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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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tzen Lande aufzusuchen befohlen; vermerckte ich mehr
als zu wohl, daß in Castilien meines Bleibens nicht
sey, ließ mir derowegen von meiner Mutter eine zu-
längliche Summe Reise-Gelder übersenden, und
practicirte mich, nach Verlauf etlicher Tage, heim-
lich durch nach Portugall, allwo ich in dem nächsten
Hafen zu Schiffe und nach Engelland überging, um
daselbst unter König Henrico VII. der, der gemeinen
Sage nach, mit den Schotten und einigen Rebellen
Krieg anfangen wolte, mich in den Waffen zu üben.
Allein meine Hoffnung betrog mich ziemlicher mas-
sen, indem dieses Krieges-Feuer bey Zeiten in seiner
Asche erstickt wurde. Jch hatte zwar das Glück dem
Könige aufzuwarten, und nicht allein seines mächti-
gen Schutzes, sondern auch künftiger Beförderung
vertröstet zu werden, konte aber leicht errathen, daß
das letztere nur leere Worte wären, und weil mir
ausserdem der Englische Hof allzuwenig lebhaft vor-
kam, so hielt mich nur einige Monate daselbst auf, besa-
he hierauf die vornehmsten Städte des Reichs, ging
nach diesen wiederum zu Schiffe, und reifete durch die
Niederlande an den Hof Käysers Maximiliani, allwo
zur selbigen Zeit alles Vergnügen, so sich ein junger
Ritter wünschen konte, im grösten Uberflusse blühete.
Jch erstaunete über die gantz seltsame Schönheit des
Käyserlichen Printzens Philippi, und weiln bald
darauf erfuhr, daß derselbe ehestens mit der Castili-
ani
schen Princeßin Johanna vermählet werden sol-
te, so preifete ich dieselbe allbereit in meinen Gedan-
cken vor die allerglückseeligste Princeßin, wiewohl
mich die hernach solgenden Zeiten und Begebenhei-
ten gantz anders belehreten.

Jn-

tzen Lande aufzuſuchen befohlen; vermerckte ich mehr
als zu wohl, daß in Caſtilien meines Bleibens nicht
ſey, ließ mir derowegen von meiner Mutter eine zu-
laͤngliche Summe Reiſe-Gelder uͤberſenden, und
practicirte mich, nach Verlauf etlicher Tage, heim-
lich durch nach Portugall, allwo ich in dem naͤchſten
Hafen zu Schiffe und nach Engelland uͤberging, um
daſelbſt unter Koͤnig Henrico VII. der, der gemeinen
Sage nach, mit den Schotten und einigen Rebellen
Krieg anfangen wolte, mich in den Waffen zu uͤben.
Allein meine Hoffnung betrog mich ziemlicher maſ-
ſen, indem dieſes Krieges-Feuer bey Zeiten in ſeiner
Aſche erſtickt wurde. Jch hatte zwar das Gluͤck dem
Koͤnige aufzuwarten, und nicht allein ſeines maͤchti-
gen Schutzes, ſondern auch kuͤnftiger Befoͤrderung
vertroͤſtet zu werden, konte aber leicht errathen, daß
das letztere nur leere Worte waͤren, und weil mir
auſſerdem der Engliſche Hof allzuwenig lebhaft vor-
kam, ſo hielt mich nur einige Monate daſelbſt auf, beſa-
he hierauf die vornehmſten Staͤdte des Reichs, ging
nach dieſen wiederum zu Schiffe, und reifete durch die
Niederlande an den Hof Kaͤyſers Maximiliani, allwo
zur ſelbigen Zeit alles Vergnuͤgen, ſo ſich ein junger
Ritter wuͤnſchen konte, im groͤſten Uberfluſſe bluͤhete.
Jch erſtaunete uͤber die gantz ſeltſame Schoͤnheit des
Kaͤyſerlichen Printzens Philippi, und weiln bald
darauf erfuhr, daß derſelbe eheſtens mit der Caſtili-
ani
ſchen Princeßin Johanna vermaͤhlet werden ſol-
te, ſo preifete ich dieſelbe allbereit in meinen Gedan-
cken vor die allergluͤckſeeligſte Princeßin, wiewohl
mich die hernach ſolgenden Zeiten und Begebenhei-
ten gantz anders belehreten.

Jn-
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[514/0528] tzen Lande aufzuſuchen befohlen; vermerckte ich mehr als zu wohl, daß in Caſtilien meines Bleibens nicht ſey, ließ mir derowegen von meiner Mutter eine zu- laͤngliche Summe Reiſe-Gelder uͤberſenden, und practicirte mich, nach Verlauf etlicher Tage, heim- lich durch nach Portugall, allwo ich in dem naͤchſten Hafen zu Schiffe und nach Engelland uͤberging, um daſelbſt unter Koͤnig Henrico VII. der, der gemeinen Sage nach, mit den Schotten und einigen Rebellen Krieg anfangen wolte, mich in den Waffen zu uͤben. Allein meine Hoffnung betrog mich ziemlicher maſ- ſen, indem dieſes Krieges-Feuer bey Zeiten in ſeiner Aſche erſtickt wurde. Jch hatte zwar das Gluͤck dem Koͤnige aufzuwarten, und nicht allein ſeines maͤchti- gen Schutzes, ſondern auch kuͤnftiger Befoͤrderung vertroͤſtet zu werden, konte aber leicht errathen, daß das letztere nur leere Worte waͤren, und weil mir auſſerdem der Engliſche Hof allzuwenig lebhaft vor- kam, ſo hielt mich nur einige Monate daſelbſt auf, beſa- he hierauf die vornehmſten Staͤdte des Reichs, ging nach dieſen wiederum zu Schiffe, und reifete durch die Niederlande an den Hof Kaͤyſers Maximiliani, allwo zur ſelbigen Zeit alles Vergnuͤgen, ſo ſich ein junger Ritter wuͤnſchen konte, im groͤſten Uberfluſſe bluͤhete. Jch erſtaunete uͤber die gantz ſeltſame Schoͤnheit des Kaͤyſerlichen Printzens Philippi, und weiln bald darauf erfuhr, daß derſelbe eheſtens mit der Caſtili- aniſchen Princeßin Johanna vermaͤhlet werden ſol- te, ſo preifete ich dieſelbe allbereit in meinen Gedan- cken vor die allergluͤckſeeligſte Princeßin, wiewohl mich die hernach ſolgenden Zeiten und Begebenhei- ten gantz anders belehreten. Jn-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/528>, abgerufen am 21.11.2024.