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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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dermassen in die Seite gestossen wurde, daß sie zum
andern mahle ohnmächtig darnieder sanck. Bey
mir entstund dieserwegen nicht das geringste Mit-
leyden, sondern ich verließ sie unter den Händen der
Cornelia, der Verschnittene aber muste nebst der
vermaledeyten Kupplerin zurück ins Gefängniß
wandern. Nachhero wurde auch die Cornelia vor-
genommen, welche sich in allen aufs Läugnen ver-
ließ, und vor die allerunschuldigste angesehen seyn
wolte, so bald ihr aber nur die Folter-Banck nebst
dem darzu gehörigen Werck-Zeuge gezeigt würde,
bekannte die liederliche Metze nicht allein, daß sie auf
Eleonorens Befehl den vergiffteten Apffel zugerich-
tet, und ihn der Apollonie zu essen eingeschwatzt
hätte, sondern offenbarete über dieses noch ein und
anderes von ihrer verstorbenen Mit-Schwester
Heimlichkeiten, welches alles aber nur Eleonoren
zur Entschuldigung gereichen, und mich zur Barm-
hertzigkeit gegen dieselbe bewegen solte. Allein die-
ses war alles vergebens, denn mein Gemüthe war
dermassen von Grimm und Rache erfüllet, daß ich
nichts mehr suchte als dieselbe rechtmäßiger weise
auszuüben. Jnmittelst, weil ich mich nicht allzusehr
übereilen wolte, wurde die übrige Zeit des Tages
nebst der darauf folgenden Nacht, theils zu reifflicher
Betrachtung meines unglück feeligen Verhängnisses,
theils aber auch zur benöthigten Ruhe angewendet.

Da aber etwa zwey Stunden vor Anbruch des
Tages im halben Schlummer lag, erhub sich ein
starcker Tumult in meinem Hofe, weswegen ich auf-
sprunge und durchs Fenster ersahe, wie meine Leute

mit

dermaſſen in die Seite geſtoſſen wurde, daß ſie zum
andern mahle ohnmaͤchtig darnieder ſanck. Bey
mir entſtund dieſerwegen nicht das geringſte Mit-
leyden, ſondern ich verließ ſie unter den Haͤnden der
Cornelia, der Verſchnittene aber muſte nebſt der
vermaledeyten Kupplerin zuruͤck ins Gefaͤngniß
wandern. Nachhero wurde auch die Cornelia vor-
genommen, welche ſich in allen aufs Laͤugnen ver-
ließ, und vor die allerunſchuldigſte angeſehen ſeyn
wolte, ſo bald ihr aber nur die Folter-Banck nebſt
dem darzu gehoͤrigen Werck-Zeuge gezeigt wuͤrde,
bekannte die liederliche Metze nicht allein, daß ſie auf
Eleonorens Befehl den vergiffteten Apffel zugerich-
tet, und ihn der Apollonie zu eſſen eingeſchwatzt
haͤtte, ſondern offenbarete uͤber dieſes noch ein und
anderes von ihrer verſtorbenen Mit-Schweſter
Heimlichkeiten, welches alles aber nur Eleonoren
zur Entſchuldigung gereichen, und mich zur Barm-
hertzigkeit gegen dieſelbe bewegen ſolte. Allein die-
ſes war alles vergebens, denn mein Gemuͤthe war
dermaſſen von Grimm und Rache erfuͤllet, daß ich
nichts mehr ſuchte als dieſelbe rechtmaͤßiger weiſe
auszuuͤben. Jnmittelſt, weil ich mich nicht allzuſehr
uͤbereilen wolte, wurde die uͤbrige Zeit des Tages
nebſt der darauf folgenden Nacht, theils zu reifflicher
Betrachtung meines ungluͤck feeligen Verhaͤngniſſes,
theils aber auch zur benoͤthigten Ruhe angewendet.

Da aber etwa zwey Stunden vor Anbruch des
Tages im halben Schlummer lag, erhub ſich ein
ſtarcker Tumult in meinem Hofe, weswegen ich auf-
ſprunge und durchs Fenſter erſahe, wie meine Leute

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[541/0555] dermaſſen in die Seite geſtoſſen wurde, daß ſie zum andern mahle ohnmaͤchtig darnieder ſanck. Bey mir entſtund dieſerwegen nicht das geringſte Mit- leyden, ſondern ich verließ ſie unter den Haͤnden der Cornelia, der Verſchnittene aber muſte nebſt der vermaledeyten Kupplerin zuruͤck ins Gefaͤngniß wandern. Nachhero wurde auch die Cornelia vor- genommen, welche ſich in allen aufs Laͤugnen ver- ließ, und vor die allerunſchuldigſte angeſehen ſeyn wolte, ſo bald ihr aber nur die Folter-Banck nebſt dem darzu gehoͤrigen Werck-Zeuge gezeigt wuͤrde, bekannte die liederliche Metze nicht allein, daß ſie auf Eleonorens Befehl den vergiffteten Apffel zugerich- tet, und ihn der Apollonie zu eſſen eingeſchwatzt haͤtte, ſondern offenbarete uͤber dieſes noch ein und anderes von ihrer verſtorbenen Mit-Schweſter Heimlichkeiten, welches alles aber nur Eleonoren zur Entſchuldigung gereichen, und mich zur Barm- hertzigkeit gegen dieſelbe bewegen ſolte. Allein die- ſes war alles vergebens, denn mein Gemuͤthe war dermaſſen von Grimm und Rache erfuͤllet, daß ich nichts mehr ſuchte als dieſelbe rechtmaͤßiger weiſe auszuuͤben. Jnmittelſt, weil ich mich nicht allzuſehr uͤbereilen wolte, wurde die uͤbrige Zeit des Tages nebſt der darauf folgenden Nacht, theils zu reifflicher Betrachtung meines ungluͤck feeligen Verhaͤngniſſes, theils aber auch zur benoͤthigten Ruhe angewendet. Da aber etwa zwey Stunden vor Anbruch des Tages im halben Schlummer lag, erhub ſich ein ſtarcker Tumult in meinem Hofe, weswegen ich auf- ſprunge und durchs Fenſter erſahe, wie meine Leute mit

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/555>, abgerufen am 22.11.2024.