ständig aufs Läugnen, bis ich endlich durch erleidli- ches Gefängniß, die Wahrheit nebst ihrem eigenen Geständnisse, wer Vater zu ihrem Hur-Kinde sey, zu erforschen Anstalt machen ließ. Dem ohngeacht blieb sie beständig verstockt, allein, am 4ten Tage ih- rer Gefangenschafft, meldete der Kerckermeister in aller Frühe, daß Apollonia vergangene Nacht plötz- lich gestorben sey, nachdem sie vorhero Dinte, Fe- der und Papier gefordert, einen Brief geschrieben, und ihn um aller Heiligen willen gebeten, denselben mit gröster Behutsamkeit, damit es meine Gemah- lin nicht erführe, an mich zu übergeben. Jch erbrach den Brief mit zitterenden Händen, weil mir mein Hertz allbereit eine gräßliche Nachricht propheceyete, und fand ohngefähr folgende Worte darinnen:
Gestrenger Herr!
Vernehmet hiermit von einer Sterbenden ein Geheimniß, welches sie bey Verlust ihrer Seeligkeit nicht mit ins Grab nehmen kan. Eure Gemahlin, dieDonna Eleonora, ist eine der allerlasterhafftesten Weibs-Bil- der auf der gantzen Welt. Jhre Jung- frauschafft hat sie schon, ehe ihr dieselbe ge- liebt, demDon Sehastian de UrrezPreiß gegeben, und so zu reden, vor einen kostbarn Haupt- Schmuck verkaufft. Mir dem euch wohl bekandtenNeapolitaner,hat sie in eurer Ab- wesenheit den KnabenCaspar Palinogezeu- ger, welcher ihr voritzo alsPageaufwar- tet, und das vermeynte Bettel-Mägdlein
Euphro-
L l
ſtaͤndig aufs Laͤugnen, bis ich endlich durch erleidli- ches Gefaͤngniß, die Wahrheit nebſt ihrem eigenen Geſtaͤndniſſe, wer Vater zu ihrem Hur-Kinde ſey, zu erforſchen Anſtalt machen ließ. Dem ohngeacht blieb ſie beſtaͤndig verſtockt, allein, am 4ten Tage ih- rer Gefangenſchafft, meldete der Kerckermeiſter in aller Fruͤhe, daß Apollonia vergangene Nacht ploͤtz- lich geſtorben ſey, nachdem ſie vorhero Dinte, Fe- der und Papier gefordert, einen Brief geſchrieben, und ihn um aller Heiligen willen gebeten, denſelben mit groͤſter Behutſamkeit, damit es meine Gemah- lin nicht erfuͤhre, an mich zu uͤbergeben. Jch erbrach den Brief mit zitterenden Haͤnden, weil mir mein Hertz allbereit eine graͤßliche Nachricht propheceyete, und fand ohngefaͤhr folgende Worte darinnen:
Geſtrenger Herr!
Vernehmet hiermit von einer Sterbenden ein Geheimniß, welches ſie bey Verluſt ihrer Seeligkeit nicht mit ins Grab nehmen kan. Eure Gemahlin, dieDonna Eleonora, iſt eine der allerlaſterhaffteſten Weibs-Bil- der auf der gantzen Welt. Jhre Jung- frauſchafft hat ſie ſchon, ehe ihr dieſelbe ge- liebt, demDon Sehaſtian de UrrezPreiß gegeben, und ſo zu reden, vor einen koſtbarn Haupt- Schmuck verkaufft. Mir dem euch wohl bekandtenNeapolitaner,hat ſie in eurer Ab- weſenheit den KnabenCaſpar Palinogezeu- ger, welcher ihr voritzo alsPageaufwar- tet, und das vermeynte Bettel-Maͤgdlein
Euphro-
L l
<TEI><text><back><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0543"n="529"/>ſtaͤndig aufs Laͤugnen, bis ich endlich durch erleidli-<lb/>
ches Gefaͤngniß, die Wahrheit nebſt ihrem eigenen<lb/>
Geſtaͤndniſſe, wer Vater zu ihrem Hur-Kinde ſey,<lb/>
zu erforſchen Anſtalt machen ließ. Dem ohngeacht<lb/>
blieb ſie beſtaͤndig verſtockt, allein, am 4ten Tage ih-<lb/>
rer Gefangenſchafft, meldete der Kerckermeiſter in<lb/>
aller Fruͤhe, daß <hirendition="#aq">Apollonia</hi> vergangene Nacht ploͤtz-<lb/>
lich geſtorben ſey, nachdem ſie vorhero Dinte, Fe-<lb/>
der und Papier gefordert, einen Brief geſchrieben,<lb/>
