa dieſer Handel mit Fleiß alſo angeſtellet waͤre oder
nicht, ſondern warf augenblicklich meine voͤllige
Kleidung uͤber mich, und machte mich nebſt dem Chi-
rurgo
in groͤſter Geſchwindigkeit auf den Weg, be-
ſchenckte denſelben mit einer Hand voll Gold-Cro-
nen, und kam ohne eintzigen Anſtoß in des Don Gon-
ſalvo Ferdinando de Cordua,
als meiner Mutter
leiblichen Bruders Behauſung an, deſſen Sohn
Don Alphonſo mir nicht allein den ſicherſten heim-
lichen Affenthalt verſprach, ſondern ſich zugleich er-
both, alles auszuforſchen, was von meiner Flucht
bey Hofe geſprochen wuͤrde.

Da es nun das Anſehen hatte, als ob der Koͤnig
dieſerwegen noch hefftiger auf mich erbittert wor-
den, indem er meine gehabte Wacht ſelbſt gefangen
zu ſetzen, und mich auf allen Straſſen und im gan-

tzen
K k
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0527" n="513"/>
treter der Ko&#x0364;nigl. Gebote <hi rendition="#aq">logirt</hi>en, ohne alle Weit-<lb/>
la&#x0364;ufftigkeit zeigeten. Hie&#x017F;elb&#x017F;t war mir nicht erlaubt<lb/>
an jemanden zu &#x017F;chreiben, vielweniger einen guten<lb/>
Freund zu &#x017F;prechen, jedoch wurde mit den ko&#x0364;&#x017F;tlich-<lb/>
&#x017F;ten Spei&#x017F;en und Getra&#x0364;ncke zum Uberflu&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;orgt,<lb/>
und meine geringe Wunde von einem <hi rendition="#aq">Chirurgo</hi> all-<lb/>
ta&#x0364;glich zwey mahl verbunden, welche &#x017F;ich binnen 12.<lb/>
Tagen zu vo&#x0364;lliger Heilung &#x017F;chloß.</p><lb/>
          <p>Eines Abends, da der <hi rendition="#aq">Chirurgus</hi> ohne Bey&#x017F;eyn<lb/>
der Wacht mich verbunden, und allbereit hinweg<lb/>
gegangen war, kam er eilig&#x017F;t wieder zuru&#x0364;ck und &#x017F;ag-<lb/>
te: Mein Herr! jetzt i&#x017F;t es Zeit, euch durch eine &#x017F;chleu-<lb/>
nige Flucht &#x017F;elb&#x017F;t zu befreyen, denn au&#x017F;&#x017F;er dem, daß<lb/>
kein eintziger Mann von der Wacht vorhanden, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tehen alle Thu&#x0364;ren eures Gefa&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;es offen, darum<lb/>
eilet und folget mir! Jch be&#x017F;onne nicht lange, ob et-<lb/>
wa die&#x017F;er Handel mit Fleiß al&#x017F;o ange&#x017F;tellet wa&#x0364;re oder<lb/>
nicht, &#x017F;ondern warf augenblicklich meine vo&#x0364;llige<lb/>
Kleidung u&#x0364;ber mich, und machte mich neb&#x017F;t dem <hi rendition="#aq">Chi-<lb/>
rurgo</hi> in gro&#x0364;&#x017F;ter Ge&#x017F;chwindigkeit auf den Weg, be-<lb/>
&#x017F;chenckte den&#x017F;elben mit einer Hand voll Gold-Cro-<lb/>
nen, und kam ohne eintzigen An&#x017F;toß in des <hi rendition="#aq">Don Gon-<lb/>
&#x017F;alvo Ferdinando de Cordua,</hi> als meiner Mutter<lb/>
leiblichen Bruders Behau&#x017F;ung an, de&#x017F;&#x017F;en Sohn<lb/><hi rendition="#aq">Don Alphon&#x017F;o</hi> mir nicht allein den &#x017F;icher&#x017F;ten heim-<lb/>
lichen Affenthalt ver&#x017F;prach, &#x017F;ondern &#x017F;ich zugleich er-<lb/>
both, alles auszufor&#x017F;chen, was von meiner Flucht<lb/>
bey Hofe ge&#x017F;prochen wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Da es nun das An&#x017F;ehen hatte, als ob der Ko&#x0364;nig<lb/>
die&#x017F;erwegen noch hefftiger auf mich erbittert wor-<lb/>
den, indem er meine gehabte Wacht &#x017F;elb&#x017F;t gefangen<lb/>
zu &#x017F;etzen, und mich auf allen Stra&#x017F;&#x017F;en und im gan-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k</fw><fw place="bottom" type="catch">tzen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[513/0527] treter der Koͤnigl. Gebote logirten, ohne alle Weit- laͤufftigkeit zeigeten. Hieſelbſt war mir nicht erlaubt an jemanden zu ſchreiben, vielweniger einen guten Freund zu ſprechen, jedoch wurde mit den koͤſtlich- ſten Speiſen und Getraͤncke zum Uberfluſſe verſorgt, und meine geringe Wunde von einem Chirurgo all- taͤglich zwey mahl verbunden, welche ſich binnen 12. Tagen zu voͤlliger Heilung ſchloß. Eines Abends, da der Chirurgus ohne Beyſeyn der Wacht mich verbunden, und allbereit hinweg gegangen war, kam er eiligſt wieder zuruͤck und ſag- te: Mein Herr! jetzt iſt es Zeit, euch durch eine ſchleu- nige Flucht ſelbſt zu befreyen, denn auſſer dem, daß kein eintziger Mann von der Wacht vorhanden, ſo ſtehen alle Thuͤren eures Gefaͤngniſſes offen, darum eilet und folget mir! Jch beſonne nicht lange, ob et- wa dieſer Handel mit Fleiß alſo angeſtellet waͤre oder nicht, ſondern warf augenblicklich meine voͤllige Kleidung uͤber mich, und machte mich nebſt dem Chi- rurgo in groͤſter Geſchwindigkeit auf den Weg, be- ſchenckte denſelben mit einer Hand voll Gold-Cro- nen, und kam ohne eintzigen Anſtoß in des Don Gon- ſalvo Ferdinando de Cordua, als meiner Mutter leiblichen Bruders Behauſung an, deſſen Sohn Don Alphonſo mir nicht allein den ſicherſten heim- lichen Affenthalt verſprach, ſondern ſich zugleich er- both, alles auszuforſchen, was von meiner Flucht bey Hofe geſprochen wuͤrde. Da es nun das Anſehen hatte, als ob der Koͤnig dieſerwegen noch hefftiger auf mich erbittert wor- den, indem er meine gehabte Wacht ſelbſt gefangen zu ſetzen, und mich auf allen Straſſen und im gan- tzen K k

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/527
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/527>, abgerufen am 21.11.2024.