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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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in meinem Hofe, da nun dieserwegen ein jeder an die
Fenster lief, wurden wir gewahr, daß meine Jagd-
Hunde eine Bettel-Frau, nebst einer etwa 9. jähri-
gen Tochter zwar umgerissen, jedoch wenig beschä-
digt hatten. Meine Gemahlin lief aus mitleidigen
Antriebe so gleich hinunter, und ließ die mehr von
Schrecken als Schmertzen ohnmächtige Armen ins
Hauß tragen und erqvicken, kam hernach zurück,
und sagte: Ach mein Schatz! was vor ein wunder-
schönes Kind ersiehet man an diesem Bettel-Mägd-
lein, vergönnet mir, wo ihr anders die geringste Lie-
be vor mich habt, daß ich selbiges so wohl als den ar-
tigen Caspar auferziehen mag.

Jch nahm mir kein Bedencken, ihr solches zu er-
lauben, da denn in kurtzen das Bettel-Mägdlein der-
massen heraus geputzt wurde, auch sich solchergestalt
in den Staat zu schicken wuste, als ob es darzu geboh-
ren und auferzogen wäre. Demnach konte sich die
Donna Eleonora alltäglich so vieles Vergnügen
mit demselben machen, als ob dieses Mägdlein ihr
leibliches Kind sey, ausserdem aber bekümmerte sie
sich wenig oder gar nichts um ihre Haußhaltungs-
Geschäffte, sondern wendete die meiste Zeit auf ei-
nen strengen Gottesdienst, den sie nebst einer heili-
gen Frauen oder so genandten Beata zum öfftern in
einen verschlossenen Zimmer verrichtete.

Diese Beata lebte sonst gewöhnlich in dem Hospi-
tal der Heil. Mutter GOttes in Madrit, hatte,
meiner Gemahlin Vorgeben nach, einen Prophe-
ten-Geist, solte viele Wunder gethan haben, und
noch thun können, über dieses fast täglicher Er-

scheinungen

in meinem Hofe, da nun dieſerwegen ein jeder an die
Fenſter lief, wurden wir gewahr, daß meine Jagd-
Hunde eine Bettel-Frau, nebſt einer etwa 9. jaͤhri-
gen Tochter zwar umgeriſſen, jedoch wenig beſchaͤ-
digt hatten. Meine Gemahlin lief aus mitleidigen
Antriebe ſo gleich hinunter, und ließ die mehr von
Schrecken als Schmertzen ohnmaͤchtige Armen ins
Hauß tragen und erqvicken, kam hernach zuruͤck,
und ſagte: Ach mein Schatz! was vor ein wunder-
ſchoͤnes Kind erſiehet man an dieſem Bettel-Maͤgd-
lein, vergoͤnnet mir, wo ihr anders die geringſte Lie-
be vor mich habt, daß ich ſelbiges ſo wohl als den ar-
tigen Caſpar auferziehen mag.

Jch nahm mir kein Bedencken, ihr ſolches zu er-
lauben, da denn in kurtzen das Bettel-Maͤgdlein der-
maſſen heraus geputzt wurde, auch ſich ſolchergeſtalt
in den Staat zu ſchicken wuſte, als ob es darzu geboh-
ren und auferzogen waͤre. Demnach konte ſich die
Donna Eleonora alltaͤglich ſo vieles Vergnuͤgen
mit demſelben machen, als ob dieſes Maͤgdlein ihr
leibliches Kind ſey, auſſerdem aber bekuͤmmerte ſie
ſich wenig oder gar nichts um ihre Haußhaltungs-
Geſchaͤffte, ſondern wendete die meiſte Zeit auf ei-
nen ſtrengen Gottesdienſt, den ſie nebſt einer heili-
gen Frauen oder ſo genandten Beata zum oͤfftern in
einen verſchloſſenen Zimmer verrichtete.

Dieſe Beata lebte ſonſt gewoͤhnlich in dem Hoſpi-
tal der Heil. Mutter GOttes in Madrit, hatte,
meiner Gemahlin Vorgeben nach, einen Prophe-
ten-Geiſt, ſolte viele Wunder gethan haben, und
noch thun koͤnnen, uͤber dieſes faſt taͤglicher Er-

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[527/0541] in meinem Hofe, da nun dieſerwegen ein jeder an die Fenſter lief, wurden wir gewahr, daß meine Jagd- Hunde eine Bettel-Frau, nebſt einer etwa 9. jaͤhri- gen Tochter zwar umgeriſſen, jedoch wenig beſchaͤ- digt hatten. Meine Gemahlin lief aus mitleidigen Antriebe ſo gleich hinunter, und ließ die mehr von Schrecken als Schmertzen ohnmaͤchtige Armen ins Hauß tragen und erqvicken, kam hernach zuruͤck, und ſagte: Ach mein Schatz! was vor ein wunder- ſchoͤnes Kind erſiehet man an dieſem Bettel-Maͤgd- lein, vergoͤnnet mir, wo ihr anders die geringſte Lie- be vor mich habt, daß ich ſelbiges ſo wohl als den ar- tigen Caſpar auferziehen mag. Jch nahm mir kein Bedencken, ihr ſolches zu er- lauben, da denn in kurtzen das Bettel-Maͤgdlein der- maſſen heraus geputzt wurde, auch ſich ſolchergeſtalt in den Staat zu ſchicken wuſte, als ob es darzu geboh- ren und auferzogen waͤre. Demnach konte ſich die Donna Eleonora alltaͤglich ſo vieles Vergnuͤgen mit demſelben machen, als ob dieſes Maͤgdlein ihr leibliches Kind ſey, auſſerdem aber bekuͤmmerte ſie ſich wenig oder gar nichts um ihre Haußhaltungs- Geſchaͤffte, ſondern wendete die meiſte Zeit auf ei- nen ſtrengen Gottesdienſt, den ſie nebſt einer heili- gen Frauen oder ſo genandten Beata zum oͤfftern in einen verſchloſſenen Zimmer verrichtete. Dieſe Beata lebte ſonſt gewoͤhnlich in dem Hoſpi- tal der Heil. Mutter GOttes in Madrit, hatte, meiner Gemahlin Vorgeben nach, einen Prophe- ten-Geiſt, ſolte viele Wunder gethan haben, und noch thun koͤnnen, uͤber dieſes faſt taͤglicher Er- ſcheinungen

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/541>, abgerufen am 21.11.2024.