und ihn um aller Heiligen willen gebeten, denſelben<lb/>
mit groͤſter Behutſamkeit, damit es meine Gemah-<lb/>
lin nicht erfuͤhre, an mich zu uͤbergeben. Jch erbrach<lb/>
den Brief mit zitterenden Haͤnden, weil mir mein<lb/>
Hertz allbereit eine graͤßliche Nachricht propheceyete,<lb/>
und fand ohngefaͤhr folgende Worte darinnen:</p><lb/><floatingText><body><divtype="letter"><opener><salute><hirendition="#c"><hirendition="#fr">Geſtrenger Herr!</hi></hi></salute></opener><lb/><p><hirendition="#fr"><hirendition="#in">V</hi>ernehmet hiermit von einer Sterbenden<lb/>
ein Geheimniß, welches ſie bey Verluſt<lb/>
ihrer Seeligkeit nicht mit ins Grab nehmen<lb/>
kan. Eure Gemahlin, die</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Donna Eleonora</hi>,</hi><lb/><hirendition="#fr">iſt eine der allerlaſterhaffteſten Weibs-Bil-<lb/>
der auf der gantzen Welt. Jhre Jung-<lb/>
frauſchafft hat ſie ſchon, ehe ihr dieſelbe ge-<lb/>
liebt, dem</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Don Sehaſtian de Urrez</hi></hi><hirendition="#fr">Preiß gegeben,<lb/>
und ſo zu reden, vor einen koſtbarn Haupt-<lb/>
Schmuck verkaufft. Mir dem euch wohl<lb/>
bekandten</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Neapolitaner</hi>,</hi><hirendition="#fr">hat ſie in eurer Ab-<lb/>
weſenheit den Knaben</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Caſpar Palino</hi></hi><hirendition="#fr">gezeu-<lb/>
ger, welcher ihr voritzo als</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Page</hi></hi><hirendition="#fr">aufwar-<lb/>
tet, und das vermeynte Bettel-Maͤgdlein</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">L l</hi></fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Euphro-</hi></hi></fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></div></back></text></TEI>
[529/0543]
ſtaͤndig aufs Laͤugnen, bis ich endlich durch erleidli-
ches Gefaͤngniß, die Wahrheit nebſt ihrem eigenen
Geſtaͤndniſſe, wer Vater zu ihrem Hur-Kinde ſey,
zu erforſchen Anſtalt machen ließ. Dem ohngeacht
blieb ſie beſtaͤndig verſtockt, allein, am 4ten Tage ih-
rer Gefangenſchafft, meldete der Kerckermeiſter in
aller Fruͤhe, daß Apollonia vergangene Nacht ploͤtz-
lich geſtorben ſey, nachdem ſie vorhero Dinte, Fe-
der und Papier gefordert, einen Brief geſchrieben,
und ihn um aller Heiligen willen gebeten, denſelben
mit groͤſter Behutſamkeit, damit es meine Gemah-
lin nicht erfuͤhre, an mich zu uͤbergeben. Jch erbrach
den Brief mit zitterenden Haͤnden, weil mir mein
Hertz allbereit eine graͤßliche Nachricht propheceyete,
und fand ohngefaͤhr folgende Worte darinnen:
Geſtrenger Herr!
Vernehmet hiermit von einer Sterbenden
ein Geheimniß, welches ſie bey Verluſt
ihrer Seeligkeit nicht mit ins Grab nehmen
kan. Eure Gemahlin, die Donna Eleonora,
iſt eine der allerlaſterhaffteſten Weibs-Bil-
der auf der gantzen Welt. Jhre Jung-
frauſchafft hat ſie ſchon, ehe ihr dieſelbe ge-
liebt, dem Don Sehaſtian de Urrez Preiß gegeben,
und ſo zu reden, vor einen koſtbarn Haupt-
Schmuck verkaufft. Mir dem euch wohl
bekandten Neapolitaner, hat ſie in eurer Ab-
weſenheit den Knaben Caſpar Palino gezeu-
ger, welcher ihr voritzo als Page aufwar-
tet, und das vermeynte Bettel-Maͤgdlein
Euphro-
L l
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/543>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.