jährigen Knaben, in die nächst gelegene Stadt Wein- Trauben zu verkauffen tragen wolte. Meine Ge- mahlin bekam Lust, diese Früchte zu versuchen, de- rowegen ließ ich stille halten, um etwas darvon zu kauffen. Mittlerweile sagte meine Gemahlin heim- lich zu mir: Sehet doch, mein Schatz, den wohlge- bildeten Knaben an, der vielleicht sehr armer Eltern Kind ist, und sich dennoch wohl besser zu unsern Be- dienten schicken solte, als etliche, die des Brodts nicht würdig sind. Jch nehme ihn, versetzte ich, so gleich zu eurem Pagen an, so ferne es seine Mutter und er selbst zufrieden ist. Hierüber wurde meine Gemahlin alsofort vor Freuden Blut-roth, sprach auch nicht allein die Mutter, sondern den Knaben selbst um den Dienst an, schloß den gantzen Handel mit wenig Worten, so, daß der Knabe so gleich mit seinem Frucht-Korbe uns auf unser Schloß folgen muste.
Jch muste selbst gestehen, daß meine Gemahlin an diesen Knaben, welcher sich Caspar Palino nen- nete, keine üble Wahl getroffen hatte, denn so bald er sein roth mit Silber verbrämtes Kleid angezo- gen, wuste er sich dermassen geschickt und höflich auf- zuführen, daß ich ihn selbst gern um mich leiden moch- te, und allen meinen andern Bedienten befahl, die- sem Knaben, bey Verlust meiner Gnade, nicht den geringsten Verdruß anzuthun, weswegen sich denn meine Gemahlin gegen mich ungemein erkänntlich bezeigte.
Wenige Wochen hernach, da ich mit verschie- denen Gästen und guten Freunden das Mittags- Mahl einnahm, entstund ein grausames Lermen
in
jaͤhrigen Knaben, in die naͤchſt gelegene Stadt Wein- Trauben zu verkauffen tragen wolte. Meine Ge- mahlin bekam Luſt, dieſe Fruͤchte zu verſuchen, de- rowegen ließ ich ſtille halten, um etwas darvon zu kauffen. Mittlerweile ſagte meine Gemahlin heim- lich zu mir: Sehet doch, mein Schatz, den wohlge- bildeten Knaben an, der vielleicht ſehr armer Eltern Kind iſt, und ſich dennoch wohl beſſer zu unſern Be- dienten ſchicken ſolte, als etliche, die des Brodts nicht wuͤrdig ſind. Jch nehme ihn, verſetzte ich, ſo gleich zu eurem Pagen an, ſo ferne es ſeine Mutter und er ſelbſt zufrieden iſt. Hieruͤber wurde meine Gemahlin alſofort vor Freuden Blut-roth, ſprach auch nicht allein die Mutter, ſondern den Knaben ſelbſt um den Dienſt an, ſchloß den gantzen Handel mit wenig Worten, ſo, daß der Knabe ſo gleich mit ſeinem Frucht-Korbe uns auf unſer Schloß folgen muſte.
Jch muſte ſelbſt geſtehen, daß meine Gemahlin an dieſen Knaben, welcher ſich Caſpar Palino nen- nete, keine uͤble Wahl getroffen hatte, denn ſo bald er ſein roth mit Silber verbraͤmtes Kleid angezo- gen, wuſte er ſich dermaſſen geſchickt und hoͤflich auf- zufuͤhren, daß ich ihn ſelbſt gern um mich leiden moch- te, und allen meinen andern Bedienten befahl, die- ſem Knaben, bey Verluſt meiner Gnade, nicht den geringſten Verdruß anzuthun, weswegen ſich denn meine Gemahlin gegen mich ungemein erkaͤnntlich bezeigte.
Wenige Wochen hernach, da ich mit verſchie- denen Gaͤſten und guten Freunden das Mittags- Mahl einnahm, entſtund ein grauſames Lermen
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jaͤhrigen Knaben, in die naͤchſt gelegene Stadt Wein-
Trauben zu verkauffen tragen wolte. Meine Ge-
mahlin bekam Luſt, dieſe Fruͤchte zu verſuchen, de-
rowegen ließ ich ſtille halten, um etwas darvon zu
kauffen. Mittlerweile ſagte meine Gemahlin heim-
lich zu mir: Sehet doch, mein Schatz, den wohlge-
bildeten Knaben an, der vielleicht ſehr armer Eltern
Kind iſt, und ſich dennoch wohl beſſer zu unſern Be-
dienten ſchicken ſolte, als etliche, die des Brodts
nicht wuͤrdig ſind. Jch nehme ihn, verſetzte ich, ſo
gleich zu eurem Pagen an, ſo ferne es ſeine Mutter
und er ſelbſt zufrieden iſt. Hieruͤber wurde meine
Gemahlin alſofort vor Freuden Blut-roth, ſprach
auch nicht allein die Mutter, ſondern den Knaben
ſelbſt um den Dienſt an, ſchloß den gantzen Handel
mit wenig Worten, ſo, daß der Knabe ſo gleich mit
ſeinem Frucht-Korbe uns auf unſer Schloß folgen
muſte.
Jch muſte ſelbſt geſtehen, daß meine Gemahlin
an dieſen Knaben, welcher ſich Caſpar Palino nen-
nete, keine uͤble Wahl getroffen hatte, denn ſo bald
er ſein roth mit Silber verbraͤmtes Kleid angezo-
gen, wuſte er ſich dermaſſen geſchickt und hoͤflich auf-
zufuͤhren, daß ich ihn ſelbſt gern um mich leiden moch-
te, und allen meinen andern Bedienten befahl, die-
ſem Knaben, bey Verluſt meiner Gnade, nicht den
geringſten Verdruß anzuthun, weswegen ſich denn
meine Gemahlin gegen mich ungemein erkaͤnntlich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/540>, abgerufen am 21.11.2024.
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