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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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ständig aufs Läugnen, bis ich endlich durch erleidli-
ches Gefängniß, die Wahrheit nebst ihrem eigenen
Geständnisse, wer Vater zu ihrem Hur-Kinde sey,
zu erforschen Anstalt machen ließ. Dem ohngeacht
blieb sie beständig verstockt, allein, am 4ten Tage ih-
rer Gefangenschafft, meldete der Kerckermeister in
aller Frühe, daß Apollonia vergangene Nacht plötz-
lich gestorben sey, nachdem sie vorhero Dinte, Fe-
der und Papier gefordert, einen Brief geschrieben,
und ihn um aller Heiligen willen gebeten, denselben
mit gröster Behutsamkeit, damit es meine Gemah-
lin nicht erführe, an mich zu übergeben. Jch erbrach
den Brief mit zitterenden Händen, weil mir mein
Hertz allbereit eine gräßliche Nachricht propheceyete,
und fand ohngefähr folgende Worte darinnen:

Gestrenger Herr!

Vernehmet hiermit von einer Sterbenden
ein Geheimniß, welches sie bey Verlust
ihrer Seeligkeit nicht mit ins Grab nehmen
kan. Eure Gemahlin, die
Donna Eleonora,
ist eine der allerlasterhafftesten Weibs-Bil-
der auf der gantzen Welt. Jhre Jung-
frauschafft hat sie schon, ehe ihr dieselbe ge-
liebt, dem
Don Sehastian de Urrez Preiß gegeben,
und so zu reden, vor einen kostbarn Haupt-
Schmuck verkaufft. Mir dem euch wohl
bekandten
Neapolitaner, hat sie in eurer Ab-
wesenheit den Knaben
Caspar Palino gezeu-
ger, welcher ihr voritzo als
Page aufwar-
tet, und das vermeynte Bettel-Mägdlein

Euphro-
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ſtaͤndig aufs Laͤugnen, bis ich endlich durch erleidli-
ches Gefaͤngniß, die Wahrheit nebſt ihrem eigenen
Geſtaͤndniſſe, wer Vater zu ihrem Hur-Kinde ſey,
zu erforſchen Anſtalt machen ließ. Dem ohngeacht
blieb ſie beſtaͤndig verſtockt, allein, am 4ten Tage ih-
rer Gefangenſchafft, meldete der Kerckermeiſter in
aller Fruͤhe, daß Apollonia vergangene Nacht ploͤtz-
lich geſtorben ſey, nachdem ſie vorhero Dinte, Fe-
der und Papier gefordert, einen Brief geſchrieben,
und ihn um aller Heiligen willen gebeten, denſelben
mit groͤſter Behutſamkeit, damit es meine Gemah-
lin nicht erfuͤhre, an mich zu uͤbergeben. Jch erbrach
den Brief mit zitterenden Haͤnden, weil mir mein
Hertz allbereit eine graͤßliche Nachricht propheceyete,
und fand ohngefaͤhr folgende Worte darinnen:

Geſtrenger Herr!

Vernehmet hiermit von einer Sterbenden
ein Geheimniß, welches ſie bey Verluſt
ihrer Seeligkeit nicht mit ins Grab nehmen
kan. Eure Gemahlin, die
Donna Eleonora,
iſt eine der allerlaſterhaffteſten Weibs-Bil-
der auf der gantzen Welt. Jhre Jung-
frauſchafft hat ſie ſchon, ehe ihr dieſelbe ge-
liebt, dem
Don Sehaſtian de Urrez Preiß gegeben,
und ſo zu reden, vor einen koſtbarn Haupt-
Schmuck verkaufft. Mir dem euch wohl
bekandten
Neapolitaner, hat ſie in eurer Ab-
weſenheit den Knaben
Caſpar Palino gezeu-
ger, welcher ihr voritzo als
Page aufwar-
tet, und das vermeynte Bettel-Maͤgdlein

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[529/0543] ſtaͤndig aufs Laͤugnen, bis ich endlich durch erleidli- ches Gefaͤngniß, die Wahrheit nebſt ihrem eigenen Geſtaͤndniſſe, wer Vater zu ihrem Hur-Kinde ſey, zu erforſchen Anſtalt machen ließ. Dem ohngeacht blieb ſie beſtaͤndig verſtockt, allein, am 4ten Tage ih- rer Gefangenſchafft, meldete der Kerckermeiſter in aller Fruͤhe, daß Apollonia vergangene Nacht ploͤtz- lich geſtorben ſey, nachdem ſie vorhero Dinte, Fe- der und Papier gefordert, einen Brief geſchrieben, und ihn um aller Heiligen willen gebeten, denſelben mit groͤſter Behutſamkeit, damit es meine Gemah- lin nicht erfuͤhre, an mich zu uͤbergeben. Jch erbrach den Brief mit zitterenden Haͤnden, weil mir mein Hertz allbereit eine graͤßliche Nachricht propheceyete, und fand ohngefaͤhr folgende Worte darinnen: Geſtrenger Herr! Vernehmet hiermit von einer Sterbenden ein Geheimniß, welches ſie bey Verluſt ihrer Seeligkeit nicht mit ins Grab nehmen kan. Eure Gemahlin, die Donna Eleonora, iſt eine der allerlaſterhaffteſten Weibs-Bil- der auf der gantzen Welt. Jhre Jung- frauſchafft hat ſie ſchon, ehe ihr dieſelbe ge- liebt, dem Don Sehaſtian de Urrez Preiß gegeben, und ſo zu reden, vor einen koſtbarn Haupt- Schmuck verkaufft. Mir dem euch wohl bekandten Neapolitaner, hat ſie in eurer Ab- weſenheit den Knaben Caſpar Palino gezeu- ger, welcher ihr voritzo als Page aufwar- tet, und das vermeynte Bettel-Maͤgdlein Euphro- L l

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/543>, abgerufen am 21.11.2024.